Funktionsweise von Systemen

Fast zehn Jahre nach Donella Meadows Tod veröffentlicht der Oekom Verlag mit "Die Grenzen des Denkens" eine Einführung in die Funktionsweise von Systemen. Das Werk verlangt vom Leser allerdings einen Zeitsprung, denn die Autorin denkt über Systemzusammenhänge einer Welt nach, in der die Sowjetunion noch existiert und der Weltklimarat seinen ersten Bericht vorlegt.
Fast zehn Jahre nach Donella Meadows Tod veröffentlicht der Oekom Verlag mit "Die Grenzen des Denkens" eine Einführung in die Funktionsweise von Systemen, deren Originalmanuskript die Autorin bereits 1993 fertig gestellt hatte. Bei der Bearbeitung hat Diana Wright, einst Kollegin von Meadows am Sustainibility Institute, auf Aktualisierungen verzichtet. Dadurch wird den Lesern ein Zeitsprung abverlangt. Meadows denkt über die Systemzusammenhänge einer Welt nach, in der die Sowjetunion noch existiert und der Weltklimarat seinen ersten Bericht vorlegt.

Das Hauptanliegen des Buches bleibt indessen unbeschädigt. Davon ausgehend, dass ein System – es sei das Ökosystem, ein Konzern, die Heizung - stets mehr ist als die Summe seiner Teile, erklärt Meadows, wie Systeme strukturiert sind, wie sie sich verhalten, von welchen Regeln sie geleitet werden, mit welchen System-Fallen und welchen Entwicklungschancen zu rechnen ist. Meadows beginnt mit dem System 'Badewanne' und erhöht das Niveau bis zur Untersuchung vertrackter Rückkopplungsschleifen in biologischen Organismen, in der Weltwirtschaft, in Gesellschaft und Umwelt. Sie stellt dar, wie man Systeme beobachten, steuern, missdeuten und missbrauchen kann.

Meadows gibt zu, dass im Systemdenken viel "gesunder Menschenverstand" am Werk ist und zum Beispiel das Reicherwerden der Reichen bereits im Markus-Evangelium als Systemfunktion erkannt wurde: "Denn wer da hat, dem wird gegeben; und wer nicht hat, von dem wird man nehmen, auch was er hat." Ohne viel Polemik entlarvt die Autorin, die eine "weltweit emsige Stechfliege" sein wollte, das Wachstums-Denken als sachlich unzureichend, da es anders als das Systemdenken nicht zu Nachhaltigkeit, sondern (bloß) zu gesteigertem Ressourcenverbrauch führt. Gleichzeitig behält die praktizierende Öko-Bäuerin Alltagsprobleme im Auge, streut chinesische Weisheiten ein, zitiert Tageszeitungen und Belletristik, kurz: Sie proklamiert das Systemdenken als geistige Praxis mit ganzheitlichem Anspruch.

Die Drohung eines katastrophalen Systemabsturzes der Wirtschaft, des Klimas oder der Umwelt steht stets im Hintergrund; Kassandra-Rufe aber erklingen vergleichsweise leise. Meadows wirbt aus Begeisterung und Überzeugung für besseres Denken, besseres Handeln, für eine bessere Welt.

Viele Diagramme, eingestreute Spruchweisheiten und Prunkzitate, "Zwischenspiele", in Kästen präsentierte Merksätze und Resümees, der schnelle Wechsel zwischen Abstraktionen, knappen Fallbeispielen und Lebensberatung machen die "Grenzen des Denkens" zu einem unruhigen Lektürestoff. Lesern, die für Ganzheitlichkeit und Nachhaltigkeit eintreten, kann das Buch als Vergewisserung dienen. Es kann Skeptiker veranlassen, sich diesseits der Fachwissenschaft mit Systemdenken zu befassen.

Es appelliert an unser Verantwortungsbewusstsein und zeigt, dass es Alternativen zum rasanten Verbrauch der Welt gibt. Wobei die Erwartungen ans Systemdenken nicht überschießen sollten. Meadows gesteht am Ende: "Wir können Systeme weder beherrschen noch sie enträtseln. Aber wir können mit ihnen tanzen!"

Besprochen von Arno Orzessek

Donella H. Meadows: Die Grenzen des Denkens - Wie wir sie mit System erkennen und überwinden können
Oekom Verlag, München 2010, 238 Seiten, 19,90 Euro