Unwetter, Hochwasser, Brände

Frühwarnsysteme bei Katastrophenfällen

Feuerwehrsirene vor Wolkendecke
Von Smartphones ersetzt: Warnsirenen wurden in Deutschland nach dem Ende des Kalten Krieges sukzessive abgebaut. Verbliebene sind oft nicht mehr auf dem neuesten Stand. © IMAGO / Wolfgang Maria Weber
14.09.2023
Wenn Gefahr durch Unwetter, Unfälle oder Katastrophen droht, wird die Bevölkerung mittlerweile per Handy gewarnt. Doch Experten fordern mehr: ein integratives Warnsystem. Das heißt auch mehr Vorsorge.
"Early warnings for all": UN-Generalsekretär Antonio Guterres hat im Jahr 2022 die Mitgliedsstaaten dazu aufgerufen, bis 2027 jeden Menschen durch ein Frühwarnsystem vor Gefahren warnen zu können. Dadurch könnten bei Katastrophen Zehntausende Leben gerettet und Hunderte Milliarden US-Dollar gespart werden.
Das sei anspruchsvoll, findet Lothar Schrott, "aber es geht in die richtige Richtung". So könne man Druck auf die Staaten ausüben, sagt der Professor für Physikalische Geografie und Geomorphologie an der Uni Bonn, um mehr in Vorsorge zu investieren. Künftig müsse man mit mehr Gefahren wie Unwetter, Dürren und Waldbränden rechnen.

Integratives Frühwarnsystem

Bei Wetter- und Katastrophenwarnungen gibt es inzwischen Fortschritte in Deutschland, etwa beim Frühwarnsystem über Mobilfunknetze "Cell Broadcast". Aber: "Für ein integratives Warnsystem reicht es nicht aus, sich nur auf die technische Warnung zu verlassen", so Lothar Schrott.

Cell Broadcast: Das Warnsystem Cell Broadcast warnt die Bevölkerung vor Katastrophen und Notfällen. Seit Februar 2023 werden die Warnungen an Mobilfunkgeräte verschickt. Es ist der Warnkanal, mit dem am meisten Menschen erreicht werden können. Man sollte darauf achten, dass das aktuelle Betriebssystem-Update installiert und das Gerät eingeschaltet ist und sich nicht im Flugmodus befindet. Ältere Geräte können die Nachrichten oft nicht empfangen. Beim bundesweiten Warntag am 14. September 2023 wird das System wieder getestet.

Warn-App NINA: Die kostenlose Notfall-Informations- und Nachrichten-App des Bundes zeigt wichtige Warnmeldungen des Bevölkerungsschutzes für Gefahrenlagen an, etwa bei Großbränden. Auch Warnungen des Deutschen Wetterdienstes und Informationen zu Hochwasser sind integriert. Laut Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe dauert der Versand von Warnmeldungen maximal 30 Sekunden.

Ein integratives Frühwarnsystem besteht ihm zufolge aus vier Einheiten:
  1. Besseres Risikowissen darüber, in welchen Regionen zu welchen Zeiten welche Gefahren drohen.
  2. Ein eigentlicher Überwachungs- und Warndienst, der Regenradar und Pegelstände erfasst und Warnungen ausgibt.
  3. Eine funktionierende Kommunikationskette mit Handlungsanweisungen
  4. Gute Reaktionsfähigkeit mit Evakuierungs- und Notfallplänen
Bildung sei ein Schlüssel zum Erwerb von Handlungskompetenz. Kinder könnten bereits spielerisch durch regelmäßiges Üben den Ernstfall proben.

Digitalradio DAB+ bietet eine Alternative zum klassischen UKW-Radio. Empfangsgeräte mit Alarmfunktion können sich aus dem Stand-by automatisch einschalten und das warnende Live-Programm übertragen, wie zuletzt beim bundesweiten Warntag 2022 geschehen. Die Radios zeigen einen Lauftext mit Informationen auf Deutsch, Englisch und Französisch. Die Mitglieder des Vereins Digitalradio Deutschland wollen das System 2023 um einen barrierefreien Warndienst erweitern.

"Wir müssen nachsteuern", sagt Schrott. Es reiche nicht aus, Katastrophen besser medial zu verbreiten. Studien hätten gezeigt, dass aktives Umdenken meist nur bei unmittelbar Betroffenen erfolge. Es brauche eine positive Risikokultur im Sinne der Vorsorge.

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