Friederike Seyfried: Nofretete bleibt in Berlin

Friederike Seyfried im Gespräch mit Joachim Scholl · 21.12.2009
Die Direktorin des Ägyptischen Museums Berlin, Friederike Seyfried, sieht keinen Grund dafür, die Büste der Nofretete an Ägypten zurückzugeben. Sie reagierte damit auf ein entsprechendes Gesuch des Generaldirektors der Ägyptischen Antikenverwaltung, Zahi Hawass. Doch sei die Position des Ägyptischen Museums Berlin klar: "Von unserer Seite aus bleibt alles so, wie wir das bisher gehandhabt haben", sagte Seyfried.
Joachim Scholl: Diese Meldung wird Schlagzeilen machen: Heute Vormittag wurde bekannt, dass Ägypten die Büste der Nofretetete offiziell zurückfordern will, eines der kostbarsten Ausstellungsstücke der Welt. Seit knapp 100 Jahren ist die Büste der ägyptischen Königin im Besitz des Ägyptischen Museums in Berlin, untergebracht nun im jüngst eingeweihten Neuen Museum. Chefin des Ägyptischen Museums ist Friederike Seyfried, die sich just in Kairo zu Gesprächen mit ägyptischen Museumskollegen aufhält. Sie ist jetzt am Telefon. Ich grüße Sie, Frau Seyfried!

Friederike Seyfried: Ich grüße Sie, Herr Scholl!

Scholl: Die Nofretete zurück nach Ägypten: Was sagen Sie zu dieser Forderung?

Seyfried: Es überrascht mich nicht, und zwar einfach deshalb nicht, weil wir ja gewusst haben, dass Dr. Hawass die ganze Zeit diese Forderung im Raum hat stehen lassen, und insofern war es konsequent, dass er sagt, das habe ich schon immer gefordert und das werde ich jetzt eben wieder fordern. Also insofern, unter uns Ägyptologen wird das nicht jetzt so zu großen Verwunderungen führen, denn es ist einfach die Konsequenz seines jetzt jahrelangen Statements.

Scholl: Es ist der Generaldirektor der ägyptischen Antikenverwaltung, Zahi Hawass, den haben Sie gerade genannt, der diese Forderung nach Rückgabe nun erhebt, und er soll es sozusagen offiziell tun. Er beruft sich nämlich auf Dokumente, die ihm von Ihrem Museum, Frau Seyfried, zur Verfügung gestellt wurden. Sie sind extra deshalb nach Kairo gefahren, und jetzt solche Worte – fühlen Sie sich ein bisschen so, ja, im Affront?

Seyfried: Ach, im Affront, würde ich sagen, ist zu viel gesagt, er hätte es vielleicht etwas sanfter ausdrücken können. Aber letztlich die Dokumente, die ich gebracht habe, sind in unseren Kreisen alle bekannt, also es ist im Endeffekt nichts Neues. Er hat einfach wiederholt oder wiederholt momentan Dinge, die er von Anfang an so formuliert hat, und insofern ist das nur die Konsequenz, wie gesagt, seiner jahrelangen Statements. Wir haben letztlich nichts Neues gebracht, auch wenn er das oder wenn das in den Pressemeldungen jetzt momentan vielleicht so dargestellt wird. Ich denke, von unserer Seite aus bleibt alles so, wie wir das bisher gehandhabt haben.

Scholl: Aber nach jenen Dokumenten, Frau Seyfried, hätte der deutsche Ausgrabungsleiter Ludwig Borchert vor bald 100 Jahren falsche Angaben gemacht, um die Büste auszuführen. Ist da was dran?

Seyfried: Es ist folgendermaßen, dass in diesem Teilungsprotokoll, das übrigens der französische Beamte des Service de (???) ausgeführt hat, dort ist Nofretete an erster Stelle gesetzt gegenüber dem Klappaltar, und insofern sehen wir überhaupt nicht, dass da irgendetwas vermogelt wurde oder dementsprechend nicht exakt war. Also insofern, wir können das nicht nachvollziehen.

Scholl: Ich meine, nach deutscher Lesart belegen die Dokumente eindeutig, dass der preußische Staat die Büste rechtmäßig erworben hat, ...

Seyfried: Genau.

Scholl: ... aber wir geht das denn nun zusammen mit der ägyptischen Interpretation, da fasst man sich doch an den Kopf?

Seyfried: Also es ist einfach so, dass man sich da vielleicht in manchen Details unterschiedlich positioniert, aber letztlich sehe ich das so, dass wir von unserer Seite das nicht anders bewerten müssen als je zuvor. Es bleibt dabei, dass wir davon ausgehen, dass die Fundteilung vollkommen zu Recht erfolgt ist.

Scholl: Haben Sie denn mit Herrn Hawass schon gesprochen?

Seyfried: Ja, natürlich, wir hatten gestern zusammen uns unterhalten, ich habe ihm diese Dinge ja auch gegeben innerhalb einer relativ großen Runde von anwesenden Mitarbeitern, und wir hatten eigentlich einen sehr – ja, muss ich sagen – angenehmes Gespräch. Dass er bei seiner Position bleibt, ist letztlich wie gesagt nicht verwunderlich, und ich denke, wir müssen das nicht allzu dramatisch sehen.

Scholl: Haben Sie sich denn schon mit Ihren Kollegen in Berlin abgesprochen?

Seyfried: Ja, natürlich habe ich meinen Kollegen in Berlin informiert, und ich denke auch, wenn Sie genauere Statements haben möchten, dann müssten Sie sich bitte an Herrn Professor Parzinger auch wenden, der letztlich derjenige ist, der für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz in dieser Angelegenheit auch der verantwortliche ...

Scholl: Er ist der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, und ich denke, bei ihm wird auch das Telefon heißlaufen. Wir sprechen hier im Deutschlandradio Kultur mit Friederike Seyfried. Sie ist die Direktorin des Ägyptischen Museums in Berlin. Der Generaldirektor der Staatlichen Museen Berlin, Michael Eissenhauer, hat schon Anfang Dezember klar und deutlich formuliert: Die Nofretete, sie bleibt in Berlin, das ist selbstverständlich, daran gibt es gar keinen Zweifel. Ist das die offizielle Haltung ...

Seyfried: Ja.

Scholl: ... die jetzt auch von Ihnen eingenommen wird in den Gesprächen mit den ägyptischen Kollegen? Ich stelle mir das ein bisschen schwierig vor.

Seyfried: Also ich meine, die Situation ist bei solchen Sachen immer relativ schwierig. Denken Sie, im British Museum ist momentan, die gleiche Diskussion geht um den Rosetta-Stein. Man hat einfach Punkte, wo man unterschiedlicher Auffassung über einen Zustand ist, den muss man lösen, aber unsere Position ist klar. Wie gesagt, sehen Sie es vor dem Hintergrund, er hat das schon seit Jahren angekündigt, und nun wird er es wahrscheinlich tun, aber er kündigt es nach wie vor an. Vorliegen tut noch nichts. Dass das natürlich jetzt noch mal so von ihm lanciert wird, würde ich sagen, gehört zu der Art und Weise, wie er seine Anträge formuliert.

Scholl: Man könnte jetzt auch sagen, dass es ein strategischer Punkt ist, in dem Sinne, dass Sie jetzt gerade auch da sind. Seit Mitte August sind Sie Chefin des Ägyptischen Museums, es ist Ihr Antrittsbesuch, sozusagen Sie wollten verhandeln, jetzt kriegen Sie gleich das so auf den Tisch gelegt. Frau Seyfried, Sie haben sich auch immer dafür ausgesprochen, die Nofretete mal nach Ägypten auszuleihen. Vor dem Hintergrund jetzt dieser aktuellen Entwicklung, wäre eine solche Ausleihe wohl doch ein riskantes Unterfangen. Nachher kommt sie nie wieder.

Seyfried: Also erstens Mal habe ich mich nie dafür ausgesprochen, da legen Sie mir was Falsches in den Mund. Diese Sache mit der Ausleihe wurde mehrfach diskutiert, und da waren immer alle der Meinung, dass diese Sache schlichtweg – also ein Ausleihgesuch – nur anhand der konservatorischen Sicherheit des Objektes zu entscheiden ist. Und deshalb laufen diesbezüglich – oder wurden ja auch angestrengt – bestimmte Untersuchungen, die einfach zeigen müssen, in welchem Zustand befindet sich das Objekt, ist das Objekt transportfähig. Und diese Untersuchungen sind nicht abgeschlossen. Also ich habe nie befürwortet, dass sie ausreist, und ich habe immer gesagt, eine Ausleihe muss immer an den konservatorischen Erfordernissen eines Objektes, davon hängt es ab. Und da laufen Untersuchungen, und die sind nicht abgeschlossen.

Scholl: Ich meine, wir haben die Fernsehbilder noch gut im Kopf, wie die Büste jetzt im Herbst von einem Berliner Stadtteil in den anderen gebracht wurde. So ein Hochsicherheitstransport war das, über drei Kilometer ... Bitte?

Seyfried: Da muss man einfach sagen, das Objekt ist so fragil, das braucht wirklich jedweden Schutz, und insofern kann man auch über diesen Punkt erst mal noch gar nicht diskutieren.

Scholl: Als Sie letzte Woche nach Ägypten gefahren sind, Frau Seyfried, hieß es, dass über die Nofretete gar nicht verhandelt werden soll. Ich vermute, dass es jetzt kein anderes Thema mehr gibt. Morgen wird jede deutsche Tageszeitung vermutlich auf der ersten Seite melden, dass die Ägypter die Nofretete zurück wollen. Da gibt es nun kein Vertun, das ist im medialen Geschäft so, das wird zum Politikum. Hat Herr Westerwelle schon bei Ihnen angerufen?

Seyfried: Nein, er hat bei mir noch nicht angerufen, aber wenn, dann müsste er sich, glaube ich, auch mit Herrn Parzinger in Verbindung setzen. Er kann sich natürlich auch mit mir in Verbindung setzen, dann kann ich ihm von dem Gespräch mit Zahi Hawass natürlich auch berichten.

Scholl: Und Sie würden ihn beruhigen und sagen, alles heiße Luft?

Seyfried: Na ja, also ein solches Gesuch ist natürlich vielleicht nicht nur heiße Luft, aber ich würde sagen, unsere Positionen sind klar und ich sehe auch nicht, dass man da irgendetwas zu befürchten hat.

Scholl: Ich meine aber trotzdem, man könnte das ja schon zuspitzen, dass da so ein kleiner Kulturkampf droht. Sind denn diese Gespräche freundlich und nett und herzlich, so wie Sie sie schildern?

Seyfried: Also gestern waren die Gespräche sehr freundlich, muss ich sagen, und sehen Sie mal, meine Reise hierher nach Kairo hatte zwei Gründe: Nämlich einmal, dass ich mich dort als Direktorin des Ägyptischen Museums vorstelle, anbiete, dass wir einfach gut zusammenarbeiten, das Ägyptische Museum Berlin mit den Museen und dem Antiken Dienst in Ägypten, dass wir da verschiedene Projekte gerne anschieben würden, und das kam auch sehr gut an.

Und gleichzeitig habe ich gesagt, in der anderen Angelegenheit, da sollte ich ja diese Dokumente mitbringen, was ich ja auch getan habe, die wie gesagt alle bekannt sind, da habe ich gesagt, in diesem Fall bin ich nur wie eine Art Kurier in der Angelegenheit dieser Dokumentübergabe, alles Weitere, was da zu entscheiden ist, ist schlichtweg in den Händen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Und dafür steht dann logischerweise der Präsident zur Verfügung.

Scholl: Bleibt die Nofretete in Berlin? Das war Friederike Seyfried, die Direktorin des Ägyptischen Museums in Berlin. Sie ist derzeit zu Verhandlungen in Kairo.