Fugu - Delikatesse mit Risiko

Von Udo Pollmer · 29.03.2009
Nirgendwo liegen Genuss und Tod so nahe wie beim Verzehr einer in Japan oder auch in China hoch geschätzten Fischspezialität: von Fugu. Die Kugel- und Igelfische gelten unter Feinschmeckern als Köstlichkeit, müssen aber - da sie das Gift Tetrodotoxin enthalten - mit äußerster Vorsicht zubereitet werden.
Worum handelt es sich da? "Fugu" ist ein Sammelbebegriff für Kugel- und Igelfische: Beide schlucken bei Bedrohung Wasser, bis sie kugelrund sind, daher der Name. Einem Angreifer droht beim Verschlingen eine Maulsperre. Igelfische richten zusätzlich zahlreiche Stacheln abwehrbereit auf.

Und das soll schmecken? Den Gourmet faszinieren natürlich nur die "inneren Werte": Denn die Fische enthalten ein starkes Gift, das Tetrodotoxin. Das reichern sie vor allem in der Haut, der Leber und den Eierstöcken an. Damit nichts passiert, müssen die Tierchen von lizensierten Köchen sorgfältig ausgenommen werden. Danach richten sie das rohe, hauchdünn geschnittene Fleisch in kunstvollen Figuren an.

Was bewirkt dieses Tetrodotoxin? Es bewirkt den typischen, vom Feinschmecker so geschätzten Gaumenkitzel – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Denn Eigengeschmack hat das Fleisch kaum. Vielmehr verspürt man im Mund ein Kribbeln und Brennen, dem ein Taubheits- und Kältegefühl folgt. Diese sogenannten Parästhesien erfassen allmählich auch Arme und Beine. Wichtiger für den Kunden ist die Tatsache, dass dies mit einer Euphorie verbunden ist. Für diese Euphorie nimmt der Feinschmecker recht unangenehme Empfindungen, Gefühlsverlust, ja sogar die Gefahr des Todes in Kauf.

Und wenn man davon zuviel erwischt, war‘s der letzte Bissen? Ja - bei höheren Konzentrationen beginnt es dann auch in anderen Körperteilen zu kribbeln, das euphorische Gefühl verschwindet ebenso wie die Fähigkeit zur Artikulation: Dann setzen Muskellähmungen ein. Der Patient bleibt bis zum Eintritt des Todes durch Atemstillstand bei vollem Bewusstsein. Ein Gegengift ist nicht bekannt. Und obwohl die Lust auf Fugu in Asien bis heute überlebt hat, kann man das nicht von allen Konsumenten sagen: Jedes Jahr bezahlen im Land der aufgehenden Sonne noch immer bis zu einem Dutzend Feinschmecker ihr Vergnügen mit dem Leben. Ursache ist meist eine unsachgemäße Zubereitung im Privathaushalt.

Im Grunde ist das ja absurd, dass Menschen bereit sind zu sterben, wenn es nur im Mund kribbelt ... Daran lässt sich unschwer erahnen, welche Erfolge die sogenannte "Ernährungserziehung" bei uns einheimsen wird. Aber zurück zu unseren Fischen, die ja in Japan angeblich das sprichwörtliche Fundament einer gesunden Ernährung sind: Die Sache ist beim Fugu dadurch ziemlich kompliziert, weil der Giftgehalt je nach Jahreszeit, Art und Fangort stark schwanken kann. Besonders die Weibchen zeichnen sich zur Fortpflanzungszeit durch einen hohen Gehalt an Tetrodotoxin ihrer Ovarien aus. Insofern braucht es da erheblichen Sachverstand in der Küche.

Das klingt nach japanischem Roulette. Wann werden die ersten Fugurestaurants in Deutschland, vermutlich in Düsseldorf, eröffnet? Der wissenschaftliche Fortschritt ist unaufhaltsam. Inzwischen ist es möglich, Kugelfische in Kultur zu züchten, die wesentlich niedrigere Konzentration des Giftes aufweisen. Der Grund sind Mikroorganismen im Meer wie Dinoflagellaten, die die Gifte produzieren. Auf diese Weise gelangen die Fugu-Fische in den Besitz des Giftes, um sich vor Fraßfeinden zu schützen. Unter den kontrollierten Bedingungen einer modernen Aquakultur lassen sich diese Giftproduzenten außen vor halten. Und dann gibt es Fugu sicherlich auch bei uns als "Spezialität".

Aber dann wirkt es doch nicht mehr? Natürlich, aber wer die Fugueuphorie nicht kennt, wird sie auch nicht vermissen und gleichzeitig froh sein, dass seine Speise "risikofrei" ist. In Asien sieht das anders aus. Dort ist Fugu ohne Euphorie letztendlich so attraktiv wie an der Nordseeküste ein Klarer ohne Alkohol.

Literatur:
Mebs D: Gifttiere. Ein Handbuch für Biologen, Toxikologen, Ärzte, Apotheker. WVG, Stuttgart 2000
Schaper A: Fischvergiftung. Deutsches Ärzteblatt 2002; 99: A 1151-1158
Huxtable R: This and that: risk and ressurection. Trends in Pharmaceutical Sciences 1987; 8: 16-17
Matsumura K: Tedrodotoxin concentration in cultured puffer fish, Fugu rubripes. Journal of Agricultural & Food Chemistry 1996; 44: 1-2
Forth W et al: Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 1996
Roberts MF, Wink M: Alkaloids. Biochemistry, Ecology and Medical Application. Plenum, New York 1998
Zhelong Wu et al: A new tetrodotoxin-producing actinomycete, Nocardiopsis dassonvillei, isolated from the ovaries of puffer fish Fugu rubripes. Toxicon 2005; 54: 851-859