Freundschaft im ehemaligen Sperrbezirk
Es geht um die Beziehung zwischen zwei Schulfreunden in einem DDR-Grenzdorf an der Elbe. Sie haben zu DDR-Zeiten eine höchst unterschiedliche Entwicklung durchlaufen und sich nie mehr gesehen. Erst 17 Jahre nach dem Mauerfall berühren sich ihre Kreise wieder, natürlich da, wo sie aufgewachsen sind, in Stolpau im Amt Neuhaus.
Jo Brüggemann, Sohn des ehemaligen und atmosphärisch immer noch als solcher fungierenden SED-Kreisleiters, ist inzwischen Polizeikommissar in Hamburg. Jens Lewin war zwei Jahre lang im DDR-Knast, erlebte dort auch die Grenzöffnung und schaffte es nach etlichen leerlaufenden Jahren, in Göttingen Zeitungsredakteur zu werden.
Wir erfahren lange nicht, um was es eigentlich geht. Es muss ein tiefes, ein existenzielles Zerwürfnis zwischen den beiden gegeben haben. Jo Brüggemann fährt ziemlich häufig nach Stolpau, um seinen Großvater zu pflegen. Und Jens Lewin fasst plötzlich den Entschluss, die Kneipe seiner Eltern in Stolpau zu übernehmen – seine Frau Anne überredet ihn dazu, doch sie weiß von nichts. Was Jens mit Jo verbunden hat und was ihn nun so abgrundtief von ihm trennt, hat er ihr nie gesagt.
Der Autor entwickelt einige gute Ideen. Die Mentalität im ehemaligen Sperrbezirk, die Eigenarten der nachwirkenden DDR sind atmosphärisch dicht beschrieben. Und dass der junge Jens in der DDR Freundschaft mit dem als "asozial" gebrandmarkten viel älteren Fotografen Petr Jablonski schließt, hat etwas von einer wunderbaren Pubertätsgeschichte, von einer Initiation durch Kunst. In den kleinen Szenen beherrscht Jan Böttcher meist die Kunst des Weglassens. Er will aber noch mehr: er will das opulenteste Breitbandformat, den großen Konflikt, die großen Gefühle. Deswegen setzt er in der Handlung immer noch eins drauf. Erzähltechnisch wird das zum Problem.
Die Geschehnisse von früher, aus denen der Autor ein großes Geheimnis zu machen versucht, werden stückweise nachgereicht, in erklärenden Rückblende-Sätzen, die eher willkürlich und gekünstelt wirken. Und im Lauf der Zeit wird die Filmmusik dann doch zu unheilsschwanger, schäumen die Streicher doch zu gewittrig auf. Es kommt ganz dick. Und schließlich die pathetisch aufgeladenen Kafka-Anleihen: der "Landmesser", der Jens nachts auf dem Deich schicksalsträchtig und traumwandlerisch begegnet, oder das "Urteil", das Jens dräuend über sich verhängt sieht. Das ist alles zuviel, da wäre weniger wirklich viel mehr gewesen.
Rezensiert von Helmut Böttiger
Jan Böttcher: Nachglühen. Roman.
Verlag Rowohlt Berlin. 256 Seiten, 19,90 €
Wir erfahren lange nicht, um was es eigentlich geht. Es muss ein tiefes, ein existenzielles Zerwürfnis zwischen den beiden gegeben haben. Jo Brüggemann fährt ziemlich häufig nach Stolpau, um seinen Großvater zu pflegen. Und Jens Lewin fasst plötzlich den Entschluss, die Kneipe seiner Eltern in Stolpau zu übernehmen – seine Frau Anne überredet ihn dazu, doch sie weiß von nichts. Was Jens mit Jo verbunden hat und was ihn nun so abgrundtief von ihm trennt, hat er ihr nie gesagt.
Der Autor entwickelt einige gute Ideen. Die Mentalität im ehemaligen Sperrbezirk, die Eigenarten der nachwirkenden DDR sind atmosphärisch dicht beschrieben. Und dass der junge Jens in der DDR Freundschaft mit dem als "asozial" gebrandmarkten viel älteren Fotografen Petr Jablonski schließt, hat etwas von einer wunderbaren Pubertätsgeschichte, von einer Initiation durch Kunst. In den kleinen Szenen beherrscht Jan Böttcher meist die Kunst des Weglassens. Er will aber noch mehr: er will das opulenteste Breitbandformat, den großen Konflikt, die großen Gefühle. Deswegen setzt er in der Handlung immer noch eins drauf. Erzähltechnisch wird das zum Problem.
Die Geschehnisse von früher, aus denen der Autor ein großes Geheimnis zu machen versucht, werden stückweise nachgereicht, in erklärenden Rückblende-Sätzen, die eher willkürlich und gekünstelt wirken. Und im Lauf der Zeit wird die Filmmusik dann doch zu unheilsschwanger, schäumen die Streicher doch zu gewittrig auf. Es kommt ganz dick. Und schließlich die pathetisch aufgeladenen Kafka-Anleihen: der "Landmesser", der Jens nachts auf dem Deich schicksalsträchtig und traumwandlerisch begegnet, oder das "Urteil", das Jens dräuend über sich verhängt sieht. Das ist alles zuviel, da wäre weniger wirklich viel mehr gewesen.
Rezensiert von Helmut Böttiger
Jan Böttcher: Nachglühen. Roman.
Verlag Rowohlt Berlin. 256 Seiten, 19,90 €