Funktionsmechanismen einer Supermacht
Der Politologie-Professor Lothar Rühl hat mit seinem Buch „Das Reich des Guten“ eine Untersuchung der Triebkräfte und Mechanismen der einzig verbliebenen Supermacht vorgelegt. Darin zeigt er auch die politischen, militärischen und ökonomischen Bewegungen, die in den Irak-Krieg und das gewärtige Dilemma führten.
Rühl bringt respektable Voraussetzungen mit: Er ist Professor am Institut für Politische Wissenschaft und Europäische Fragen in Köln. Er war Journalist, zwei Jahre lang Regierungssprecher unter Helmut Schmidt, dann Staatssekretär im Verteidigungsministerium unter Helmut Kohl, hier zuständig für Internationale Sicherheit und Bündnispolitik.
Der Mann hat also nicht nur ein reiches Wissen als Beobachter gesammelt, er hat auch ein Nähkästchen, aus dem er plaudern könnte. Tut er aber nicht: Lothar Rühls Buch ist ein nüchternes, universitätsnahes Werk, und – um das gleich vorweg zu sagen – ein Glanzstück professoraler Formulierungskunst.
Rühls Angst scheint zu sein, dass, wenn er mal mit einem Satz zitiert werden sollte, dieser Satz nicht alles enthalten könnte, was auch nur in die Nähe des Themas gehört.
Rühl zeigt, wie schon der Aufstieg von der Kolonie zur Nation den Widerspruch hervorbrachte, der bis heute die USA zwischen Expansionsdrang und Selbstgenügsamkeit hin- und herpendeln lässt. Rühl erinnert an die Eroberung des Kontinents von Küste zu Küste, die aus Amerika eine von zwei Ozeanen geschützte Wasserburg machte. Nach der kontinentalen Konsolidierung begann das junge, dynamische Amerika, sich bei den zerfallenden Weltreichen der europäischen Kolonialmächte zu bedienen: Spanien machte den Anfang, dann folgten nach dem ersten Weltkrieg Frankreich und Großbritannien, als gerade im Nahen Osten die Landkarten neu gemischt wurden. Detailliert und spannend erklärt Rühl die politischen, militärischen und ökonomischen Bewegungen, die in drei Irak-Kriege und das gewärtige Dilemma führten.
Attacken gegen die Bush-Administration verkneift sich Rühl, er lässt die Ergebnisse urteilen. Was den Irak-Krieg betrifft, ist es erfrischend zu lesen, dass der von den USA initiierte Regimewechsel auch mit den strategischen Öl-Reserven zu tun hat – wie oft haben wir von berufenen Kommentatoren hören dürfen, dass die nun wirklich keine Rolle spielten. Der Diagnose folgt die Hochrechnung: Die Hegemonial-Rolle der USA wird sicher noch einige Zeit weiter bestehen, sagt Rühl, aber schon sieht er China Washington diese Rolle streitig machen. Rühl nimmt an, dass China dann allerdings keine kommunistische Diktatur mehr sein wird, sondern eher eine Art gelenkte Demokratie.
Mit Vorhersagen, weiß der Volksmund, ist es bekanntlich schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen.
Was Rühls Buch aber leistet ist die Darstellung der Geschichte, der wirkenden Kräfte und Interessen und auch der kollektiv-psychologischen Faktoren, die Amerikas Weltpolitik bestimmen. Damit sieht man schon viel klarer, wenn man nach anspruchsvoller Lektüre wieder aufblickt. Erinnern wir uns an den Zwiespalt zwischen Pragmatismus und Wertegläubigkeit, der die amerikanische Politik auszeichnet – man muss, wie Andreas Etges ganz im Sinne Lothar Rühls urteilt, die Glaubenskräfte an die welterneuende Aufgabe Amerikas als politische Triebkräfte ernst nehmen:
Etges: „Wie gesagt: Eine Idee, die wir in gewisser Weise – wenn wir an den Irak und anderes denken – bis heute finden und ich glaube auch nicht, dass man sagen kann, dass pappt sich so jemand wie George Bush oder anderen an – die glauben zum Teil auch wirklich an diese Missionsidee.“
Lothar Rühl: Das Reich des Guten
Machtpolitik und globale Strategie Amerikas
Klett-Cotta Stuttgart 2005
382 Seiten, 19,50 Euro
Der Mann hat also nicht nur ein reiches Wissen als Beobachter gesammelt, er hat auch ein Nähkästchen, aus dem er plaudern könnte. Tut er aber nicht: Lothar Rühls Buch ist ein nüchternes, universitätsnahes Werk, und – um das gleich vorweg zu sagen – ein Glanzstück professoraler Formulierungskunst.
Rühls Angst scheint zu sein, dass, wenn er mal mit einem Satz zitiert werden sollte, dieser Satz nicht alles enthalten könnte, was auch nur in die Nähe des Themas gehört.
Rühl zeigt, wie schon der Aufstieg von der Kolonie zur Nation den Widerspruch hervorbrachte, der bis heute die USA zwischen Expansionsdrang und Selbstgenügsamkeit hin- und herpendeln lässt. Rühl erinnert an die Eroberung des Kontinents von Küste zu Küste, die aus Amerika eine von zwei Ozeanen geschützte Wasserburg machte. Nach der kontinentalen Konsolidierung begann das junge, dynamische Amerika, sich bei den zerfallenden Weltreichen der europäischen Kolonialmächte zu bedienen: Spanien machte den Anfang, dann folgten nach dem ersten Weltkrieg Frankreich und Großbritannien, als gerade im Nahen Osten die Landkarten neu gemischt wurden. Detailliert und spannend erklärt Rühl die politischen, militärischen und ökonomischen Bewegungen, die in drei Irak-Kriege und das gewärtige Dilemma führten.
Attacken gegen die Bush-Administration verkneift sich Rühl, er lässt die Ergebnisse urteilen. Was den Irak-Krieg betrifft, ist es erfrischend zu lesen, dass der von den USA initiierte Regimewechsel auch mit den strategischen Öl-Reserven zu tun hat – wie oft haben wir von berufenen Kommentatoren hören dürfen, dass die nun wirklich keine Rolle spielten. Der Diagnose folgt die Hochrechnung: Die Hegemonial-Rolle der USA wird sicher noch einige Zeit weiter bestehen, sagt Rühl, aber schon sieht er China Washington diese Rolle streitig machen. Rühl nimmt an, dass China dann allerdings keine kommunistische Diktatur mehr sein wird, sondern eher eine Art gelenkte Demokratie.
Mit Vorhersagen, weiß der Volksmund, ist es bekanntlich schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen.
Was Rühls Buch aber leistet ist die Darstellung der Geschichte, der wirkenden Kräfte und Interessen und auch der kollektiv-psychologischen Faktoren, die Amerikas Weltpolitik bestimmen. Damit sieht man schon viel klarer, wenn man nach anspruchsvoller Lektüre wieder aufblickt. Erinnern wir uns an den Zwiespalt zwischen Pragmatismus und Wertegläubigkeit, der die amerikanische Politik auszeichnet – man muss, wie Andreas Etges ganz im Sinne Lothar Rühls urteilt, die Glaubenskräfte an die welterneuende Aufgabe Amerikas als politische Triebkräfte ernst nehmen:
Etges: „Wie gesagt: Eine Idee, die wir in gewisser Weise – wenn wir an den Irak und anderes denken – bis heute finden und ich glaube auch nicht, dass man sagen kann, dass pappt sich so jemand wie George Bush oder anderen an – die glauben zum Teil auch wirklich an diese Missionsidee.“
Lothar Rühl: Das Reich des Guten
Machtpolitik und globale Strategie Amerikas
Klett-Cotta Stuttgart 2005
382 Seiten, 19,50 Euro