Führungskrise

Wie geht es weiter am Staatsballett Berlin?

05:12 Minuten
Das Foto zeigt den Choreographen Johannes Öhman und die Tanzregisseurin Sasha Waltz auf einer Pressekonferenz.
Doppelspitze adieu: Choreograph Johannes Öhman und die Tanzregisseurin Sasha Waltz auf der Pressekonferenz. © imago images / Mauersberger
Von Elisabeth Nehring · 27.01.2020
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Bis 2025 wollten Sasha Waltz und Johannes Öhman das Staatsballett Berlin gemeinsam leiten. Nach nur wenigen Monaten kündigte Öhman letzte Woche seinen Rückzug an. Waltz schloss sich dem erst an - könnte nun aber doch weitermachen. Aber nicht allein.
Anspannung liegt in der Luft, der der Sauerstoff bereits ausgegangen ist, als Sasha Waltz und Johannes Öhman bei der auf ganze 30 Minuten angesetzten Pressekonferenz erscheinen. Beide verlesen zwei kurze Statements. Er erklärt: für seine Entscheidung nach Stockholm ans Dansen Hus zu gehen und dafür das Staatsballett zum Ende des laufenden Jahres zu verlassen, habe er alle beruflichen und persönlichen Gründe in Ruhe und ganz für sich alleine abgewogen. Sie sagt:

Kurzfristig und unerwartet

"Der Abschied von Johannes Öhman kam sehr kurzfristig und unerwartet. Ich bedauere die Entscheidung. Ich sehe nicht, dass unter diesen neuen Bedingungen eine alleinige Intendanz meinerseits sinnvoll wäre. 2016 erklärte ich mich bereit, eine Leitungsrolle zu übernehmen, aber nur mit einem Partner, der das klassische Erbe vertritt und ich weiterhin künstlerisch als Choreografin tätig sein kann."
Der Staatsballett-Choreograph Johannes Öhman und die Tanzregisseurin Sasha Waltz (re) sitzen bei einer Pressekonferenz in Berlin an einem Tisch. 
Die Stimmung bei der Pressekonferenz war angespannt: Waltz kritisierte Öhman deutlich.© imago images / Klaus Mauersberger
Daher, fügt die sichtlich gestresste Sasha Waltz noch an, stelle sie aus "Verantwortungsbewusstsein für die Zukunft des Balletts und die Bedürfnisse dieser komplexen Struktur" nun ihr Amt zur Verfügung. Ein bisschen wirr wird es, als sie im weiteren Verlauf mehrfach betont, die Entscheidung über das Ende ihrer Amtszeit in Ruhe und ohne Zeitdruck fällen zu wollen. Klingt da etwa doch noch die Möglichkeit an, dass sie bleibt, obwohl er geht?

Auf den Rücktritt nicht vorbereitet

Doch so viel im Anschluss an die beiden Statements auch gefragt wird, an dieser Stelle ist keine Klarheit zu gewinnen – denn, das wird in dieser kurzen halben Stunde deutlich: Sasha Waltz wurde von der Entscheidung ihres Partners völlig überrascht. Überrumpelt, wie sie sagt.
Über die näheren Gründe für seinen unerwartet frühen Abgang, über den er Sasha Waltz nur zehn Tage vor der öffentlichen Bekanntgabe informierte, möchte sich Johannes Öhman auf der Pressekonferenz nicht auslassen. Stattdessen betont er mehrfach, wie stolz sie als Team auf das bereits Erreichte sein könnten.
Im Szenenbild der Tanzperformance "LIB" stehen drei Tänzerinnen und ein Darsteller in Fellkostüm auf der Bühne. 
Während der Kooperation von Sasha Waltz und Johannes Öhman als Intendanten ist auch Alexander Ekmans Tanzperformance "LIB" entstanden.© Staatsballet / Jubal Battisti
"Ich glaube, das Staatsballett ist auf einem guten Weg. Die Energie im Ensemble ist sehr gut, es sind wunderbare Tänzer, wir haben ein gutes Repertoire. Das alles haben wir in relativ kurzer Zeit erreicht. Die Companie steht auf soliden Füßen."
Fragt sich nur, wie lange noch! Denn auch wenn Johannes Öhman und Sasha Waltz seit ihrer Benennung 2016 konzeptuell an der Aufstellung und Programmation des Staatsballetts arbeiten – und damit gefühlt schon eine Weile dabei sind – für die Öffentlichkeit und auf der operativen Ebene hat diese Zusammenarbeit gerade erst begonnen.
Abgesehen davon, dass sich die wahren Früchte einer Transformation nicht bereits nach einem halben Jahr zeigen. Und wer bitte sagt, dass eine neue Leitung den Weg des Brückenschlags zwischen klassischem und zeitgenössischem Tanz weitergehen wird?

Verlust des Wunschpartners

Wie wichtig Johannes Öhman für Sasha Waltz war, macht sie – wenn auch mit versteinertem Gesicht – noch einmal deutlich:
"Die Zusammenarbeit war so einheitlich und auch unsere künstlerische Vision ist auf so einem ähnlichen Breitengrad, dass Johannes Öhman für mich der absolute Wunschpartner war und ist."
Umso bitterer, dass er sie – so hart es klingt – jetzt einfach sitzen lässt. Zwar versucht Johannes Öhman noch immer wie Mr. Nice Guy rüberzukommen, rechtfertigt sich mit persönlichen Gründen und einem super Job-Angebot in Stockholm – stürzt aber die Kollegin sowie die Mitarbeiter des Staatsballetts, allen voran natürlich die Tänzerinnen und Tänzer, in eine Ungewissheit, deren Dimension mit den im letzten Jahr ausgebrochenen Frühlingsgefühlen durchaus korrespondiert.

Zumutung für Tänzer und Publikum

Unabhängig davon, was hinter den Kulissen abgelaufen ist und ob die Einigkeit in künstlerischen und anderen Fragen wirklich immer so groß war wie von beiden behauptet: Öhmans Entscheidung ist – diplomatisch ausgedrückt – egoistisch, wankelmütig und absolut nicht in Ordnung!
Nicht für das Staatsballett als Institution, nicht für die Stadt Berlin, nicht für die Künstler und Künstlerinnen, nicht für das Publikum! Und auch nicht für das Modell einer Doppelspitze, das zwar – da hat Sasha Waltz in ihrer kurzen Verteidigungsrede recht – nicht für alle Zeiten gescheitert ist, aber doch ein paar ordentliche Kratzer bekommen hat.
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