Funkamateure

Besser als jede WhatsApp-Gruppe

06:57 Minuten
Mit über 35.000 Mitgliedern ist der Deutsche Amateur-Radio-Club e.V. (DARC) der größte Amateurfunkverband Deutschlands. Dem Verein gehört etwa die Hälfte der deutschen Funkamateure an. Hier: Ein Funker in seiner Stube an seinen Funkgeräten.
Faszination Funk: Selbst Jüngere finden das spannender als Chaträume im Netz. © imago stock&people/Petra Steuer/Joker
Von Bastian Brandau · 18.11.2019
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Funkamateure wirken etwas aus der Zeit gefallen: Sie lauschen verrauschten Stimmen aus aller Welt und sprechen mit Menschen, die sie nie zuvor gesehen haben. Das ist viel schöner als jeder Chatroom, sagen die Jüngeren unter den Funkern.
Es klingt ein wenig nach Mondlandung und Sputnik, wenn Wolf-Eckart Grüning an seinen Funkgerät, einem schwarzen Kasten, mit einem Rad die Frequenz verändert.
"Ist ein Italiener. Im Hintergrund war noch ein Funkamateur aus Moskau. Der ist aus Mittelitalien, hier IK5."
Jedes Land hat ein eigenes Funker-Kürzel, größere Länder wie Italien auch mehrere, erklärt Grüning. Er ist Vorsitzender des Funkamateur-Vereins TU Dresden mit gut 80 Mitgliedern. Im Klubraum, dem wenige Quadratmeter großen Turmzimmer des Barkhausenbaus der Fakultät für Elektrotechnik, sitzt er mit ein paar anderen Vereinsmitgliedern an einer der drei Funkstationen des Klubs. Und versucht, eine Verbindung aufzubauen.
Grüning erläutert: "Man dreht, bis man was hört? Also man schaut beispielsweise nach, ob eine Station hört oder ruft, wo man Interesse hat, mit der in Funkverbindung zu treten."

Die Technik ist besser und günstiger geworden

Diese Verbindungen sammeln Funker wie Trophäen, sie lassen sie sich mit einem Postkartensystem bestätigen. Grüning ist 65, hat seine Funklizenz zum 18. Geburtstag gemacht. In der DDR, in der Funken zur vormilitärischen Ausbildung gehörte. Seit 1972 baut er Verbindungen in die ganze Welt auf, in 327 der 340 Gebiete, in die die Funkwelt aufgeteilt ist. Vollmachen wird er die Liste wohl nicht - die fehlenden 13 sind überwiegend unbewohnte Naturschutzgebiete.
Grüning erzählt vom Wandel der Funkwelt: Nicht nur, dass die Technik besser und preisgünstiger geworden ist - viele funken inzwischen von Zuhause. Übers Internet kann man sich verabreden, weiß, wer wo unterwegs ist. Und auch Funkverbindungen kommen längst digital zustande. Auch von und nach Dresden, sichtbar auf einer Liste auf einem der Monitore.

Wenn ein Deutscher mit einem Schotten funkt

Grüning sagt: "Seit es diesen Digitalfunk gibt, da sammeln sich die Leute. Und die fehlen jetzt an den anderen Stellen. Also, altgediente Funkamateure beklagen diese neue Computersendeart, weil sie einen Großteil der Sendeaktivitäten abfängt. Und damit für die konventionellen, also Morsen und Sprechfunk, nicht mehr so viel übrig ist. Das passiert wirklich, Sie drehen über ein ganzes Frequenzband für den Amateurfunk. Und Sie hören nicht ein Signal."
Grüninig konnte den Funker aus Italien zwar hören, der hat aber nicht geantwortet. Zeit, das nächste Register zu ziehen und den Verstärker einzuschalten. Statt mit 100 Watt sendet die Antenne auf dem Dach der TU Dresden nun mit der vierfachen Leistung.
"Das ist ein Deutscher auf den Balearen. Der funkt jetzt mit einem Schotten. Hier ruft mal Delta Lima Null, Tango, Uniform Delta. Delta Lima Null, Tango, Uniform Delta. Over. -Oh, du bist aber…"

Auf Ibiza ist es nicht so sonnig wie erhofft

Endlich eine Antwort – mit der Bitte, den Code zum Mitschreiben zu Wiederholen.
"Das mache ich gern. Hier ist Delta LIMA Null, Tango, Uniform Delta. Du bist hier auch sehr stark. Bitte sehr. Ja, Du bist hier so fünf über neun, guten Abend."
Die Verbindung steht zu einem deutschen Funker, der sein Gerät mit in den Urlaub auf die Balearen genommen hat. Die Unterhaltung geht hin und her über Signalstärken und die Technik der Funkgeräte. Und: Auf Ibiza ist es nicht so sonnig wie erhofft.
"Ein Funkamateur muss sich immer mindestens dreimal verabschieden.Und zwar mit dem internationalen Gruß der Funker, der Zahl 73. Schönen Abend, 73"
– "Und was war das jetzt für ein Kontakt, wie würden Sie das beschreiben?"
– "Ein einfacher Alltagskontakt ohne Leistungsdruck. Man hat sich einfach ausgetauscht. Der andere ist eben im Urlaub, hat sich einfach gefreut, dass er auch mal mit Leuten aus der Heimat so reden kann. Einfach auf Deutsch. Man hat ja vorhin gehört, dass er sehr gut Englisch spricht, dass er sich also international auch sehr gut verständigen kann. Aber es ist eben doch schön, wenn man im Ausland ist, dass man dann Kontakt zur Heimat hat. Und das hat ihn gefreut. Und ja, ist eben ein netter Mensch."

Funken statt Besuche in Chaträumen

Denn bei aller Technik – es geht um die weltweiten Kontakte mit Gleichgesinnten, erklärt auch Fred Siegmund. Auch er nimmt sein Funkgerät gern mit in den Urlaub. Mit 40 ist er eines der jüngsten Klubmitglieder, aufgewachsen in einer Zeit, als die ersten Chatprogramme wie ICQ aufkamen. Warum also funkt er, anstatt etwa sich in öffentlich zugänglichen Chaträumen zu unterhalten?

"Wer geht denn per WhatsApp sozusagen auf andere Leute zu, die man nicht kennt? Im Grunde niemand - und das ist eben genau der Unterschied zum Amateurfunk", erläutert Siegmund. "Hier hat man eben sozusagen im Grunde eine ganz große weltweite Gemeinde, mit denen man relativ wenn problemlos in Kontakt treten kann. Eben über Funk. Man hat sofort Gesprächsthemen, weil man über die gleiche Technik sprechen kann, die man benutzt. Oder über Antennen, oder über das neueste Programm, was man gerade benutzt. Und sagen wir mal, diese weltweiten Verbindungen ist eben, sagen wir, auch das Besondere, was man konnte, ja so nur, über den das Funkgerät quasi finden kann."
Das Foto zeigt den Hobby-Funker Fred Siegmund vor einer Anlage.
Besser als WhatsApp: Funker Fred Siegmund gehört zu den Amateurfunkern der TU Dresden© Bastian Brandau/Deutschlandradio

Lieber Morsen als Sprechen

In dem die kurzen und langen Töne übrigens immer noch eine große Rolle spielen. Denn auch wenn technisch sogar eine Videoverbindung möglich ist: Eigentlich, sagt Vereinspräsident Wolf-Eckart Grüning, morse er beim Funken lieber als zu sprechen. Was man ihm sofort glaubt, wenn man sieht, wie er die zwei grauen Tasten blind bedient.
– "Heute ist der Wurm drin?"
– "Nein ihm war das zu schnell."
Es entsteht – für den Funklaien völlig unverständlich – ein Gespräch.
– "Er hört uns also ganz gut. Er hört uns mit einer mittleren Empfangsfeldstärke. … und heißt Banek."
– "Und tschüs, sozusagen."
– "Genau. Naja, das ist nun kein internationales Morsezeichen, das ist so eine Sache, so ein freundliches Tschüs, wenn man es gut mit der anderen Person meint."
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