"Für den Selbstwert ganz wichtig, dass man eigentlich Vollzeit arbeitet"
Erstmals seit mehr als 15 Jahren hat der Autobauer Daimler wegen der Absatzkrise zehntausende Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt. "Die höher qualifizierten sind eher unzufrieden, Frauen sehen eher Vorteile als Männer", sagte der Arbeitspsychologe Ernst-Hartmut Hoff über die Folgen der kürzeren Arbeitszeit für die Betroffenen.
Dieter Kassel: Zehntausende Mitarbeiter des Automobilherstellers Daimler gehen ab heute in die Kurzarbeit. Das bedeutet, sie arbeiten weniger, kriegen aber rund zwei Drittel des Nettogehaltsverlusts, der sich durch die kürzere Arbeitszeit ergibt, von der Bundesagentur für Arbeit ersetzt. Das klingt vielleicht von der Ferne gar nicht mal so schlecht: mehr Freizeit bei einem zunächst relativ überschaubaren Einkommensverlust. Was aber bedeutet diese Krisenmaßnahme für die betroffenen Arbeitnehmer? Es werden ja sicherlich nicht nur die bei Daimler sein, in den nächsten Wochen und Monaten rechnet man auch noch mit anderen Industriebetrieben, die auf Kurzarbeit umsteigen. Was bedeutet also eine solche Maßnahme für die betroffenen Arbeitnehmer wirklich? Am Telefon begrüße ich dazu Ernst-Hartmut Hoff, er ist Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie und berufliche Entwicklung an der Freien Universität Berlin. Schönen guten Morgen, Herr Hoff!
Ernst-Hartmut Hoff: Schönen guten Morgen!
Kassel: Wenn wir uns das jetzt mal ganz neutral und erst mal nicht wertend vorstellen: Ein Arbeitnehmer arbeitet jeden Tag ein paar Stunden weniger als eigentlich bisher üblich und kriegt nicht ganz, aber doch noch fast so viel Geld wie bisher. Ist das nicht eigentlich für diesen Arbeitnehmer ein Anlass zur Freude?
Hoff: Das kann man eigentlich nicht generell beantworten. Es hat ja solche Modelle gegeben. Es hat das VW-Modell gegeben, es gibt in anderen Ländern solche Modelle, und es gibt dann Befragungen von Leuten. Und es zeigt sich, dass einige damit zufrieden sind, andere sind damit unzufriedener. Ganz generell hat man festgestellt, dass die unteren Lohngruppen, also diejenigen, die am ehesten um ihren Arbeitsplatz bangen müssen, damit eher zufrieden sind. Die höher qualifizierten sind eher unzufrieden, Frauen sehen eher Vorteile als Männer, das kann man so ganz grob über den Daumen gepeilt sagen. Aber im Grunde genommen ist das individuell ganz, ganz unterschiedlich.
Kassel: Aber schon bei dem, was Sie gerade gesagt haben über bisherige Erfahrungen, erinnert mich doch eventuell dieses Phänomen Kurzarbeit generell an Teilzeitarbeit, auch an freiwillige. Jenseits des Geldes und ähnlichen Dingen ist es auch eine Prestigefrage immer noch in Deutschland, ob jemand nun wirklich den ganzen Tag beruflich seinen Mann oder seine Frau steht oder nur ein Teil des Tages?
Hoff: Eine Prestigefrage ist das natürlich auch. Ich denke, Arbeit ist nach wie vor, bedeutet Lebenssinn, Arbeit ist identitätszentral, es ist für den Selbstwert ganz wichtig, dass man eigentlich Vollzeit arbeitet. Für die Männer, Teilzeitarbeit ist ja hauptsächlich Frauenarbeit. Und in dem Maße, wie generell anders verteilt wird die Arbeit, natürlich mit Lohneinbußen, stellt sich die Frage, ob die Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen nicht generell anders sein müsste. Das heißt auch dann natürlich die häusliche Arbeit, dass die anders aufgeteilt wird.
Kassel: Das heißt, es ist bis heute schon immer noch so, dass – natürlich gibt es immer Ausnahmen –, aber dass der Mann lieber im Büro oder in der Firma arbeitet und die Frau eher bereit ist, auch zu Hause Arbeit zu erledigen?
Hoff: Auch das kann man nicht generell beantworten. Es gibt immer mehr junge Väter, die sich eigentlich wünschen, aktive Väter zu sein und die auch im Haushalt und in der Familie mehr Arbeit übernehmen wollen. Und denen kann das möglicherweise entgegenkommen.
Kassel: Nun ist natürlich, wenn man am eigentlichen Arbeitsplatz weniger zu tun hat, aus welchen Gründen auch immer, sei es wie das, was wir heute zum Anlass nehmen, sei es aufgrund von Kurzarbeit oder weil man sich einen Teilzeitjob ergattert hat, ist die Möglichkeit, zu Hause zu arbeiten, natürlich die eine. Die andere ist eben nicht zu arbeiten, sondern diese Freizeit zu nutzen. Wird das gemacht, wenn man Zwangsfreizeit hat?
Hoff: Was ich zunächst noch mal sagen darf, es ist natürlich so, dass das augenblickliche Phänomen für ganz viele Arbeitnehmer, hauptsächlich diejenigen, die nicht so qualifiziert sind, durchaus Angst und Stress induzierend sein kann, weil man weiß ja nicht, wie die Sache weitergeht. Und Stress ist eine durchaus individuelle Verarbeitung von etwas. Und man muss sagen, dass diese Verkürzung einerseits Vorteile bringen kann, aber so, wenn sie jetzt massenhaft kommt, wissen die Einzelnen ja nicht, wie die Geschichte weitergeht, ob es nicht doch noch irgendwann zu Entlassungen kommt. Also im Augenblick kann man nicht so la pour la eine Diskussion führen, wie schön es wäre, mehr freie Zeit zu haben, weil ich denke, immer noch sind Arbeitsplätze bedroht.
Kassel: Was heißt immer noch, wahrscheinlich wird das zunehmen.
Hoff: Ja, wird zunehmen.
Kassel: Das heißt auch, dass gerade bei dem Phänomen der Kurzarbeit manch einer, wenn er dann nachmittags oder zu welchen Zeiten auch immer zu Hause sitzt, regelrecht blockiert ist, was eine mögliche Nutzung der Freizeit angeht, weil eben doch diese Kurzarbeit empfunden wird als ein Schritt auf dem Weg in die Arbeitslosigkeit.
Hoff: Ja, ja, das kann natürlich sein. Man hat bei früheren Arbeitszeitmodellen festgestellt, dass kürzere Arbeitstage natürlich weniger anstrengend sind, es gibt aber auch Tätigkeitsfelder, wo dann in der Zeit, wo gearbeitet wird, intensiver und verdichteter gearbeitet wird. In manchen Bereichen bringt die Verkürzung weniger Anstrengung einerseits, aber mehr Anstrengung in der restlichen Zeit, in der dann noch gearbeitet wird. Und zu Ihrer Frage, was man dann da machen soll: Also genutzt wird die Zeit hauptsächlich für Familie, Haushalt und Freizeit. Man könnte natürlich spekulieren, inwieweit es nicht gesellschaftlich nützliche und unbezahlte Arbeit gibt, wo sich Leute engagieren. Aber das kann man nicht auf die Schnelle organisieren.
Kassel: Ist es denn so, dass diese Kurzarbeit, die wir jetzt natürlich als negatives Phänomen empfinden müssen – weil sie mal jenseits der Arbeitnehmer auch für die Arbeitgeber nicht besonders schön ist, die machen das ja nicht freiwillig, das ist die Folge einer Wirtschaftskrise –, aber ist diese Kurzarbeit, was Arbeitszeit angeht, vielleicht doch ein Modell für die Zukunft, denn wir erleben ja ansonsten immer mehr dieses Phänomen, dass immer mehr Menschen gar keine Arbeit haben und ein Teil der anderen mehr arbeiten muss als je zuvor?
Hoff: Ja, das ist eine Zweiteilung, die wir in der Tat haben. Also je höher qualifiziert die Leute sind, desto intensiver, verdichteter und mehr arbeiten sie, und die weniger Qualifizierten sind immer eher bedroht von Arbeitsplatzverlust. Und es wäre eine Möglichkeit natürlich, wenn man weiter intensiv nachdenkt über irgendeine Form des Grundeinkommens oder des Mindesteinkommens. Und man könnte auch überlegen, ob man nicht Leute mehr und inverschiedenen Altersphasen ansetzt auf gesellschaftlich nützliche Arbeit, also jenseits der jetzt bezahlten Erwerbsarbeit.
Kassel: Wobei ich mich bei dem Modell natürlich frage, das würde der einen Seite nützen, die wir meinen, wenn wir sagen, die haben einfach nichts mehr zu tun, für die gibt es nichts, die könnten da tätig werden, in den Bereichen, die Sie gerade erwähnt haben. Aber das würde ja das Problem, dass die Hochqualifizierten teilweise 60-, 70-Stunden-Wochen arbeiten müssen, auch nicht lösen?
Hoff: Nein, nein. Also so ganz schnell sehe ich da keine Lösung. Aber die, die so viel arbeiten und übermäßig viel, die fragen sich ja, zumal wenn sie jünger sind, wie lange sie das durchhalten. Und da müsste man im Grunde genommen auch eine Umverteilung schaffen, und man müsste es schaffen, dass phasenweise im mittleren Erwachsenenalter gerade junge Väter, aber auch junge Mütter mehr Zeit für Familie, Haushalt haben und auch natürlich für Freizeit. Freizeit ist ja so eine Art Gegengewicht zu Arbeit und auch identitätszentral und lebenswichtig.
Kassel: Kommen wir noch einmal zurück zum Anfang unseres Gesprächs, da haben Sie ja auch gesagt, dass viele – man kann es nicht verallgemeinern – , nicht alle, aber viele immer noch einen Vollzeitarbeitsplatz auch mit einer wichtigen Rolle im Leben verbinden und dass nicht nur der Arbeitsplatzverlust, sondern schon eine Teilzeitarbeit, egal ob Kurzarbeit oder aus anderen Gründen, auch einen Prestigeverlust bedeuten kann. Da müsste sich doch in den Köpfen der Leute was verändern? Wir wissen ja auch, dass es ein paar Länder gibt in Europa, die haben schon eine wesentlich höhere Teilzeitarbeitsquote als die Bundesrepublik. Wer kann denn da was machen? Ist das einfach nur eine Frage der Zeit oder kann man diese Mentalitätsveränderung, die es vielleicht sein muss, auch irgendwie bewirken?
Hoff: Mentalitätsveränderungen, die dauern sehr, sehr lange. Also ich denke, zielen müsste das auf etwas, was ich schon angedeutet habe, da Teilzeitarbeit vor allen Dingen Frauenarbeit ist: Es wäre günstig, wenn es eine veränderte Teilung von Arbeit gäbe, was die Geschlechter anbelangt, und das müsste in der Paarbeziehung ansetzen, also wenn das Haushaltseinkommen stärker von beiden Partnern erreicht wird. Dann müssten beide Partner auch in Haushalt und in Familie gleichmäßiger belastet werden, und der Mann müsste nicht alleine außer Haus gehen, und er könnte dann auch eher ertragen, dass da zeitlich reduziert wird und von den Kosten her.
Kassel: Ernst-Hartmut Hoff, Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Freien Universität Berlin. Danke Ihnen fürs Gespräch und wünsche Ihnen für Ihre Zukunft immer genau das richtige Maß an Arbeit. Dankeschön.
Hoff: Dankeschön.
Ernst-Hartmut Hoff: Schönen guten Morgen!
Kassel: Wenn wir uns das jetzt mal ganz neutral und erst mal nicht wertend vorstellen: Ein Arbeitnehmer arbeitet jeden Tag ein paar Stunden weniger als eigentlich bisher üblich und kriegt nicht ganz, aber doch noch fast so viel Geld wie bisher. Ist das nicht eigentlich für diesen Arbeitnehmer ein Anlass zur Freude?
Hoff: Das kann man eigentlich nicht generell beantworten. Es hat ja solche Modelle gegeben. Es hat das VW-Modell gegeben, es gibt in anderen Ländern solche Modelle, und es gibt dann Befragungen von Leuten. Und es zeigt sich, dass einige damit zufrieden sind, andere sind damit unzufriedener. Ganz generell hat man festgestellt, dass die unteren Lohngruppen, also diejenigen, die am ehesten um ihren Arbeitsplatz bangen müssen, damit eher zufrieden sind. Die höher qualifizierten sind eher unzufrieden, Frauen sehen eher Vorteile als Männer, das kann man so ganz grob über den Daumen gepeilt sagen. Aber im Grunde genommen ist das individuell ganz, ganz unterschiedlich.
Kassel: Aber schon bei dem, was Sie gerade gesagt haben über bisherige Erfahrungen, erinnert mich doch eventuell dieses Phänomen Kurzarbeit generell an Teilzeitarbeit, auch an freiwillige. Jenseits des Geldes und ähnlichen Dingen ist es auch eine Prestigefrage immer noch in Deutschland, ob jemand nun wirklich den ganzen Tag beruflich seinen Mann oder seine Frau steht oder nur ein Teil des Tages?
Hoff: Eine Prestigefrage ist das natürlich auch. Ich denke, Arbeit ist nach wie vor, bedeutet Lebenssinn, Arbeit ist identitätszentral, es ist für den Selbstwert ganz wichtig, dass man eigentlich Vollzeit arbeitet. Für die Männer, Teilzeitarbeit ist ja hauptsächlich Frauenarbeit. Und in dem Maße, wie generell anders verteilt wird die Arbeit, natürlich mit Lohneinbußen, stellt sich die Frage, ob die Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen nicht generell anders sein müsste. Das heißt auch dann natürlich die häusliche Arbeit, dass die anders aufgeteilt wird.
Kassel: Das heißt, es ist bis heute schon immer noch so, dass – natürlich gibt es immer Ausnahmen –, aber dass der Mann lieber im Büro oder in der Firma arbeitet und die Frau eher bereit ist, auch zu Hause Arbeit zu erledigen?
Hoff: Auch das kann man nicht generell beantworten. Es gibt immer mehr junge Väter, die sich eigentlich wünschen, aktive Väter zu sein und die auch im Haushalt und in der Familie mehr Arbeit übernehmen wollen. Und denen kann das möglicherweise entgegenkommen.
Kassel: Nun ist natürlich, wenn man am eigentlichen Arbeitsplatz weniger zu tun hat, aus welchen Gründen auch immer, sei es wie das, was wir heute zum Anlass nehmen, sei es aufgrund von Kurzarbeit oder weil man sich einen Teilzeitjob ergattert hat, ist die Möglichkeit, zu Hause zu arbeiten, natürlich die eine. Die andere ist eben nicht zu arbeiten, sondern diese Freizeit zu nutzen. Wird das gemacht, wenn man Zwangsfreizeit hat?
Hoff: Was ich zunächst noch mal sagen darf, es ist natürlich so, dass das augenblickliche Phänomen für ganz viele Arbeitnehmer, hauptsächlich diejenigen, die nicht so qualifiziert sind, durchaus Angst und Stress induzierend sein kann, weil man weiß ja nicht, wie die Sache weitergeht. Und Stress ist eine durchaus individuelle Verarbeitung von etwas. Und man muss sagen, dass diese Verkürzung einerseits Vorteile bringen kann, aber so, wenn sie jetzt massenhaft kommt, wissen die Einzelnen ja nicht, wie die Geschichte weitergeht, ob es nicht doch noch irgendwann zu Entlassungen kommt. Also im Augenblick kann man nicht so la pour la eine Diskussion führen, wie schön es wäre, mehr freie Zeit zu haben, weil ich denke, immer noch sind Arbeitsplätze bedroht.
Kassel: Was heißt immer noch, wahrscheinlich wird das zunehmen.
Hoff: Ja, wird zunehmen.
Kassel: Das heißt auch, dass gerade bei dem Phänomen der Kurzarbeit manch einer, wenn er dann nachmittags oder zu welchen Zeiten auch immer zu Hause sitzt, regelrecht blockiert ist, was eine mögliche Nutzung der Freizeit angeht, weil eben doch diese Kurzarbeit empfunden wird als ein Schritt auf dem Weg in die Arbeitslosigkeit.
Hoff: Ja, ja, das kann natürlich sein. Man hat bei früheren Arbeitszeitmodellen festgestellt, dass kürzere Arbeitstage natürlich weniger anstrengend sind, es gibt aber auch Tätigkeitsfelder, wo dann in der Zeit, wo gearbeitet wird, intensiver und verdichteter gearbeitet wird. In manchen Bereichen bringt die Verkürzung weniger Anstrengung einerseits, aber mehr Anstrengung in der restlichen Zeit, in der dann noch gearbeitet wird. Und zu Ihrer Frage, was man dann da machen soll: Also genutzt wird die Zeit hauptsächlich für Familie, Haushalt und Freizeit. Man könnte natürlich spekulieren, inwieweit es nicht gesellschaftlich nützliche und unbezahlte Arbeit gibt, wo sich Leute engagieren. Aber das kann man nicht auf die Schnelle organisieren.
Kassel: Ist es denn so, dass diese Kurzarbeit, die wir jetzt natürlich als negatives Phänomen empfinden müssen – weil sie mal jenseits der Arbeitnehmer auch für die Arbeitgeber nicht besonders schön ist, die machen das ja nicht freiwillig, das ist die Folge einer Wirtschaftskrise –, aber ist diese Kurzarbeit, was Arbeitszeit angeht, vielleicht doch ein Modell für die Zukunft, denn wir erleben ja ansonsten immer mehr dieses Phänomen, dass immer mehr Menschen gar keine Arbeit haben und ein Teil der anderen mehr arbeiten muss als je zuvor?
Hoff: Ja, das ist eine Zweiteilung, die wir in der Tat haben. Also je höher qualifiziert die Leute sind, desto intensiver, verdichteter und mehr arbeiten sie, und die weniger Qualifizierten sind immer eher bedroht von Arbeitsplatzverlust. Und es wäre eine Möglichkeit natürlich, wenn man weiter intensiv nachdenkt über irgendeine Form des Grundeinkommens oder des Mindesteinkommens. Und man könnte auch überlegen, ob man nicht Leute mehr und inverschiedenen Altersphasen ansetzt auf gesellschaftlich nützliche Arbeit, also jenseits der jetzt bezahlten Erwerbsarbeit.
Kassel: Wobei ich mich bei dem Modell natürlich frage, das würde der einen Seite nützen, die wir meinen, wenn wir sagen, die haben einfach nichts mehr zu tun, für die gibt es nichts, die könnten da tätig werden, in den Bereichen, die Sie gerade erwähnt haben. Aber das würde ja das Problem, dass die Hochqualifizierten teilweise 60-, 70-Stunden-Wochen arbeiten müssen, auch nicht lösen?
Hoff: Nein, nein. Also so ganz schnell sehe ich da keine Lösung. Aber die, die so viel arbeiten und übermäßig viel, die fragen sich ja, zumal wenn sie jünger sind, wie lange sie das durchhalten. Und da müsste man im Grunde genommen auch eine Umverteilung schaffen, und man müsste es schaffen, dass phasenweise im mittleren Erwachsenenalter gerade junge Väter, aber auch junge Mütter mehr Zeit für Familie, Haushalt haben und auch natürlich für Freizeit. Freizeit ist ja so eine Art Gegengewicht zu Arbeit und auch identitätszentral und lebenswichtig.
Kassel: Kommen wir noch einmal zurück zum Anfang unseres Gesprächs, da haben Sie ja auch gesagt, dass viele – man kann es nicht verallgemeinern – , nicht alle, aber viele immer noch einen Vollzeitarbeitsplatz auch mit einer wichtigen Rolle im Leben verbinden und dass nicht nur der Arbeitsplatzverlust, sondern schon eine Teilzeitarbeit, egal ob Kurzarbeit oder aus anderen Gründen, auch einen Prestigeverlust bedeuten kann. Da müsste sich doch in den Köpfen der Leute was verändern? Wir wissen ja auch, dass es ein paar Länder gibt in Europa, die haben schon eine wesentlich höhere Teilzeitarbeitsquote als die Bundesrepublik. Wer kann denn da was machen? Ist das einfach nur eine Frage der Zeit oder kann man diese Mentalitätsveränderung, die es vielleicht sein muss, auch irgendwie bewirken?
Hoff: Mentalitätsveränderungen, die dauern sehr, sehr lange. Also ich denke, zielen müsste das auf etwas, was ich schon angedeutet habe, da Teilzeitarbeit vor allen Dingen Frauenarbeit ist: Es wäre günstig, wenn es eine veränderte Teilung von Arbeit gäbe, was die Geschlechter anbelangt, und das müsste in der Paarbeziehung ansetzen, also wenn das Haushaltseinkommen stärker von beiden Partnern erreicht wird. Dann müssten beide Partner auch in Haushalt und in Familie gleichmäßiger belastet werden, und der Mann müsste nicht alleine außer Haus gehen, und er könnte dann auch eher ertragen, dass da zeitlich reduziert wird und von den Kosten her.
Kassel: Ernst-Hartmut Hoff, Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Freien Universität Berlin. Danke Ihnen fürs Gespräch und wünsche Ihnen für Ihre Zukunft immer genau das richtige Maß an Arbeit. Dankeschön.
Hoff: Dankeschön.