Friedensnobelpreis für Maria Ressa und Dmitri Muratow

Meinungsfreiheit fällt nicht vom Himmel

06:07 Minuten
Dmitry Andreyevich Muratov und Maria Ressa als illustrierte Zeichnungen.
Vorbilder in Sachen Wagemut: Dmitri Muratow und Maria Ressa. © © Nobel Prize Outreach / Niklas Elmehed
Daniel Hornuff im Gespräch mit Jana Münkel |
Audio herunterladen
Der Friedensnobelpreis geht an eine Journalistin und einen Journalisten, weil sie sich für die Meinungsfreiheit eingesetzt haben. Der Kulturwissenschaftler Daniel Hornuff begrüßt die Entscheidung uneingeschränkt: Hier werde besonderer Wagemut geehrt.
Die philippinische Journalistin Maria Ressa und der russische Journalist Dmitri Muratow erhalten in diesem Jahr den Friedensnobelpreis. Das gab das norwegische Nobelkomitee bekannt. Ressa und Muratow werden für ihre Verdienste um die Meinungsfreiheit geehrt. Diese sei eine Voraussetzung für Demokratie und dauerhaften Frieden, sagte die Vorsitzende des Komitees, Berit Reiss-Andersen, in Oslo.

Manipulation der Presse und des Diskurses

"Es ist ironisch, dass wir in der heutigen Welt mehr Presse und mehr Informationen haben, als die Welt je erlebt hat", sagte Reiss-Andersen. "Gleichzeitig sehen wir den Missbrauch und die Manipulation der freien Presse und des öffentlichen Diskurses."
Der Nobelpreis werde die Probleme nicht lösen, mit denen Journalisten und die Meinungsfreiheit konfrontiert seien. "Aber wir hoffen, dass er Licht auf die Bedeutung der Arbeit von Journalisten wirft, und auch darauf, wie gefährlich es ist, die Meinungsfreiheit auszuüben – nicht nur an Orten, die derzeit Krieg und Konflikt erleben, sondern überall auf der Welt."
Der Kulturwissenschaftler Daniel Hornuff hält Ressa und Muratow für eine gute Wahl – und schließt sich auh der Begründung der Komitees an. Die Meinungsfreiheit sei überhaupt "das Thema unserer Tage", betont er. Er freue sich darüber, dass es nun ins Zentrum gerückt werde.
Dass zwei Einzelpersonen und keine Organisation ausgezeichnet wurde, hält Hornuff beim Thema Meinungsfreiheit ebenfalls für richtig. Der Einsatz für die Meinungsfreiheit sei in vielen Regionen der Welt stark mit persönlichem Einsatz und der Gefahr für das eigene Leben verbunden, betont er. Vergleichsweise unbekannte Persönlichkeiten zu ehren heiße, ihren besonderen Wagemut zu betonen und sie zu Vorbildern zu machen.

Besonderer Schutz für Ressa und Muratow

Durch den Nobelpreis entstehe nun vermutlich auch ein besonderer Schutz für Ressa und Muratow, sagt der Kulturwissenschaftler. Allein dieser Effekt zeige, dass Presse- und Meinungsfreiheit nicht gottgegeben seien und einfach vom Himmel fielen.
"Diese Grundrechte, diese Freiheitsrechte, müssen immer erstritten, erkämpft, durchgesetzt, gegen andere Interessen behauptet werden", betont Hornuff. Auch Christopher Resch von der Organisation Reporter ohne Grenzen sieht in der Preisvergabe eine "enorm starke Botschaft für die Bedeutung der Pressefreiheit" und erkennt darin einen "Aufruf zur Mobilisierung gegen die Verbreitung von Desinformation und Hassrede" (AUDIO) .
Maria Ressa  auf dem roten Teppich bei der Time 100 Gala in New York City 2019. TIME 100 feierte der 100 einflussreichsten Menschen der Welt.
Scharfe Kritikerin des philippinischen Präsidenten Duterte: Maria Ressa bei der "Time 100 Gala" in New York 2019.© imago / UPI Photo / John Angelillo
Die mehrfach ausgezeichnete Philippinerin Maria Ressa (58) ist Chefredakteurin des Nachrichtenportals Rappler. Sie ist als scharfe Kritikerin des philippinischen Präsidenten Rodrigo Duterte bekannt. Als der im vergangenen Jahr gewählt wurde und seinen blutigen Antidrogen-Krieg begann, mit Tausenden von Toten, nahm sie sich vor, furchtlos zu berichten.
Im vergangenen Jahr war sie in einem Verleumdungsprozess zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden. Die Journalistin ging aber in Berufung und ist auf Kaution in Freiheit. Ressa, die in den vergangenen Jahren immer wieder vorübergehend verhaftet worden war, wies die Beschuldigungen als politisch motiviert zurück. Das US-Nachrichtenmagazin "Time" hatte sie 2018 bereits zusammen mit anderen Journalisten als "Person des Jahres" geehrt.
Der russische Journalist Dmitri Muratower nach der Bekanntgabe, dass er den Friedensnobelpreis erhält.
Kein Freund des Kreml: Dmitri Muratow.© AFP
Dmitri Muratow ist Chefredakteur der Zeitung Nowaja Gaseta, der einzigen, stets wirklich unabhängigen Redaktion in Russland. Er hat sich mit der Demokratiebewegung in Belarus solidarisiert. Muratow kritisierte in der Vergangenheit zudem öffentlich die Politik des Kreml auf der von Russland 2014 annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim.
Der Friedensnobelpreis sei das Verdienst der Kollegen, sagte Muratow. Er will die Geldprämie, die mit dem Nobelpreis verbunden ist, nun für die Entwicklung des unterdrückten Journalismus in seinem Land einsetzen. "Wir werden versuchen, Leuten zu helfen, die jetzt drangsaliert und aus dem Land vertrieben werden", sagte der 59-Jährige dem unabhängigen Portal Meduza.

Signal gegen Desinformation und Hassrede

Die Vergabe des Friedensnobelpreises an Ressa und Muratow stieß international auf ein großes Echo. Dies zeige, wie wichtig die Arbeit von Journalisten in schwierigen Zeiten sei, hieß es vom Menschenrechtsbüro der Vereinten Nationen. Auch die Bundesregierung gratulierte den Preisträgern.
Der Friedensnobelpreis wird als einziger Nobelpreis nicht in Stockholm, sondern in Oslo verliehen. Er gilt als die renommierteste politische Auszeichnung der Welt. 329 Kandidaten – 234 Persönlichkeiten und 95 Organisationen – waren in diesem Jahr nominiert. Die Namen der Nominierten werden traditionell 50 Jahre lang geheimgehalten.

Nach welchen Kriterien vergibt das Stockholmer Komitee den Friedensnobelpreis? Welche Idee von Frieden steht dahinter? Der Philosoph Stefan Gosepath erläutert die Bandbreite, innerhalb derer sich Menschen einen Begriff vom Frieden machen (AUDIO). Das Komitee pflegt demnach einen extrem weiten Friedensbegriff – es vergibt den Preis an Persönlichkeiten, die Gutes für andere Menschen bewirken. Aus Gosepaths Perspektive sind wir aufgerufen, sie dabei zu unterstützen. Jeder sei dafür verantwortlich, Frieden zu schaffen, betont der Philosoph.

Der Philosoph und Autor Stefan Gosepath auf der phil.Cologne in Köln
© picture alliance / dpa / Horst Galuschka
(Online-Redaktion mit dpa)
Mehr zum Thema