Früherer CDU-Politiker Vogel vertraut auf alte Koalitionstradition
Der Ehrenvorsitzender der Konrad Adenauer Stiftung, Bernhard Vogel, hat Anfangsschwierigkeiten der schwarz-gelben Bundesregierung eingeräumt. Aber er habe keine Zweifel, dass sich Union und FDP angesichts der langen, erfolgreichen Koalitionstradition zusammenfänden.
Christopher Ricke: 100 Tage ist die schwarz-gelbe Bundesregierung jetzt alt, 100 Tage, in denen vieles auch ein bisschen gequietscht und geknackt hat, wo laut gestritten wurde und wo es doch einige Gräben gab zwischen den drei Koalitionären. Vorgestern habe ich an dieser Stelle mit dem FDP-Politiker Gerhard Baum gesprochen, jetzt geht es am Tag selbst um das Thema mit Bernhard Vogel von der CDU. Er ist der Ehrenvorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung, er war Ministerpräsident in Rheinland-Pfalz und Thüringen, er versteht es, Mehrheiten zu organisieren und zu moderieren, er konnte auch mal alleine regieren, dann mal mit der FDP und mal mit der SPD. Guten Morgen, Herr Vogel.
Bernhard Vogel: Guten Morgen, Herr Ricke!
Ricke: Sie bringen viel politische Erfahrung mit. Ist das jetzt besonders schwierig, was wir in den letzten 100 Tagen erlebt haben?
Vogel: Ja. Als Beobachter hat man da und dort seine Schwierigkeiten. Der Start war nicht medaillenverdächtig, aber er war auch nicht ungewöhnlich, sondern man muss zusammenfinden und muss vor allem erkennen: Es geht nicht um die Erfolge des einen oder anderen Ministers oder der einen oder anderen Ministerin, sondern die Regierung muss erfolgreich sein und die beiden Partner müssen miteinander den Erfolg der Regierung wollen. Nur dann wird man schlussendlich erfolgreich sein.
Ricke: Man muss gemeinsam den Erfolg wollen und man muss ja auch gemeinsam auf einer Basis stehen. Wir haben uns in den letzten Tagen darüber Gedanken gemacht, ob FDP und CDU/CSU vielleicht ein unterschiedliches Staatsverständnis haben, dass es einen unterschiedlichen Wertekonsens gibt.
Vogel: Also die Profile der Parteien sind unterschiedlich und in einer Koalition muss man das erreichen, was man gemeinsam erreichen kann. Wo die Unterschiede zu groß sind, wird man nicht viel voranbringen. Die beiden Parteien unterscheiden sich, das ist richtig. Das Staatsverständnis ist unterschiedlich. Aber die beiden Parteien haben ja eine lange, erfolgreiche und bewährte Koalitionstradition hinter sich und darum habe ich gar keine Zweifel: Man wird sich zusammenfinden, auch wenn die Ungleichheit überwunden ist, dass die eine Partei, die CDU und die CSU, seit Jahren in der Verantwortung steht und dass die FDP nach langer, langer Zeit erst wieder in die Verantwortung gekommen ist und deswegen eine gewisse Rücksichtnahme für eine gewisse Anlernzeit verdient hat.
Ricke: Jetzt kann man natürlich die FDP als Lehrling betrachten und sagen, in der Opposition kann man viel fordern, was man in der Regierung nicht umsetzen kann. Es ist aber auch Tatsache, dass sich die CDU verändert hat. Die Partei hat sich unter Angela Merkel geöffnet: die einen sagen in Richtung Mitte, die anderen sagen sogar in Richtung Sozialdemokratie. Und bei den Liberalen hört man schon am Rande die etwas spitze Bemerkung, man sei ja fast schon wieder in einer sozial-liberalen Koalition angekommen.
Vogel: Also zunächst würde ich einmal Wert darauf legen, die Wähler haben sich geändert. Die Wähler von 2010 sind nicht mehr die Wähler von 1957, als Adenauer die absolute Mehrheit an Mandaten und Stimmen bei einer Bundestagswahl erreicht hat. Die Wähler sind kritischer, die Wähler sind selbstbewusster, sind weniger traditionsbezogen geworden, sondern sie entscheiden jedes Mal neu und haben übrigens auch die Eigenschaft entwickelt, unter Umständen politisch zu entscheiden, nicht zur Wahl zu gehen, also nicht nur aus Bequemlichkeit oder Uninteressiertheit. Und das heißt, die Parteien müssen sich auf eine veränderte Wirklichkeit einstellen, in ihrer Programmatik und natürlich auch in ihren Entscheidungen im Regierungs- und im Oppositionshandeln.
Ricke: Aber gerade aus Ihrer Partei kommt doch immer wieder die Bemerkung, dass die wirklich Konservativen inzwischen etwas einsam geworden sind in der CDU, und das, obwohl doch immer noch das Ziel gilt, dass rechts neben der Union keine demokratische Partei Platz haben darf.
Vogel: Ja, dieses Ziel gilt. Es sollte auch links für die SPD gelten, ist dort allerdings eben nicht realisiert worden, was auch für die Volkspartei CDU/CSU Folgen hat. Selbstverständlich: Die CDU/CSU muss, wenn sie Volkspartei bleiben will, Partei der kleinen Leute bleiben, denn nur kleine Leute schaffen Mehrheiten, und sie darf nicht mal ein bisschen mehr konservativ und ein bisschen weniger konservativ sein, sondern sie muss sich dazu bekennen, dass ihre Wurzeln christlich-sozial, liberal und wertkonservativ sind und dass der Baum vertrocknet, wenn eine dieser Wurzeln kein Wasser mehr gibt.
Ricke: Eine dieser Wurzeln, die konservative Wurzel, wird zurzeit etwas weniger bedient in der Union. Roland Koch ist da eine Ausnahme, er macht’s vor, indem er seinen Finger nicht nur in Wunden der Gesellschaft legt, sondern auch darin herumbohrt, um zu zeigen, dass es weh tut. Brauchen wir mehr Kochs in der CDU?
Vogel: Zunächst schadet es nicht, wenn jemand eine Wunde entdeckt, wenn er den Finger in diese Wunde legt. Das ist in Deutschland zwar üblich, dass man den zunächst kritisiert, aber ich halte das durchaus für nützlich, dass wir diese Diskussion führen. Und im Übrigen freut mich, dass plötzlich alles über das C in der CDU diskutiert. Also ist das offensichtlich nach wie vor eine wichtige Sache.
Ricke: Bernhard Vogel von der CDU. Vielen Dank, Herr Vogel, und Ihnen einen guten Tag.
Vogel: Bitte schön! Auf Wiederschauen.
Bernhard Vogel: Guten Morgen, Herr Ricke!
Ricke: Sie bringen viel politische Erfahrung mit. Ist das jetzt besonders schwierig, was wir in den letzten 100 Tagen erlebt haben?
Vogel: Ja. Als Beobachter hat man da und dort seine Schwierigkeiten. Der Start war nicht medaillenverdächtig, aber er war auch nicht ungewöhnlich, sondern man muss zusammenfinden und muss vor allem erkennen: Es geht nicht um die Erfolge des einen oder anderen Ministers oder der einen oder anderen Ministerin, sondern die Regierung muss erfolgreich sein und die beiden Partner müssen miteinander den Erfolg der Regierung wollen. Nur dann wird man schlussendlich erfolgreich sein.
Ricke: Man muss gemeinsam den Erfolg wollen und man muss ja auch gemeinsam auf einer Basis stehen. Wir haben uns in den letzten Tagen darüber Gedanken gemacht, ob FDP und CDU/CSU vielleicht ein unterschiedliches Staatsverständnis haben, dass es einen unterschiedlichen Wertekonsens gibt.
Vogel: Also die Profile der Parteien sind unterschiedlich und in einer Koalition muss man das erreichen, was man gemeinsam erreichen kann. Wo die Unterschiede zu groß sind, wird man nicht viel voranbringen. Die beiden Parteien unterscheiden sich, das ist richtig. Das Staatsverständnis ist unterschiedlich. Aber die beiden Parteien haben ja eine lange, erfolgreiche und bewährte Koalitionstradition hinter sich und darum habe ich gar keine Zweifel: Man wird sich zusammenfinden, auch wenn die Ungleichheit überwunden ist, dass die eine Partei, die CDU und die CSU, seit Jahren in der Verantwortung steht und dass die FDP nach langer, langer Zeit erst wieder in die Verantwortung gekommen ist und deswegen eine gewisse Rücksichtnahme für eine gewisse Anlernzeit verdient hat.
Ricke: Jetzt kann man natürlich die FDP als Lehrling betrachten und sagen, in der Opposition kann man viel fordern, was man in der Regierung nicht umsetzen kann. Es ist aber auch Tatsache, dass sich die CDU verändert hat. Die Partei hat sich unter Angela Merkel geöffnet: die einen sagen in Richtung Mitte, die anderen sagen sogar in Richtung Sozialdemokratie. Und bei den Liberalen hört man schon am Rande die etwas spitze Bemerkung, man sei ja fast schon wieder in einer sozial-liberalen Koalition angekommen.
Vogel: Also zunächst würde ich einmal Wert darauf legen, die Wähler haben sich geändert. Die Wähler von 2010 sind nicht mehr die Wähler von 1957, als Adenauer die absolute Mehrheit an Mandaten und Stimmen bei einer Bundestagswahl erreicht hat. Die Wähler sind kritischer, die Wähler sind selbstbewusster, sind weniger traditionsbezogen geworden, sondern sie entscheiden jedes Mal neu und haben übrigens auch die Eigenschaft entwickelt, unter Umständen politisch zu entscheiden, nicht zur Wahl zu gehen, also nicht nur aus Bequemlichkeit oder Uninteressiertheit. Und das heißt, die Parteien müssen sich auf eine veränderte Wirklichkeit einstellen, in ihrer Programmatik und natürlich auch in ihren Entscheidungen im Regierungs- und im Oppositionshandeln.
Ricke: Aber gerade aus Ihrer Partei kommt doch immer wieder die Bemerkung, dass die wirklich Konservativen inzwischen etwas einsam geworden sind in der CDU, und das, obwohl doch immer noch das Ziel gilt, dass rechts neben der Union keine demokratische Partei Platz haben darf.
Vogel: Ja, dieses Ziel gilt. Es sollte auch links für die SPD gelten, ist dort allerdings eben nicht realisiert worden, was auch für die Volkspartei CDU/CSU Folgen hat. Selbstverständlich: Die CDU/CSU muss, wenn sie Volkspartei bleiben will, Partei der kleinen Leute bleiben, denn nur kleine Leute schaffen Mehrheiten, und sie darf nicht mal ein bisschen mehr konservativ und ein bisschen weniger konservativ sein, sondern sie muss sich dazu bekennen, dass ihre Wurzeln christlich-sozial, liberal und wertkonservativ sind und dass der Baum vertrocknet, wenn eine dieser Wurzeln kein Wasser mehr gibt.
Ricke: Eine dieser Wurzeln, die konservative Wurzel, wird zurzeit etwas weniger bedient in der Union. Roland Koch ist da eine Ausnahme, er macht’s vor, indem er seinen Finger nicht nur in Wunden der Gesellschaft legt, sondern auch darin herumbohrt, um zu zeigen, dass es weh tut. Brauchen wir mehr Kochs in der CDU?
Vogel: Zunächst schadet es nicht, wenn jemand eine Wunde entdeckt, wenn er den Finger in diese Wunde legt. Das ist in Deutschland zwar üblich, dass man den zunächst kritisiert, aber ich halte das durchaus für nützlich, dass wir diese Diskussion führen. Und im Übrigen freut mich, dass plötzlich alles über das C in der CDU diskutiert. Also ist das offensichtlich nach wie vor eine wichtige Sache.
Ricke: Bernhard Vogel von der CDU. Vielen Dank, Herr Vogel, und Ihnen einen guten Tag.
Vogel: Bitte schön! Auf Wiederschauen.