„Für mich ist das 100 Prozent Menschsein“

Von Christian Geuenich |
Am 15. Oktober „Hangtime – Kein leichtes Spiel“, das Kinodebüt des Nachwuchsschauspielers Max Kidd. Für die Hauptrolle in der Coming-of-Age-Geschichte wurde der 24-Jährige auf dem Filmfest München als Bester Hauptdarsteller mit dem Förderpreis Deutscher Film ausgezeichnet.
„Es war schon immer so, dass mich gewisse Themen immer interessiert haben, und ich bin denen immer nachgegangen, also ich wollte das dann immer ganz genau wissen. Und das ist für mich auch die Hauptaufgabe eines Schauspielers, dass er über seine Rolle alles ganz genau wissen sollte und für die kämpft.“

Max Kidd wirkt sportlich; in Turnschuhen, weiter Jeans und dem lässig-offenen grauen Leinenhemd mit dem T-Shirt darunter. Seine strahlend blauen Augen, die hohen Wangenknochen und der fein geschwungene Mund verleihen dem 24-jährigen Schauspieler etwas Sensibles. Im Gespräch ist der Newcomer zurückhaltend, alles andere als der abgezockte Medienprofi. Seine Antworten wirken nicht zurecht gelegt. Was die Schauspielerei ihm bedeutet, warum es so viel Spaß macht, zu spielen?

„Für mich ist das 100 Prozent Menschsein. Man arbeitet so intensiv an einem Menschen und lernt den so intensiv kennen, und wenn man den dann noch leben darf, das ist für mich das Größte.“

„Hangtime“ erzählt die Geschichte zweier Brüder, die beide leidenschaftlich Basketball spielen. Als die Eltern bei einem Verkehrsunfall ums Leben kommen, gibt Georg, der ältere der beiden, seinen Traum von einer Profikarriere auf, um sich um seinen kleinen Bruder Vinz zu kümmern. Zehn Jahre später kann Vinz mit Phoenix Hagen in die Bundesliga aufsteigen, andere Profivereine haben bereits angeklopft.

„Vinz: „Hast du mich in letzter Zeit eigentlich mal gefragt, wie es mir eigentlich geht? Hast du nicht, oder? Und mein Abi ist dir auch komplett am Arsch vorbei gegangen. Seit Monaten höre ich nur noch Bamberg hier, Köln da, fettes Rookie-Gehalt, Scheiß-Agentur, das kotzt mich an!“
Georg: „Weißt du auch warum, Vinz? Weil du mir das schuldest. Ich hab gehofft, dass ich das niemals sagen muss, aber es ist nun mal so. Was du da wegwirfst, das gehört nicht nur dir.“
Vinz: „Meinst du, ich weiß nicht, was du alles für mich getan hast?“
Georg: „Ach ja, und warum muss ich mir dann so eine Scheiße anhören, nachdem ich 10 Jahre lang den Job von Mama und Papa gemacht habe?"“

Trotz seiner für einen Basketballer fast kleinen 1,79 Meter hat Max Kidd mit 18 Jahren selbst einmal in der Zweiten Bundesliga gespielt. Ihm ist es zu verdanken, dass die Basketballszenen im Film sehr authentisch rüberkommen und die abgesprochenen Spielzüge nicht gestellt wirken. Schon lange bevor Regisseur Wolfgang Groos ihm für die Rolle zugesagt hatte, rief der Nachwuchsschauspieler die Casterin an und sagte:

„Pass auf, wenn ihr das nächstes Jahr im September drehen wollt, muss ich eigentlich jetzt schon zu trainieren anfangen. Auch wenn ihr mir nicht Bescheid sagen könnt, ob ich das habe oder nicht, ich fange jetzt an, und ihr könnt euch drauf verlassen, dass ich bis zum Dreh so fit bin, dass das im Film dann gut rüberkommen wird. Ich habe dann im Januar angefangen, bin schön in die Halle, habe gezockt bis zum Umfallen und die Rolle schon vorbereitet, und im April ging es mit dem Buch los.“

Als kleine Belohnung für diese intensive Vorbereitung bekam Max Kidd auf dem diesjährigen Filmfest München den Förderpreis Deutscher Film. Die Jury lobte seine „Sensibilität, die unaufgeregte Glaubwürdigkeit und die physische Präsenz“.

Max Kidd ist 1985 in Schweinfurt geboren und aufgewachsen, hat zwei jüngere Geschwister und einen älteren Bruder. Mit 14 kommt der talentierte Basketballspieler in ein Sportinternat nach Würzburg. Mit 16 schickt ihn sein Trainer für ein Sportjahr an eine Highschool nach Cincinnati. Danach kehrt er aufs Sportinternat zurück, macht Fachabitur im Bereich Kunst und Gestaltung und spielt für ein Jahr in der Zweiten Bundesliga. Nach dem Besuch eines Schauspielkurses hört er mit 18 ganz mit dem Basketball auf.

„Es war eigentlich dieser eine Kurs, und die ganze Branche interessiert mich einfach unglaublich. Ich habe damals auch mit meinem Trainer gesprochen und dann hieß es, entweder du willst Basketball spielen und dann spielst du nur Basketball oder du machst was anderes. Und dann habe ich mich bei Schauspielschulen beworben, das hat dann auch geklappt, und dann habe ich auch einen Strich gemacht und bin zum Schauspiel gegangen.“

Sein Studium an einer privaten Schauspielschule in München finanziert er mit Promotionsjobs und indem er ab und zu eines seiner abstrakten Acryl-, Öl- oder Kreidebilder verkauft.

„Malen passiert bei mir immer in Phasen, und meistens sind es Phasen, wenn irgendwelche Fragen sind. Das können private Fragen sein, die mit mir zu tun haben, das können Fragen sein, die mit dem momentanen Zustand in Deutschland oder auf der Welt zu tun haben. Und ich stelle mir dann immer eine Frage und probiere die dann in ein Bild zu bekommen.“

Nach anderthalb Jahren bricht Max Kidd die Schauspielschule ab, seine Lieblingsdozenten unterstützen ihn von da an wie Mentoren. Er spielt in mehreren Kurzfilmen und ein paar Monate in der RTL-Soap „Unter uns“. Kein Grund, sich zu schämen, meint der Schauspieler.

„Für mich ist es so, ich habe recht spät mit dem Schauspiel angefangen, ich sage immer, ich habe kein ‚Blaues Blut‘, also ich habe keinen Vater oder Mutter, die Schauspieler sind, ich mache das auch nicht, seitdem ich vier bin, sondern ich habe mich irgendwann dafür entschieden und finde, dann gehört das auch so ein bisschen dazu, dass man auch das macht. Ich bereue es nicht, es hat Spaß gemacht, und ich habe viel gelernt.“

Der 24-jährige Newcomer lebt in Schweinfurt und Köln. In der Domstadt wohnt er mit einem guten Freund zusammen, mit dem er auch eigene Kurzfilme produziert. Gerade arbeitet Max Kidd mit einer Kölner Produktionsfirma an der Umsetzung seines ersten großen Drehbuchs, einer Gangsterparodie, an der er die letzten fünf Jahre geschrieben hat. Die meiste Zeit versucht er allerdings, nach wie vor in Schweinfurt zu verbringen. Hier lebt er zusammen mit seiner Freundin und seiner anderthalbjährigen Tochter Mia.

„Man trägt natürlich eine andere Verantwortung, aber es macht Spaß, sie zu tragen. Es ist nicht so, dass sie einen Druck aufbaut, im Gegenteil, das ist noch mal so eine Bereicherung gewesen für alles, für was ich stehe und tue.“