Früher Wegbereiter eines schwarzen US-Präsidenten

Von Hans-Martin Lohmann |
Der Bürgerrechtler William Edward Burghardt Du Bois gilt als der bedeutendste schwarze Intellektuelle der USA. Als Wissenschaftler und Publizist setzte er sich kompromisslos für die Freiheits- und Gleichheitsrechte der schwarzen Amerikaner ein.
Als William Edward Burghardt Du Bois am 27. August 1963 in Accra, der Hauptstadt des soeben unabhängig gewordenen afrikanischen Staates Ghana, starb, verpasste er um einen Tag die legendäre Geburtsstunde der modernen amerikanischen Bürgerrechtsbewegung. Am 28. August 1963 hielt Martin Luther King in Washington D.C. vor dem Lincoln Memorial seine inspirierende Freiheitsrede mit der berühmten Formulierung "I have a dream."

Du Bois, 1868 geboren als Spross einer ins Bürgertum aufgestiegenen schwarzen Familie aus Massachusetts, studierte ab 1888 an der Harvard University und erwarb dort vier Jahre später seinen Master in Geschichte. Der begabte junge Mann gewann ein Auslandsstipendium und ging 1892 für zwei Jahre nach Deutschland, um seine Studien in Berlin und Heidelberg fortzusetzen. Über seine Erfahrungen im kaiserlichen Deutschland schreibt Du Bois' Biograf, David L. Lewis:

"Du Bois schätzte die preußische Disziplin, Ordnung, militärische Strenge. Schließlich kam er aus dem calvinistischen Neuengland. Dies war nur eine andere Spielart."

Du Bois seinerseits erinnert sich in seinen Memoiren "Mein Weg, meine Welt", die 1967 auf Deutsch in der DDR erschienen, wie vergleichsweise unkompliziert für ihn als Schwarzen das Leben in Europa war:

"Glückliche Tage verlebte ich in dem guten alten Eisenach zu Füßen der Wartburg bei einer Familie, in der akademische Bildung und deutsche Gastfreundschaft die in Amerika üblichen Rassenvorurteile überhaupt nicht aufkommen ließen. Ich wurde ein Mensch wie andere."

Die soziale und politische Lage der Schwarzen in den USA war und blieb dagegen katastrophal. Der Rassismus des weißen Amerika war allgegenwärtig. Allein zwischen 1885 und 1894, schreibt Du Bois, seien 1.700 Schwarze gelyncht worden. Nach seiner Rückkehr aus Europa erwarb er in Harvard als erster Schwarzer den Doktortitel mit einer Arbeit über den transatlantischen Sklavenhandel. Eine wissenschaftliche Karriere an einer der renommierten Universitäten des Landes blieb ihm indes verwehrt, weshalb er in den Beruf des Lehrers wechselte. Später bekleidete er eine Professur für Geschichte und Wirtschaftswissenschaft in Atlanta.

Öffentliche Bedeutung gewann Du Bois als erster schwarzer Soziologe mit einer Forschungsarbeit über die Situation der Schwarzen in Philadelphia. 1903 erschien sein Buch "The Souls of Black Folk", das zum Bestseller avancierte und ihm den Ruf eines kompromisslosen Verfechters der Sache der Schwarzen eintrug. Fortan kämpfte Du Bois unermüdlich auch als Publizist für die volle politische und soziale Emanzipation nicht nur der amerikanischen Schwarzen, sondern der Schwarzen überhaupt. Als Kämpfer gegen den Kolonialismus und Propagandist des Panafrikanismus machte er sich ebenso einen Namen, wie als Vordenker einer schwarzen Bewegung, die stolz auf ihre afrikanische Herkunft ist und sich ihrer eigenen kulturellen Herkunft und Identität bewusst ist. In seiner Autobiografie schreibt Du Bois:

"Ich glaube, ich kann ohne Übertreibung sagen, dass ich wesentlich dazu beigetragen habe, dass die amerikanischen Neger gegenüber der Rassendiskriminierung eine revolutionäre Haltung einnahmen. Unsere Artikel weckten in den Negern Selbstbewusstsein, den Glauben an ihre Möglichkeiten und die Entschlossenheit zum Handeln."

Du Bois war Mitinitiator der 1909 gegründeten "National Association for the Advancement of Colored People" und führender Kopf der Zeitschrift "The Crisis", deren Chefredakteur er jahrzehntelang war. In den Jahren nach 1945 geriet er im Zuge des Kalten Krieges wegen seiner pazifistischen und sozialistischen Neigungen in den Verdacht "unamerikanischer Umtriebe", der schließlich zum Prozess gegen ihn führte. Du Bois reagierte darauf mit einer entschlossenen politischen Wende nach links – am Ende seines langen Lebens schloss er sich sogar der Kommunistischen Partei der USA an.

Im historischen Abstand lässt sich sagen, dass William E. B. Du Bois vor und neben dem jüngeren Martin Luther King die wichtigste und einflussreichste Figur der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung war. Dass Amerika heute einen schwarzen Präsidenten hat, ist auch mit sein Werk.