Fürstlich versteckt

Von Blanka Weber · 16.04.2010
In der Heidecksburg, der ehemaligen Fürstenresidenz im thüringischen Rudolstadt, hat eine Sammlung der einstigen jüdischen Gemeinde die Nazizeit überstanden. Jahrelang schlummerten die Judaica im Magazin. Jetzt werden sie erstmals gezeigt.
Lutz Unbehaun muss einige der breiten Steinstufen nehmen, bevor er im oberen Geschoss angekommen ist und den kleinen stillen Eckraum erreicht. Der Museumsdirektor klickt die dezente Beleuchtung an und atmet zufrieden durch:

"Also uns kam es darauf an, diesen alten synagogalen Raum in Rudolstadt nachzuempfinden und deshalb haben wir diese Sachen in ein Eckkabinett reingebracht, wo wir die Anordnung so bringen, wie sie möglicherweise dort gestanden haben."

Die Stücke stammen alle aus der kleinen jüdischen Gemeinde der ehemaligen Fürstenresidenz. Es waren nur wenige Familien damals. Und als sich die Gemeinde 1870 auflöste, nahm eine Familie namens Callmann die kostbaren Stücke in ihre Obhut.

1911 starb Hildegard Callmann. Ihre Erben stifteten die wertvollen Judaica der Städtischen Altertumssammlung. Von dort gelangten sie in die Heidecksburg. Ein Glücksfall, denn da waren sie sicher. Im Vergleich zu den noch wenigen jüdischen Menschen, die in den 30er-Jahren im Ort lebten, erklärt der Museumsdirektor Lutz Unbehaun:

"Das ist erschreckend, wenn man Fotodokumente sieht von einem Geschäft am Markt wo eben zwei SA Leute davor stehen mit der Aufschrift: Kauft nicht bei Juden. Also Dinge, die in Rudolstadt genauso vorgefallen sind. Zu dieser Zeit war allerdings diese Sammlung der Judaica bereits gesichert. Sie befand sich schon in den Magazinen der Heidecksburg und der Zugriff war verwehrt oder man hat's nicht publik gemacht, dass sich die Sammlung hier befindet."

Dabei gab es durchaus nationalsozialistisch-gesinnte Personen, die das jüdische Leben erforschen und darüber publizieren wollten, so wie es ein enger Mitarbeiter aus höchstem politischen Kreis vorhatte:

"Der war direkt in einem Anstellungsverhältnis bei Fritz Saukel gewesen in Weimar und er hat den ersten Band, es sollte wohl die ganze Judengeschichte in Thüringen gewertet werden, und er hat als einen ersten Band, 'Die Juden von Rudolstadt', veröffentlicht, danach ging es nicht weiter."

Die kostbaren Judaica schlummerten unterdessen unbemerkt in den Magazinen. Auch während der DDR-Zeit. Zwar wurden sie sorgsam registriert und sortiert, doch kaum gewürdigt. Schon gar nicht öffentlich! Nun stehen sie zum ersten Mal im Rampenlicht. Wenn auch dezent und im kleinen Rahmen. Für Lutz Unbehaun ist die Sammlung ein Anfang, denn es gibt noch mehr zu entdecken. Bücher aus dem 18. Jahrhundert befinden sich in den Magazinen und warten darauf, gelesen, genutzt und erforscht zu werden.

Das Interesse sei glücklicherweise groß, so der Museumsdirektor. Und er meint damit das in Thüringen, aber auch das aus dem Ausland. Dank Internet werden seine synagogalen Schätze weltweit wahrgenommen:

"Wir wissen, dass in den USA und Israel ein großes Interesse da ist. Wir merken das in der Internetpräsentation, weil die Seite des öfteren angeklickt wird."

Die wenigen Judaica aus Rudolstadt gelten als besonders wertvoll. Möglicherweise ist es einer der wenigen vollständig erhaltenen Textilbestände aus dem 18. Jahrhundert. Die Restauratoren waren begeistert und gehen davon aus, dass kleinteilige filigrane Borten sogar aus dem 16. Jahrhundert stammen. Doch das Haupt-Augenmerk gilt den langen Bändern, bedruckt mit blauer und roter Farbe:

"Die sogenannten Thorawimpel oder Thorabinder, die es insgesamt - wie wir es haben - nur noch drei Mal gibt: In New York in einem jüdischen Museum, in Israel und in der Sammlung Kirschbaum. Das sind große Bänder mit Modeln bedruckt. Wo der Name des Kindes zu finden ist, das beschnitten wurde, Segenssprüche, der Name des Vaters, das Geburtsdatum und so weiter."

Das Drucken mit den Holzmodeln war typisch für die Region und für das späte Mittelalter. Vielleicht gelingt es Forschern, über die Druckfarbe oder manchen Textilfleck etwas mehr zu erfahren.

Eines ist sicher, zwar waren es nur drei jüdische Familien, die einst aus Dessau kamen und sich in Rudolstadt niederließen. Doch ohne sie und den damaligen Fürsten von Schwarzburg-Rudolstadt würde es diesen synagogalen Bestand nicht geben, erklärt die Historikerin Doreen Winker. Denn die Fürsten …

" … sahen zu, dass sie entsprechende Stellen auch an Juden vergaben, die entweder einen finanziellen Background hatten oder auch die ganzen Handelsbeziehungen zu Bankhäusern. Was auch außergewöhnlich war, sie hatten einen Hofmaler: Oppenheim, der auch einer jüdischen Familie entsprach."

Auch die kleine jüdische Gemeinde war dankbar. Zwei große Tafeln haben sie dem Fürsten gewidmet - eine auf Deutsch und eine auf Hebräisch. Beide heute noch erhalten und zu sehen in der kleinen Ausstellung "Rudolstädter Judaica" auf der Heidecksburg.