Nachwuchsradrennen

Was von der Friedensfahrt in Tschechien geblieben ist

06:05 Minuten
Szene aus der Friedensfahrt 2003 durch Tschechien: Der im Gelben Trikot fahrende deutsche Radprofi Danilo Hondo (Mitte) vom Team Telekom überquert als Erster die Ziellinie.
Seit 1993 fand die Friedensfahrt meist in Tschechien statt (hier eine Szene vom Rennen im Jahr 2003). © dpa / picture alliance / Dan Krzywon
Von Marianne Allweiss · 07.05.2023
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Tschechien, Polen, DDR: Die internationale Friedensfahrt für Amateurradsportler fand erstmals vor 75 Jahren statt. 2006 gab es sie zwar zum letzten Mal, doch in Tschechien lebt die Idee weiter – mit Nachwuchsrennen.
Die weiße Friedenstaube von Pablo Picasso war ihr Zeichen. Die Fanfare des deutschen Komponisten Paul Noack-Ihlenfeld ihre Melodie.
Dabei hätte die erste Friedensfahrt fast gar nicht stattgefunden. Denn zwei Sportjournalisten aus Tschechien und Polen hatten unabhängig voneinander die Idee zu einem länderübergreifenden Radrennen.
Auf Start und Ziel konnten sie sich allerdings nicht einigen und so fanden im Jahr 1948 gleich zwei Rennen statt, eines von Warschau nach Prag und eines in entgegengesetzter Richtung.

Die DDR war ab 1952 bei der Friedensfahrt dabei

Doch schon im Jahr danach traten die Rennfahrer gemeinsam in die Pedale, 1950 wurde aus der sogenannten „Slavjantour“ die „Friedensfahrt“ - auf Tschechisch „Zavod Miru“.
1952 stieß auch die DDR dazu. Das Etappenrennen verband fortan Warschau, Prag und Ost-Berlin, in wechselnder Reihenfolge, immer im Mai.
In Ostdeutschland wurden Fahrer wie Täve Schur durch ihren Sieg zur Legende. In der Tschechoslowakei Jan Vesely. Die beiden Radsportler waren befreundet. 
Vesely: "Wir als Rennfahrer hatten keine Erfahrung. Wir konnten im Winter auch nicht an warmen Orten trainieren, nur bei uns. Die Organisatoren hatten auch Probleme, aber die Atmosphäre war wirklich ausgezeichnet und die Moral sehr hoch."

Hoher Druck auf die Fahrer aus dem Ostblock

Für die Fahrer hinter dem Eisernen Vorhang war die Friedensfahrt das größte Rennen, an dem sie teilnehmen konnten. Im Westen durften sie nicht starten. Andersherum war das möglich, erklärt der ehemalige tschechische Radprofi Leopold König.

Es war eine Art Werbemaßnahme für die sozialistischen Staaten, so wie wir heute russische Sportler bei allen möglichen Veranstaltungen sehen. Machen wir uns nichts vor: Sport ist einfach eine Propaganda für den Staat.  

Radprofi Leopold König

Auch der Druck auf die Fahrer aus dem Ostblock war enorm. Sie sollten am besten immer gewinnen und immer fahren - 1986, kurz nach der Atomkatastrophe von Tschernobyl, startete die Tour nur rund 100 Kilometer entfernt in Kiew.
Fast alle westlichen Teilnehmer zogen zurück, nicht aber die aus der DDR. Nur ein einziges Mal verweigerte sich ein Land der Tour. Die Tschechoslowakei war 1969 nicht dabei - aus Protest gegen die Niederschlagung des Prager Frühlings durch sowjetische Truppen.   

Rennen fand nach 1993 meist in Tschechien statt

König: „Früher wurde die Fahrt aus den nationalen Haushalten finanziert. Nach dem Sturz der kommunistischen Regime war die Lage eine völlig andere: Die Organisatoren mussten die Mittel für so ein anspruchsvolles Rennen selbst auftreiben - und es war kein Geld mehr da.“
Leopold König ist heute 35 Jahre alt. Er hätte bei der letzten Friedensfahrt 2006 starten sollen, war da schon Profi, aber noch mitten im Abitur und sagte die kräftezehrende Teilnahme ab.
Leopold König
Leopold König ist Rennleiter der Friedensfahrt in Tschechien als U23-Veranstaltung. © Marianne Allweiss
Seit 1993 fand das Rennen meist in Tschechien statt, nur zum Teil führten Etappen noch durch Polen oder Deutschland. Fahrer aus dem ehemaligen Ostblock konnten bald auch in internationalen Teams trainieren und alle anderen großen Rennen fahren.

Schwierige Suche nach Sponsoren

Außerdem gestaltete sich die Suche nach Sponsoren als schwierig, genau wie die Kooperation zwischen den Organisatoren, dem früheren Rad-Rennfahrer und Stasi-Offizier Jörg Strenger und Pavel Dolezel für die tschechische Seite. 2005 war die Friedensfahrt zum ersten Mal ausgefallen.   
Dolezel: „Das ist eine kleine Historie. Die letzten drei Jahre, das war keine gute Zusammenarbeit.“
2013 wurde die Friedensfahrt in Tschechien wiederbelebt, jedoch als U23-Veranstaltung unter dem französischen Namen „Course de la Paix“. Sie findet im Juni im Altvatergebirge statt. Aktueller Rennleiter ist Leopold König.

Mehrere Friedensfahrten für den Nachwuchs

König: „Das Gebirge bietet die besten Bedingungen für Profirennen in Tschechien – vergleichbar mit den Alpen und Pyrenäen. Jedes Jahr sind die größten Talente am Start. Die besten zehn Fahrer werden für die weltbekannten Touren ausgewählt – auch nach den Ergebnissen dieses Rennens.“
Friedensfahrten für den jüngeren Nachwuchs gibt es in Tschechien gleich drei. Zum Teil haben sie Wurzeln in den 50er-Jahren, seit den 70ern finden sie regelmäßig im Mai als mehrtägige Rennen in Tschechien statt.
Die Zavod Miru Junioriu für 17- und 18-Jährige rund um Terezin/Theresienstadt führt in einer Etappe auch über die Grenze nach Deutschland ins Erzgebirge. Häufiger Gast ist die DDR-Radsportlegende Täve Schur. Die 15- und 16-Jährigen starten in Jevicko.

Große Friedensfahrt wohl ohne Neuauflage

Die noch Jüngeren fahren rund um Lanskroun. Ernsthafte Pläne für eine Neuauflage der großen Friedensfahrt gibt es in Tschechien nicht. Ex-Radprofi König findet es zwar schade, dass es dieses Rennen nicht mehr gibt. Er hat jedoch andere Träume, denn alle früheren Friedensfahrt-Länder haben nun eigene nationale Touren.   
König: „In dem Rennen bis 23 Jahre können wir im Augenblick nicht weiter expandieren und die Friedensfahrt als Elite-Rennen aufzubauen, das halten wird nicht für sinnvoll. Daher konzentrieren wir uns auf den Ausbau unserer anderen Marke, der Czech Tour.“

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