Frida Nilsson: „Sem und Mo im Land der Lindwürmer“

Brüder im Kampf gegen das Böse

06:16 Minuten
Auf dem Cover ist eine gemalte Szene zu sehen: Zwei Jungen, von hinten betrachtet, stehen in einem Wald an einem Weiher und blicken auf ein Schloss am Horizont.
© Gerstenberg Verlag

Frida Nilsson

Aus dem Schwedischen von Friederike Buchinger

Sem und Mo im Land der LindwürmerGerstenberg, Hildesheim 2022

400 Seiten

22,00 Euro

Von Sylvia Schwab · 24.06.2022
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Die beiden Waisenjungen Sem und Mo laufen vor ihrer tyrannischen Tante weg und landen bei der bösen Lindwurmkönigin. Frida Nilsson greift in ihrer Fantasygeschichte auf altbekannte Motive zurück, erweitert sie aber um existenzielle Fragen.
Die beiden Waisen Sem und Mo, acht und elf Jahre alt, werden von ihrer bösen Tante Tyra so brutal ausgenutzt, dass sie eines Tages weglaufen. Auf der Flucht treffen sie eine Ratte, die den Jungen ein paradiesisches Leben bei ihrer Königin Indra verspricht.
Denn Indra wünscht sich seit Langem sehnlichst ein Kind. Die Brüder folgen der Ratte also durch einen unterirdischen Gang und landen im Land der Lindwürmer.

Die böse, arme Lindwurmkönigin

Hier lebt die Lindwurmkönigin Indra in einem uralten Schloss mit vielen Tieren, die sie zu Dienern verzaubert hat. Indra ist glücklich über den kleinen Mo und verwöhnt ihn maßlos. Doch wie Sem, aus dessen Perspektive die Geschichte erzählt wird, schließlich herausfindet, macht Indra das nicht aus Liebe.
Sie braucht Mos Blut, um selbst ein fruchtbares Ei legen zu können. Sem steht vor einer riesigen Herausforderung: Um Mo zu befreien, muss er mit dem Lindwurm kämpfen.
Eng ist das alles an die Entwicklung der beiden Jungen geknüpft: Sem vom verantwortungsbewussten großen Bruder zum mutigen Krieger für die Freiheit und Mo vom ängstlichen kleinen Jungen zum eigensinnigen Vertreter seiner Bedürfnisse. 

Altbekannte Motive neu erzählt

Frida Nilsson greift in ihrer neuen Geschichte auf altbekannte Themen und Motive zurück: Die durch einen Geheimgang verbundenen Parallelwelt, die Waisenjungen, die böse Tante, der zaubernde Lindwurm.
All das sind traditionsreiche Größen aus der Welt der Märchen, Mythen und Fantasy von Autor*innen wie Astrid Lindgren, Michael Ende oder Cornelia Funke. Und auch die 1979 geborene Schwedin knüpft an existentielle Themen an: Gut und Böse, Leben und Tod, Identität und Wahrheit.
Und doch hebt sich dieser Fantasy-Roman in mehrfacher Hinsicht ab. Da ist Sems ernste Reflexion über die Frage, was Tiere und Menschen dürfen und was nicht? Wie steht es mit dem Umgang von Wahrheit und Gerechtigkeit? Und wie behandelt man Kinder auf Augenhöhe, wenn es um existenzielle Fragen und Werte geht? Schließlich begreift auch Sem die Tragik eines Lebewesens, das kinderlos sterben wird.

Großes erzählerisches Gespür

Frida Nilsson beweist erneut ihr großes erzählerisches Gespür und auch Humor, mit dem sie das Böse ins Lächerliche und Indras Macht und Größe ins Komische zieht. Erzählt wird die Geschichte in einer altmodischen Sprache, die aber nie altbacken ist.
Die Schwedin baut in einem ruhigen, liebevollen, manchmal sogar poetischen Ton eine Art geborgenen Raum um die beiden elternlosen Jungen. Gefahren und Abenteuer, Bedrohung und Ängste verlieren so zwar nicht ihren Schrecken, aber man spürt von Anfang an: Alles wird gut.
Diese innere Ruhe und Sicherheit strahlen auch die Umschlagbilder, das Vorsatzblatt und die zarten kleinen Vignetten des Bilderbuchkünstlers Torben Kuhlmann aus. Ein rundum tolles Buch!
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