Für immer ein Girlie
11.07.2008
Rebekka - die Protagonistin in Kirsten Fuchs' Roman "Heile, Heile" - ist knapp über 30. Ihr Freund hat sie verlassen. Um die Misere zu bewältigen, besucht sie mit ihrer besten Freundin eine Selbsthilfegruppe. - Das Buch erzählt nicht über das Erwachsenwerden, sondern langweilt mit zahllosen Girlie-Floskeln.
Es gibt gewisse Vorzeichen, die man ernst nehmen sollte. Wenn der Verlag ein Buch mit dem Klappentext versieht, die Autorin erzähle vom Erwachsenwerden jenseits der dreißig, und wenn der visuelle Teil des Buchumschlags ein wahrscheinlich schon bis in die dreißig vorgerücktes Girlie zeigt, verdeckt von einem Regenschirm, mit leichten X-Beinen im Regen stehend und belästigt von grauem, leicht rosa angefärbten Ekelwetter – dann weist der Titel "Heile, heile" das Seelenpflaster aus, das dieser Roman, dieses Produkt sein soll. Es sei allen, die es nicht als Zeichen kultureller Degeneration interpretieren, dass man mit über dreißig noch nicht erwachsen geworden ist, diesen Roman nur dann zu lesen, wenn überdies ein brennendes Interesse für jenes spezifische Milieu der im Grunde noch deutlich teenagerhaften Sozialkontakte besteht. Kurz, das Buch ist ein Trostschmankerl für Frauen um die dreißig, die noch keine feste Beziehung aufbauen konnten, sich dabei irrtümlicher Weise noch als jung verstehen und infantil handeln. Als ein solches wird das Buch ja letztlich korrekter Weise auch verkauft – aber müsste das nicht die Autorin demütigen, schon in ihrer Lesebühnenehre, einer Autorin, die vor fünf Jahren den Nachwuchswettbewerb Open Mike gewann? Und die ein Debüt mit ordentlichem Leumund veröffentlichte. Schon damals warf man ihr eine Tendenz zum Kalauer vor. Jetzt ist aus der Tendenz eine Penetranz geworden, die sie auf den Lesebühnen gewiss ein Buh bekommen hätte: "Adrian hielt das nicht davon ab, sie weiter zu befruchten, was einfach nicht fruchten wollte."
Die Handlung: Rebekka wurde von ihrem Freund verlassen, weil sie ihn mit ihrem Exfreund betrog und den Fehltritt beichtete. Johanna ist eine ihrer besten Freundinnen, deren Verhältnis sich gerade für seine Ehefrau entschieden hat. So besuchen beide eine Selbsthilfegruppe für Frauen, die von Männern loskommen wollen. Einen Großteil des Romantexts machen die Schilderungen dieser quälend langweiligen Sitzungen aus. Könnte ein Roman eine Selbsthilfegruppe sein – dieser wäre eine. Die übrigen Teile bestehen aus Telefongesprächen, Treffen zum Kaffeetrinken, und grotesk klischeehaften Schilderungen von Familienfesten. Man isst "lecker Chips mit unlecker schlechtem Gewissen". Ständig wird gekichert, das wird offenbar als Zeichen von jugendlicher Weiblichkeit verstanden: "Sie kicherten sich aus. Danach konnte Rebekka wieder nachdenken." Dieser und andere seltenen Fälle von Nachdenken sind leider von einem schlichten Reflexionsniveau.
Die Bildlichkeit soll handfest, wiederum jugendlich-schnippisch daherkommen und ist leider nur geschmacklos zu nennen: "Im Auto war es still, obwohl Rebekka erwartet hatte, dass es aus Johanna nur so herausplatzen würde, wie aus einem überreifen Eiterpickel, der nur kurz berührt werden muss, um aus dem eigenen Gesicht ins eigene Gesicht an den Spiegel zu spritzen." Solche Sätze muss aushalten können, wer doch Gründe gefunden hat, dieses ausgesprochen ärgerliche Buch mit einem ärgerlichen Ende zu lesen. Die Autorin ist mit ihrem zweiten Buch jetzt leider in eine Schublade einzuordnen. Aufschrift: Mit dem Zweitbuch in die schwache Unterhaltungssparte gerutscht, deren "literarischer Anspruch" nur noch als Talmi erscheint.
Rezensiert von Marius Meller
Kirsten Fuchs: Heile, Heile
Roman
Rowohlt Berlin, Berlin 2008
316 Seiten, 19,90 Euro
Die Handlung: Rebekka wurde von ihrem Freund verlassen, weil sie ihn mit ihrem Exfreund betrog und den Fehltritt beichtete. Johanna ist eine ihrer besten Freundinnen, deren Verhältnis sich gerade für seine Ehefrau entschieden hat. So besuchen beide eine Selbsthilfegruppe für Frauen, die von Männern loskommen wollen. Einen Großteil des Romantexts machen die Schilderungen dieser quälend langweiligen Sitzungen aus. Könnte ein Roman eine Selbsthilfegruppe sein – dieser wäre eine. Die übrigen Teile bestehen aus Telefongesprächen, Treffen zum Kaffeetrinken, und grotesk klischeehaften Schilderungen von Familienfesten. Man isst "lecker Chips mit unlecker schlechtem Gewissen". Ständig wird gekichert, das wird offenbar als Zeichen von jugendlicher Weiblichkeit verstanden: "Sie kicherten sich aus. Danach konnte Rebekka wieder nachdenken." Dieser und andere seltenen Fälle von Nachdenken sind leider von einem schlichten Reflexionsniveau.
Die Bildlichkeit soll handfest, wiederum jugendlich-schnippisch daherkommen und ist leider nur geschmacklos zu nennen: "Im Auto war es still, obwohl Rebekka erwartet hatte, dass es aus Johanna nur so herausplatzen würde, wie aus einem überreifen Eiterpickel, der nur kurz berührt werden muss, um aus dem eigenen Gesicht ins eigene Gesicht an den Spiegel zu spritzen." Solche Sätze muss aushalten können, wer doch Gründe gefunden hat, dieses ausgesprochen ärgerliche Buch mit einem ärgerlichen Ende zu lesen. Die Autorin ist mit ihrem zweiten Buch jetzt leider in eine Schublade einzuordnen. Aufschrift: Mit dem Zweitbuch in die schwache Unterhaltungssparte gerutscht, deren "literarischer Anspruch" nur noch als Talmi erscheint.
Rezensiert von Marius Meller
Kirsten Fuchs: Heile, Heile
Roman
Rowohlt Berlin, Berlin 2008
316 Seiten, 19,90 Euro