Fürstbischof mit Fernostfaible

Von Christian Gampert |
Der Straßburger Fürstbischof Louis de Rohan war von chinesischem Porzellan geradezu besessen. Da damals alles chinesische als tres chic galt, ließ er sogar einen chinesischen Pavillon in seinen Schlosspark bauen, der über einen eigenen Kanal zugänglich war. In der französischen Revolution wurde dieser zerstört, doch eine Ausstellung zeigt nun die Skizzen und Baupläne und eine Unzahl chinesischer Vasen.
Dies ist der typische Fall einer Ausstellung, die selbst eher Überschaubares zu zeigen hat, vor allem chinesische Vasen und Architekturzeichnungen, die aber eine bedeutsame Geschichte erzählt, die sich der Besucher leider selbst zusammensetzen muss.

Ende des 17.Jahrhunderts, besonders aber im 18.Jahrhundert kommt in den europäischen Adelshäusern eine Leidenschaft für China auf - bedingt durch den massenhaften Import chinesischen Porzellans. Auch der Straßburger Fürstbischof, aus der Familie der Rohan stammend, die diesen Posten schon seit vier Generationen (!) besetzte, war von diesen Porzellan-Fieber ergriffen - wohl weniger, weil er sich für China und chinesische Mythologie interessierte, sondern weil man mit diesen Gegenständen Luxus und Reichtum demonstrieren konnte.

Als 1779 das Schloss von Saverne, der Landsitz des Bischofs, abbrannte, beschloss man einen großzügigen Neubau mit 150 Meter langer Parkfassade - es sollte das größte klassizistische Schloss Frankreichs werden. Für die Innenausstattung schaffte man ab 1780 jene Porzellansammlung an, die jetzt in Straßburg gezeigt wird. Und, was weit wichtiger ist: der Geistliche, nebenbei Reichsfürst des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation, beschloss den Bau eines chinesischen Pavillons in zwei Kilometer Entfernung.

Der Witz war, dass dieser riesige, hoch aufragende Kiosk durch einen Kanal mit dem Schloss verbunden war, in einer 2000 Meter langen Geraden, und darin natürlich barocke Parkanlagen wie etwa Versailles mit ihren langen Blickachsen zitierte. Der Pavillon wurde in einem englisch-chinesischen Garten angelegt, umgeben von Wald. Kurator Etienne Martin:

""Den Entwurf des Weges, dieser langen geraden Linie hin zum Pavillon - all das soll man schon beim Betreten des Schlosses erahnen. Wenn man dann den Park durchquert, und zwar per Schiff, auf dem Wasser des zwei Kilometer langen Kanals, landet man auf einer kleinen Insel an, auf der der Pavillon steht, und man ist tatsächlich in China. Es war also ein veritables Sich-Außer-Landes-Begeben, zu dem der Fürstbischof seine Gäste einlud, die in Saverne verweilten."

Wir wollen nicht wissen, was im Inneren des Pavillons getrieben wurde; sicherlich fanden dort wichtige Gespräche statt, aber es gab natürlich auch diverse Schlaf- und Ruhegemächer. Allerdings, und das ist die Überraschung, ist die Innenausstattung des Kiosks dann ganz anders, als man erwarten sollte.

Etienne Martin: "Das 18.Jahrhundert ist die Epoche des Trompe l'aeuil, der Augentäuschung. Denn: hat man einmal die Schwelle dieses chinesischen Pavillons überschritten, befindet man sich plötzlich in einem neoklassizistischen Ambiente, das demjenigen des gegenüberliegenden Schlosses ähnelte - wenn es denn fertiggestellt worden wäre. Also: Man begibt sich nach China, außer Landes, und gleichzeitig bleibt man vollkommen in der Welt des Fürstbischofs de Rohan."

Es ist also ein Paradox, das dort inszeniert wurde: das Bedürfnis, zu verschwinden und doch dazubleiben, sich in exotischen Weiten zu verlieren und gleichzeitig ganz Fürst in Frankreich zu sein.

Diesem luxurierenden Eskapismus war freilich keine lange Lebensdauer beschieden: die französische Revolution machte kurzen Prozess mit König und Adel, die Bauarbeiten für das Schloss von Saverne wurden kurz nach Fertigstellung des Dachs abgebrochen, und die Sammlung der chinesischen Vasen ging auf Weisung der Revolutionäre in den Besitz des Volkes über, sie wurde "nationales Gut". Und der Fürstbischof ging ins Exil nach Deutschland.

Der in der Mitte eines großen Wasserbeckens auf einer Insel stehende Pavillon wurde 1794 zerstört - die jetzt ausgestellten Planungs-Skizzen des Alexandre Salins de Montfort belegen allerdings, dass er ein Meisterwerk chinoiser Architektur gewesen sein muss.

Das alles muss man sich freilich zusammenreimen und zusammenlesen, denn die Ausstellung selber zeigt vor allem Vasen, Vasen und nochmal Vasen. Über chinesische Mythologie erzählt sie nichts, und das höchst dekadente Bedürfnis des Fürstbischofs Louis de Rohan nach exotischen Weiten wird auch nicht thematisiert.