Führer durch den Informationsdschungel

Von Ulrike Till |
"Wissen bewegen - Bibliotheken in der Informationsgesellschaft" - unter diesem Motto steht der 97. Deutsche Bibliothekartag in Mannheim. Dabei steht vor allem die Frage im Zentrum, wie die Büchereien mit den elektronischen Medien umgehen. Die meisten Bibliothekare sehen sich dabei als Helfer ihrer Nutzer, mit den Informationen umgehen zu lernen. Zweites großes Thema ist die Digitalisierung der Bestände. Noch bis Freitag tauschen sich mehr als 3000 Mitarbeiter von Stadtbüchereien und Universitätsbibliotheken über aktuelle Entwicklungen ihres Fachs aus.
Sind elektronische Medien nun gefährliche Konkurrenz oder nützliche Ergänzung des eigenen Angebots? Auf diese Schlüsselfrage gibt es beim Deutschen Bibliothekartag eine eindeutige Antwort: Zunehmend machen Büchereien sich die Vorteile aktueller, schneller Online-Information selbst zunutze - von Berührungsängsten keine Spur. Dr. Daniela Lülfing, Stellvertretende Vorsitzende des Vereins Deutscher Bibliothekare:

"Ich denke, dass die elektronischen Medien einfach ein zweites Standbein sind. Es gibt nach wie vor das traditionelle Buch, das ganz traditionelle Medium, daneben gewinnen die elektronischen Medien immer stärker an Bedeutung. Aber auch die elektronischen Medien müssen erschlossen werden, sie müssen aufbereitet werden, und man muss die Informationen finden in dem weltweiten Informationswust, wage ich mal zu sagen - und da sehen die Bibliothekare durchaus eine neue Rolle."

Führer durch den Informationsdschungel des Internets - darin sehen viele Bibliothekare inzwischen eine Schlüsselaufgabe. Vor allem in öffentlichen Stadtbüchereien, wo die Besucher vor Ort online recherchieren, wird diese Lotsenfunktion immer wichtiger, sagt Susanne Riedel, Vorsitzende des Berufsverbands Information Bibliothek:

"Wir bieten den Menschen die Möglichkeit, Informations- und Medienkompetenz zu erwerben; wir helfen ihnen das, was sie im Internet finden, zu bewerten und festzustellen, ist das richtig, kann ich das gebrauchen, ist das der aktuelle Stand der Information und solche Dinge. Also wir helfen, Information zu bewerten und das, was wir selber anbieten an Informationen, ist geprüft und verlässlich."

2006 haben die öffentlichen Bibliotheken in Deutschland 1,5 Millionen neue Nutzer dazugewonnen - von einer internetbedingten Krise kann also keine Rede sein. Gefragt sind kommunale Büchereien derzeit vor allem als Lieferanten praktischer Service-Tipps:

"Wir haben festgestellt, dass es eine steigende Nachfrage nach Ratgeberliteratur gibt. Ratgeber in allen Farben und Formen, die man sich vorstellen kann - junge Eltern suchen Erziehungsratgeber, Senioren suchen familienhistorische Dinge, Jugendliche suchen Informationen, die sie für die Schule benötigen, das ist ganz unterschiedlich. Wie repariere ich was, wie gestalte ich meinen Garten, also ganz lebensnahe Dinge."

Natürlich haben alle größeren Bibliotheken inzwischen auch selbst neue Medien im Angebot: Lernsoftware auf CD-Rom, DVDs und Hörbücher - fast 8 Millionen jährliche Ausleihen registrieren die Büchereien hier derzeit; die Tendenz ist steigend. Auch wissenschaftliche Bibliotheken bieten zunehmend Informationen in elektronischer Form an, so Daniela Lülfing von der Staatsbibliothek Berlin:

"Datenbanken, elektronische Zeitschriften sind gebührenpflichtig. Bibliotheken wenden sehr viel Geld auf, um Lizenzen zu erwerben, um ihren eingetragenen Nutzern - egal natürlich dann auch, von wo aus sie auf die Bestände zugreifen - diese Medien zugänglich zu machen, diese elektronischen. Natürlich kann heute ein eingetragener Benutzer einer Universitätsbibliothek oder auch einer anderen wissenschaftlichen Bibliothek auf die elektronischen Bestände seiner Bibliothek in der Regel auch von zu Hause zugreifen. Trotzdem ist es eine Dienstleistung der Bibliothek, dass wir ihm diese elektronischen Medien zur Verfügung stellen."

Das gedruckte Buch wird aber dennoch nicht verschwinden, davon ist Daniela Lülfing überzeugt. Allerdings werden nach und nach alle Bestände wichtiger Forschungsbibliotheken digitalisiert - um die Originale zu schonen, und das gesammelte Wissen noch besser zugänglich zu machen:

"Ich denke, wir sind da auf einem guten Wege, aber ich würde noch nicht so weit gehen, dass wir in zehn Jahren alles digital haben. Es gibt in Deutschland eine Arbeitsgemeinschaft der Sammlung deutscher Drucke, unter anderem die Bayerische Staatsbibliothek, aber auch die Deutsche Nationalbibliothek, auch die Staatsbibliothek zu Berlin, auch die Bibliothek in Wolfenbüttel, bloß um mal ein paar Beispiele jetzt zu nennen, die jede in seinem Zeitsegment sammeln die Literatur möglichst vollständig. Das ist ein Projekt, was von 1501 bis 1945 den Zeitraum umschließt, und gerade auch in diesem Bereich, der Sammlung deutscher Drucke, gibt es jetzt ein von der DFG gefördertes großes Projekt, um diese Drucke auch digital zur Verfügung zu stellen."

Um noch mehr Menschen zu erreichen, wollen die Bibliothekare verstärkt auch mit anderen Bildungseinrichtungen zusammenarbeiten:

"Es wird immer wichtiger, auch spartenübergreifend zu denken. Hier in Mannheim beim Bibliothekartag haben wir auch viele Veranstaltungen, wo also auch Probleme der Museen, der Archive, auch der Schulen und Volkshochschulen mitdiskutiert werden. Und wir versuchen uns gemeinsam in das Bildungsspektrum in Deutschland hier einzuordnen. Es gibt unter anderem auch gerade zum Thema Digitalisierung einen regen Erfahrungsaustausch mit Kollegen aus den Museen und ich denke gerade die Bibliothekare können von diesem Erfahrungsaustausch auch nur profitieren."

Link:
97. Deutscher Bibliothekartag in Mannheim