Bestattungskultur
Nach dem Tod ein Diamant sein? Nicht alle finden, dass ein solches Schmuckstück eines Menschen würdig ist. © picture alliance / KEYSTONE / ALEXANDRA WEY
Oma ist jetzt ein Diamant

Wie beerdigen wir unsere Toten? Über die Bestattungskultur in Deutschland wird immer wieder diskutiert. Was erlaubt ist und was nicht, ist von Bundesland zu Bundesland verschieden. Rheinland-Pfalz geht mit einer Reform voran.
Die deutsche Bestattungskultur ist in stetem Wandel. Noch vor wenigen Jahrzehnten war es die Regel, Verstorbene in einem Sarg auf dem Friedhof zu beerdigen. Das ist inzwischen fast zur Ausnahme geworden: Nur noch eine von vier Beisetzungen in Deutschland ist eine Erdbestattung – Tendenz weiter sinkend. Rund drei Viertel aller Verstorbenen werden hingegen verbrannt. Als Grund dafür gilt unter anderem, dass die Grabpflege weniger aufwendig ist und die Einäscherung unterschiedliche Bestattungsformen möglich macht – wie Bestattungen zur See oder in einem dafür ausgewiesenen Waldstück.
Daneben gibt es noch einige weitere Bestattungsformen – was genau erlaubt ist und was nicht, haben die Bundesländer unterschiedlich geregelt. Ab und an gibt es politische Initiativen, das Bestattungsrecht zu ändern, und oft enden diese in grundsätzlichen Debatten, weil das Thema weltanschauliche und religiöse Fragen berührt. Der Wunsch nach individuellen Gestaltungsräumen trifft dabei auf die Sorge, dass Totenruhe und Würde der Verstorbenen verletzt werden könnten und die kirchlich geprägte Bestattungskultur in Deutschland verloren geht.
Inhalt
Vorreiter: Rheinland-Pfalz
Zuletzt hat Rheinland-Pfalz sein Bestattungsrecht geändert – und dieses gilt nun als das liberalste in Deutschland. In dem Bundesland wurde der Friedhofszwang für Totenasche weitgehend aufgehoben. Angehörige dürfen die Asche zu Hause aufbewahren, sie aufteilen oder auf dem Privatgrundstück verstreuen.
Erlaubt sind nun auch Flussbestattungen in Rhein, Mosel, Lahn und Saar sowie das Pressen der Asche zu Schmuckstücken. Die bei muslimischen Beerdigungen mögliche Tuchbestattung ist nun auch unabhängig vom Glauben zulässig. Wichtig: Diese neuen Bestattungsformen sind nur möglich, wenn der oder die Verstorbene dies ausdrücklich zu Lebzeiten festgelegt hat.
Die anderen Bundesländer
Eine Reform wie in Rheinland-Pfalz steht in den anderen Bundesländern derzeit nicht zur Debatte. Nach wie vor gilt ein weitgehender Friedhofszwang – für unverbrannte Leichname genauso wie für Totenasche.
Neben Sarg- und Feuerbestattungen sind in allen Ländern inzwischen Seebestattungen und Beisetzungen auf Naturfriedhöfen möglich, sofern diese Orte entsprechend ausgewiesen sind. Die meisten Bundesländer haben auch die Sargpflicht gelockert, um Tuchbestattungen aus religiösen Gründen wie im Islam und im Judentum zu ermöglichen.

Urnenbestattung ist beliebter als Sargbestattung. Aber sollte die Urne auch zu Hause stehen dürfen?© picture alliance / dpa / Andrea Warnecke
Unterschiede zwischen den Ländern gibt es dennoch. Bremen war 2015 das erste Bundesland, das es unter bestimmten Voraussetzungen erlaubte, die Asche eines Verstorbenen auf privaten oder öffentlichen Grundstücken zu verstreuen. In Sachsen-Anhalt ist es neuerdings möglich, einen kleinen Teil der Totenasche aus der Urne zu entnehmen und zu Schmuck verarbeiten zu lassen. Und in Schleswig-Holstein wird nach einer Modernisierung des Bestattungsgesetzes Ende 2024 die sogenannte Reerdigung erprobt, bei der Verstorbene mithilfe von Mikroorganismen innerhalb von 40 Tagen zu Erde umgewandelt werden sollen.
Argumente für ein liberales Bestattungsrecht
Hauptargument für einen liberalen Umgang mit Bestattungen ist die Erfüllung individueller Wünsche. Kirchen und andere gesellschaftliche Institutionen haben längst nicht mehr die Bindungskraft und normative Rolle wie früher, und wer in einer offenen Gesellschaft darüber entscheiden kann, wie er leben will, sollte dieses Recht auch im Tod haben, heißt es. Viele Menschen sähen einen Friedhof nicht mehr als den richtigen Ort für Trauer oder die eigene Beerdigung - so warb die SPD für die Reform des Bestattungsgesetzes in Rheinland-Pfalz. Die Menschen sollten mehr Entscheidungsfreiheit bei Leben, Tod, Abschied und Gedenken haben.
Argumente gegen ein liberales Bestattungsrecht
Die Urne mit nach Hause nehmen, die Asche zu Diamanten pressen lassen: Johann Hinrich Claussen, Pfarrer und Kulturbeauftragter des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, stellt solche Entwicklungen grundsätzlich infrage und verweist auf die Menschenwürde. Kein Mensch gehöre einem anderen: „Und das gilt auch für die Zeit nach dem Tode.“ Wenn jemand zum Diamanten werde, sei er Teil des „Hausrats“ der Ehefrau oder der Kinder: „Das finde ich befremdlich.“
Gegen die Urne zu Hause wird außerdem eingewandt, diese könnte irgendwann im Hausmüll landen. Legal wäre das nicht, aber es lässt sich auch nicht kontrollieren. Anders als ein Friedhof ist die private Ruhestätte auf dem Sims auch nicht allen Verwandten, Freunden oder Kollegen immer zugänglich. Und schließlich betrachten besonders konservative Kreise Friedhöfe noch immer als festen Bestandteil der Trauerkultur. Die Sorge um die Friedhöfe gilt als ein wichtiger Grund dafür, warum die Bundesländer bei Neuerungen im Bestattungsrecht eher zögerlich sind.
Welche weiteren Bestattungsformen noch im Gespräch sind
Zu den am häufigsten thematisierten alternativen Bestattungsformen gehört laut dem Stuttgarter Sozialministerium die sogenannte Reerdigung. Dabei wird der Leichnam in einem speziellen Behältnis unter Zusatz von pflanzlichem Material, Kohle, Wasser und Sauerstoff zersetzt. Das Verfahren ist noch nirgendwo in Deutschland zulässig, wird aber in Schleswig-Holstein erprobt. Eine andere Möglichkeit ist die sogenannte alkalische Hydrolyse. Hier wird der Leichnam in einem Druckbehälter unter Einwirkung von Lauge und Hitze in seine chemischen Bestandteile zerlegt. Doch auch diese Methode ist in Deutschland nicht legal.
Wie sich die Deutschen ihre letzte Ruhe vorstellen
Einer aktuellen Umfrage zufolge will nur noch ein Viertel der Menschen in Deutschland in einem Grab auf dem Friedhof bestattet werden. Vor zwölf Jahren wollte das noch etwa die Hälfte. Insbesondere der Wunsch nach einer Beisetzung im Sarg werde immer mehr zum Randphänomen, betont die Verbraucherinitiative Bestattungskultur Aeternitas, die die Forsa-Umfrage in Auftrag gegeben hat.
Demnach bevorzugt ungefähr ein Viertel der Befragten einen Bestattungswald. Am zweitbeliebtesten ist die pflegefreie Beisetzung auf einem Friedhof. Knapp ein Viertel der Befragten würde sich für die Verstreuung der Asche in der freien Natur (14 Prozent) oder die Aufbewahrung oder Beisetzung der Asche zu Hause oder im Garten (10 Prozent) entscheiden, wenn dies rechtlich möglich wäre. Eine Seebestattung favorisieren fünf Prozent.
ahe



















