Frühlingserwachen: Gärtnerlust und Gärtnerfrust

Moderation: Dieter Kassel · 06.04.2013
Noch lässt der Frühling auf sich warten, aber der kluge Gärtner sorgt vor für den Tag, an dem er endlich wieder ackern kann. Deshalb widmen wir uns heute auch unbeeindruckt von allen Wetterkapriolen der Gärtnerlust und dem Gärtnerfrust und schauen in wilde Bauerngärten, wohl geordnetes Schrebergartenidyll und herrschaftliche Gartenakademien.
Und wir fragen: Was bedeuten uns unsere Gärten?
Wie sollen sie aussehen: Wild und naturnah oder eher gepflegt und gestaltet?

"Garten ist Sinnlichkeit","

sagt Gabriella Pape. Sie gilt als "Deutschlands beste Gärtnerin" und gründete 2008 die "Königliche Gartenakademie" in Berlin, mit der sie den Deutschen ein Stück der verschollene Gartenkultur wieder nahebringen möchte.

In ihren Kursen will sie zeigen, dass Gärtnern keine Arbeit sein muss, sondern Leichtigkeit und Spaß. Und dass ein deutscher Garten mehr sein sollte, als

""Flächen, die vor allem zum Autoparken und Wagenwaschen benutzt werden. Oder als Grillplatz und Müllereimerdepot. Flächen, die auf schönere Tage warten."

Die gebürtige Hamburgerin studierte am größten Botanischen Garten der Welt, den Kew Gardens in London. Als bisher einzige Deutsche gestaltete sie einen Garten auf der renommiertesten Gartenschau der Welt, der Londoner Chelsea Flower Show und gewann prompt die Silbermedaille. Seit 2009 ist Gabriella Pape die Präsidentin der Gesellschaft zur Förderung der Gartenkultur.

Die Gartengestalterin möchte ihre Begeisterung für die Natur weitergeben:

"Ein Garten darf verspielt sein, er ist eine Art Spielplatz für Erwachsene. Es ist ein Außenzimmer, in dem alles stattfinden kann: Die Blüten ziehen Insekten an, man kann die Früchte wachsen sehen. Ich sehe, wie die Natur die Seele durch das Jahr trägt."

"Der Schrebergarten ist das letzte wahre Paradies auf Erden", sagt Wladimir Kaminer. Der in Berlin lebende russische Schriftsteller – bekannt unter anderem durch seine "Russendisko" – sammelte vier Jahre lang Erfahrungen als Kleingärtner in einer Berliner Kolonie. In seinem Buch "Mein Leben im Schrebergarten" beschreibt er höchst vergnüglich und auch entlarvend sein tägliches Ringen mit den Vorschriften des Bundeskleingartengesetzes und seine teils skurrilen Erlebnisse mit manch übereifrigem Nachbarn:

"Je mehr in ihrem Leben schief läuft, desto penibler sind sie als Gärtner. Sie mühen sich übertrieben ab, das Paradies im Maßstab von eins zu zehn Millionen nachzubauen."

Zwei Welten prallten dort aufeinander:

"Russen fahren zu ihren Datschen, um sich zu erholen - und natürlich zu trinken. Das ist die russische Art, mit der Natur umzugehen. Die Deutschen stellen Gartenzwerge auf und zupfen den ganzen Tag Unkraut."

Seine prägende Erfahrung:

"Die Leute wollen nicht, dass die Gärten besonders schön sind, sie wollen, dass sie besonders gleich aussehen."

Mittlerweile entspannt Kaminer mit seiner Familie in einem großen Garten im Norden Brandenburgs, in dem er der Spontanvegetation endlich freien Lauf lassen kann.

"Für mich sind diese Garten-Ausflüge im Grunde genommen wichtig, um wieder das Gleichgewicht zu finden. In der Großstadt vergisst man sich selbst sehr schnell. Erst in der Stille findet man sich wieder als etwas total Unwichtiges, Kleines. Und diese Verkleinerung macht einen Menschen freier."

Frühlingserwachen: Gärtnerlust & Gärtnerfrust
Darüber diskutiert Dieter Kassel heute von 9 Uhr 05 bis 11 Uhr mit Gabriella Pape und Wladimir Kaminer. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 0800 2254 2254 oder per E-Mail unter gespraech@dradio.de.


Informationen im Internet:
- Über Gabriella Pape und die Königliche Gartenakademie
- Über Wladimir Kaminer

Literaturhinweise:
- Wladimir Kaminer: "Mein Leben im Schrebergarten", Goldmann Taschenbuch 2009
- Gabriella Pape: "Alles was Sie schon immer übers Gärtnern wissen wollten", Callwey, München 2012
- Gabriella Pape: "Meine Philosophie lebendiger Gärten", Insel Taschenbuch 2012