Früher ansprechen und besser begleiten
Potenzielle Schulabbrecher sollen künftig früher Unterstützung erhalten, um ihren Abschluss doch zu schaffen. Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) will deshalb zukünftig auch sogenannte Berufseinstiegsbegleiter einsetzen, um den Jugendlichen Orientierung zu bieten.
Marcus Pindur: Die Zahlen sind alarmierend: Bis zu 80.000 Schüler verlassen die Schule jedes Jahr ohne Abschluss. Jeder fünfte Ausbildungsvertrag wird vorzeitig gekündigt. Rund 15 Prozent der jungen Erwachsenen zwischen 20 und 29 Jahren haben keinen Berufsabschluss.
Die Bundesregierung will dieses Problem angehen und verabschiedet heute ihren Berufsbildungsbericht. Ich begrüße jetzt am Telefon Bundesbildungsministerin Annette Schavan. Guten Morgen, Frau Schavan!
Annette Schavan: Guten Morgen, Herr Pindur!
Pindur: Zentrales Anliegen der Bildungspolitik muss ja sein, die Zahl der Schulabbrecher zunächst mal zu senken. Was wollen Sie da in die Wege leiten?
Schavan: Indem wir Schüler und Schülerinnen, die gefährdet sind, keinen Abschluss zu machen, oder einen Abschluss, der aber nicht wirklich zu erfolgreicher Ausbildung führt, früher ansprechen, besser begleiten, Berufsorientierung verstärken. Das soll in Klasse 7 der Schule beginnen, denn wir dürfen nicht warten, bis das Kind in den Brunnen gefallen ist.
Pindur: Viele insbesondere Jugendliche ausländischer Herkunft kommen ja schon mit schlechten Sprachkenntnissen zur Grundschule und haben dann Schwierigkeiten mitzukommen. Kann man da schon ganz früh helfen?
Schavan: Selbstverständlich. Wir sprechen von Bildungsketten. Wir wollen Bildungsketten aufbauen, konzentriert auf die Punkte, an denen die Gefahr besonders groß ist. Das ist der Schuleintritt mit mangelnden Deutschkenntnissen, das ist der Übergang von Schule in den Beruf. Wir müssen gleichzeitig ansetzen.
Für die, die jetzt in den nächsten Jahren in die Schule kommen, gilt: Die frühkindliche Bildung ist deutlich verstärkt, da wird jetzt mehr Wert darauf gelegt und wir haben etwa mit der Initiative "Haus der kleinen Forscher" dazu auch noch einmal Anregung gegeben.
Die zweite wichtige Stelle sind aber in der Tat die, bei denen in Klasse sieben künftig festgestellt werden soll, wo sind denn die Stärken, wo sind die Schwächen, darüber mit den Eltern gesprochen wird, dann 14 Tage Möglichkeiten, in einem Berufsfeld sich umzuschauen. Wir haben das in den letzten Jahren in einigen Regionen in Deutschland schon ausprobiert und das Ergebnis war: Diese Jugendlichen sind besser motiviert, sie gehen in die Schule zurück mit mehr Kenntnis über das, was einmal auf sie zukommt. Das wird flächendeckend eingeführt.
Also nicht mehr gefährdete Jugendliche, wenn sie denn keinen Abschluss gemacht oder einen schwachen Abschluss gemacht haben, in ein Übergangssystem schicken, sondern vorher dafür sorgen, dass sie begleitet werden - dafür werden Berufseinstiegsbegleiter zur Verfügung gestellt -, dass sie wirklich an ihren Stärken arbeiten können.
Pindur: Wie hat man sich diese Berufseinstiegsbegleiter denn vorzustellen? Sind das Arbeitgeber oder sind das besonders ausgebildete Pädagogen?
Schavan: Das sind Menschen mit Erfahrung, die aus einem Beruf kommen. Schon heute wird an einigen Stellen diese Art von Patenschaft, kann man ja auch sagen, praktiziert. Aber wir sagen, wir wollen professionelle und ehrenamtliche, oder besser gesagt haupt- und ehrenamtlich jeweils professionelle Erwachsene, die sagen, bei jenen Jugendlichen, die sich besonders schwer tun, wir begleiten diese Jugendlichen eine Zeit lang, denn wir dürfen nicht vergessen, es gibt Jugendliche, die bis hin zur Bewerbung niemanden haben, der sie begleitet. Begleiter, die ermutigen, die auch fordern, die Jugendlichen helfen, an ihren Schwächen und Stärken zu arbeiten, die ihnen helfen, den richtigen Berufseinstieg zu finden, also auch die richtige Berufswahl.
Pindur: Die Arbeitgeber klagen ja schon seit Jahren darüber, dass viele Jugendliche eben trotz Schulabschluss dann auch gravierende Bildungsmängel haben. Was läuft denn da an den Schulen falsch?
Schavan: Das ist in der Tat ein Thema seit vielen, vielen Jahren. Das ist überhaupt nicht neu und deshalb haben wir uns ja jetzt zusammengesetzt mit den Arbeitgebern, mit den Gewerkschaften, mit Vertretern der beruflichen Bildung, wirklich alle an einen Tisch geholt und gesagt, wir brauchen jetzt ein Konzept, damit wirksam gegengesteuert werden kann, denn in den nächsten Jahren wird die Bevölkerungsentwicklung so sein, dass spätestens jetzt jedem klar sein muss, wir brauchen jeden Jugendlichen, und für die Jugendlichen selbst ist der Berufseinstieg wichtig.
Ich glaube, die Individualisierung der Maßnahmen ist wichtig, also nicht mehr alleine auf Institutionen setzen, sondern frühzeitig erkennen, welcher Jugendliche ist gefährdet, diesem Jugendlichen frühe Berufsorientierung zu geben und ihm auch zu sagen, woran er arbeiten muss, also nicht zu warten, bis es passiert ist, ihm zu sagen, was er lernen muss, ihm zu sagen, worauf er achten muss, unmittelbare Begleitung. Davon sagen alle, die sich damit beschäftigt haben, das könnte jetzt tatsächlich der richtige Weg sein, damit endlich wir dazu kommen, dass jeder Jugendliche einen Schulabschluss macht, der dann auch in eine qualifizierte Ausbildung führt.
Pindur: Individuelle Betreuung ist also der Schlüssel dafür. Als problematisch gelten ja die Hauptschulen. Da haben es viele schwer, dann von der Hauptschule kommend einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Wie wertet man die Hauptschulen denn auf oder den Hauptschulabschluss?
Schavan: Indem genau auf diese Gruppe der Schülerinnen und Schüler jetzt der Schwerpunkt Maßnahmen gelegt wird unserer Maßnahmen, gefährdeten Hauptschülerinnen und Hauptschülern helfen, denn das hat nicht so sehr mit dem Lehrplan der Hauptschule zu tun, oder mit der Hauptschule, sondern das sind häufig junge Leute aus ganz schwierigen Lebenskontexten, aus ganz schwierigen Erfahrungen heraus haben sie den Mut verloren, oder auch die Disziplin verloren, die notwendig ist, um zu einem qualifizierten Abschluss zu kommen.
Hier muss die Bildungskette besonders stark sein. Das – davon bin ich überzeugt – wird dann auch zeigen, dass natürlich ein qualifizierter Abschluss an der Hauptschule in eine Ausbildung führt, also nicht die Institution allein verantwortlich ist, sondern verantwortlich ist eine Situation, in der Jugendliche nicht mehr wirklich lernen, was ihnen an Lernmöglichkeit angeboten wird.
Pindur: Das alles wird nicht zum Nulltarif zu haben sein. Was veranschlagen Sie denn an Kosten?
Schavan: Nun, wir werden ja in den nächsten Jahren insgesamt sechs Milliarden für Bildung ausgeben, der Schwerpunkt soll liegen in mehr Bildungsgerechtigkeit und deshalb gehen wir jetzt erst einmal davon aus, dass in den nächsten Jahren mit rund 300 Millionen zu rechnen ist.
Pindur: Vielen Dank für das Gespräch! Bundesbildungsministerin Annette Schavan. Heute verabschiedet die Bundesregierung den Berufsbildungsbericht.
Die Bundesregierung will dieses Problem angehen und verabschiedet heute ihren Berufsbildungsbericht. Ich begrüße jetzt am Telefon Bundesbildungsministerin Annette Schavan. Guten Morgen, Frau Schavan!
Annette Schavan: Guten Morgen, Herr Pindur!
Pindur: Zentrales Anliegen der Bildungspolitik muss ja sein, die Zahl der Schulabbrecher zunächst mal zu senken. Was wollen Sie da in die Wege leiten?
Schavan: Indem wir Schüler und Schülerinnen, die gefährdet sind, keinen Abschluss zu machen, oder einen Abschluss, der aber nicht wirklich zu erfolgreicher Ausbildung führt, früher ansprechen, besser begleiten, Berufsorientierung verstärken. Das soll in Klasse 7 der Schule beginnen, denn wir dürfen nicht warten, bis das Kind in den Brunnen gefallen ist.
Pindur: Viele insbesondere Jugendliche ausländischer Herkunft kommen ja schon mit schlechten Sprachkenntnissen zur Grundschule und haben dann Schwierigkeiten mitzukommen. Kann man da schon ganz früh helfen?
Schavan: Selbstverständlich. Wir sprechen von Bildungsketten. Wir wollen Bildungsketten aufbauen, konzentriert auf die Punkte, an denen die Gefahr besonders groß ist. Das ist der Schuleintritt mit mangelnden Deutschkenntnissen, das ist der Übergang von Schule in den Beruf. Wir müssen gleichzeitig ansetzen.
Für die, die jetzt in den nächsten Jahren in die Schule kommen, gilt: Die frühkindliche Bildung ist deutlich verstärkt, da wird jetzt mehr Wert darauf gelegt und wir haben etwa mit der Initiative "Haus der kleinen Forscher" dazu auch noch einmal Anregung gegeben.
Die zweite wichtige Stelle sind aber in der Tat die, bei denen in Klasse sieben künftig festgestellt werden soll, wo sind denn die Stärken, wo sind die Schwächen, darüber mit den Eltern gesprochen wird, dann 14 Tage Möglichkeiten, in einem Berufsfeld sich umzuschauen. Wir haben das in den letzten Jahren in einigen Regionen in Deutschland schon ausprobiert und das Ergebnis war: Diese Jugendlichen sind besser motiviert, sie gehen in die Schule zurück mit mehr Kenntnis über das, was einmal auf sie zukommt. Das wird flächendeckend eingeführt.
Also nicht mehr gefährdete Jugendliche, wenn sie denn keinen Abschluss gemacht oder einen schwachen Abschluss gemacht haben, in ein Übergangssystem schicken, sondern vorher dafür sorgen, dass sie begleitet werden - dafür werden Berufseinstiegsbegleiter zur Verfügung gestellt -, dass sie wirklich an ihren Stärken arbeiten können.
Pindur: Wie hat man sich diese Berufseinstiegsbegleiter denn vorzustellen? Sind das Arbeitgeber oder sind das besonders ausgebildete Pädagogen?
Schavan: Das sind Menschen mit Erfahrung, die aus einem Beruf kommen. Schon heute wird an einigen Stellen diese Art von Patenschaft, kann man ja auch sagen, praktiziert. Aber wir sagen, wir wollen professionelle und ehrenamtliche, oder besser gesagt haupt- und ehrenamtlich jeweils professionelle Erwachsene, die sagen, bei jenen Jugendlichen, die sich besonders schwer tun, wir begleiten diese Jugendlichen eine Zeit lang, denn wir dürfen nicht vergessen, es gibt Jugendliche, die bis hin zur Bewerbung niemanden haben, der sie begleitet. Begleiter, die ermutigen, die auch fordern, die Jugendlichen helfen, an ihren Schwächen und Stärken zu arbeiten, die ihnen helfen, den richtigen Berufseinstieg zu finden, also auch die richtige Berufswahl.
Pindur: Die Arbeitgeber klagen ja schon seit Jahren darüber, dass viele Jugendliche eben trotz Schulabschluss dann auch gravierende Bildungsmängel haben. Was läuft denn da an den Schulen falsch?
Schavan: Das ist in der Tat ein Thema seit vielen, vielen Jahren. Das ist überhaupt nicht neu und deshalb haben wir uns ja jetzt zusammengesetzt mit den Arbeitgebern, mit den Gewerkschaften, mit Vertretern der beruflichen Bildung, wirklich alle an einen Tisch geholt und gesagt, wir brauchen jetzt ein Konzept, damit wirksam gegengesteuert werden kann, denn in den nächsten Jahren wird die Bevölkerungsentwicklung so sein, dass spätestens jetzt jedem klar sein muss, wir brauchen jeden Jugendlichen, und für die Jugendlichen selbst ist der Berufseinstieg wichtig.
Ich glaube, die Individualisierung der Maßnahmen ist wichtig, also nicht mehr alleine auf Institutionen setzen, sondern frühzeitig erkennen, welcher Jugendliche ist gefährdet, diesem Jugendlichen frühe Berufsorientierung zu geben und ihm auch zu sagen, woran er arbeiten muss, also nicht zu warten, bis es passiert ist, ihm zu sagen, was er lernen muss, ihm zu sagen, worauf er achten muss, unmittelbare Begleitung. Davon sagen alle, die sich damit beschäftigt haben, das könnte jetzt tatsächlich der richtige Weg sein, damit endlich wir dazu kommen, dass jeder Jugendliche einen Schulabschluss macht, der dann auch in eine qualifizierte Ausbildung führt.
Pindur: Individuelle Betreuung ist also der Schlüssel dafür. Als problematisch gelten ja die Hauptschulen. Da haben es viele schwer, dann von der Hauptschule kommend einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Wie wertet man die Hauptschulen denn auf oder den Hauptschulabschluss?
Schavan: Indem genau auf diese Gruppe der Schülerinnen und Schüler jetzt der Schwerpunkt Maßnahmen gelegt wird unserer Maßnahmen, gefährdeten Hauptschülerinnen und Hauptschülern helfen, denn das hat nicht so sehr mit dem Lehrplan der Hauptschule zu tun, oder mit der Hauptschule, sondern das sind häufig junge Leute aus ganz schwierigen Lebenskontexten, aus ganz schwierigen Erfahrungen heraus haben sie den Mut verloren, oder auch die Disziplin verloren, die notwendig ist, um zu einem qualifizierten Abschluss zu kommen.
Hier muss die Bildungskette besonders stark sein. Das – davon bin ich überzeugt – wird dann auch zeigen, dass natürlich ein qualifizierter Abschluss an der Hauptschule in eine Ausbildung führt, also nicht die Institution allein verantwortlich ist, sondern verantwortlich ist eine Situation, in der Jugendliche nicht mehr wirklich lernen, was ihnen an Lernmöglichkeit angeboten wird.
Pindur: Das alles wird nicht zum Nulltarif zu haben sein. Was veranschlagen Sie denn an Kosten?
Schavan: Nun, wir werden ja in den nächsten Jahren insgesamt sechs Milliarden für Bildung ausgeben, der Schwerpunkt soll liegen in mehr Bildungsgerechtigkeit und deshalb gehen wir jetzt erst einmal davon aus, dass in den nächsten Jahren mit rund 300 Millionen zu rechnen ist.
Pindur: Vielen Dank für das Gespräch! Bundesbildungsministerin Annette Schavan. Heute verabschiedet die Bundesregierung den Berufsbildungsbericht.