Freude an Farben und Körpern
Bei den Kritikern ist Norbert Bisky umstritten. Manche werfen ihm vor, den DDR-Sozialismus durch seine Bilder zu verharmlosen. Das Haus am Waldsee Berlin lädt mit seiner Ausstellung nun zu einer kritischen Diskussion ein. Die Retrospektive zeigt Werke Biskys im Zusammenhang mit seinen künstlerischen Wurzeln.
Eine riesige Woge rollt auf den Betrachter zu, so breit wie die ganze Leinwand, stolze vier Meter, darüber ein nachtblauer Himmel. Im Vordergrund knicken schon die Strommasten, ihre Drähte wirbeln als rotglühende Schleifen durch die Luft – und kein Zweifel, das Ende ist nah, ein Weltuntergangsdrama, wenn auch buchstäblich mitreißend gemalt. Dieses prächtige Großgemälde könnte Norbert Biskys Beitrag zum Thema Klimawandel sein, aber ganz so einfach macht es einem die Deutung dann doch nicht. Denn mitten drin in allem hängt ein großer, nackter Männerkörper, so glühend rot wie die Stromdrähte, als hätte man ihn frisch gehäutet. Seine Hände sind auf dem Rücken gefesselt, und er hängt über Kopf. Der Bildtitel nennt ihn schauerlich-ironisch "Drahtzieher". Eine scheinbar grausige Szene, die aber gar nicht grausig wirkt, sondern: schön und dramatisch.. Der Über-Kopf-Gehängte fordert kein Mitleid, stattdessen denkt man an Biskys Lehrer Baselitz, der schließlich auch immer seine Figuren auf den Kopf stellt; oder an Mussolinis Hinrichtung. Bisky ist schließlich Italien-Fan. Oder am Ende genießt der Gehängte seine Rolle sogar, und die Welle im Hintergrund ist eigentlich die Welle der Lust, bei der gleich alle Dämme brechen ...
"Dass eine Ausstellung mit Norbert Bisky provozierend ist, ist klar. Er hat sich mit seiner Kindheit in der DDR sehr aktiv auseinandergesetzt, und das in einer ironischen Formensprache, die sehr häufig missverstanden worden ist. Blauäugige, blonde Jungs, die sich unter sonnenbeschienenem Himmel in freier Landschaft im weitesten Sinne oder auch ganz direkt sportlich betätigen. Das Ganze in einem schwulen Umfeld, zu dem Norbert Bisky ja auch steht – da gab es viele Vorurteile, viele Klischees. Ich denke nicht, dass die Besucher unserer Ausstellung hier alle einer Meinung rausgehen ..."
... sagt Katja Blomberg, die Leiterin des Hauses am Waldsee, einer mittlerweile nicht mehr ganz so bekannten, aber dennoch hoch ambitionierten Stätte für Gegenwartskunst in Berlin mit guter Tradition. Freude verkörpern und vermitteln Biskys Gemälde durchaus: Freude an Farben und Körpern, vor allem männlichen, und am Spiel mit der Irritation. Katja Blomberg hat sich mit dieser Ausstellung vorgenommen, das Publikum zur Diskussion einzuladen über Vorurteile, die vielfach über Bisky kursieren. Die einen halten ihn für einen verzuckerten Adepten des sozialistischen Realismus und verweisen auf seinen Vater, den Linkspartei-Vorsitzenden Lothar Bisky, manch andere sehen in ihm dagegen sogar für einen schwulen Salonfaschisten, der im Grunde nur Leni Riefenstahl auf Leinwand kopiert. Dass das alles an Biskys Kunst vorbeigeht, will Blomberg zeigen:
"Wir zeigen nämlich nicht nur Norbert Bisky und seine Produktion der letzten zwei Jahre, sondern wir zeigen auch Lehrer und Weggefährten. Jetzt nicht das Assoziative, was Ihnen vielleicht dazu einfällt, sondern das, was für Norbert Bisky selber wichtig war, nämlich zum Beispiel sein Lehrer Georg Baselitz oder sein anderer Lehrer Jim Dine, oder Weggefährten wie Anthony Goicolea oder Nicole Eisenman. Oder auch Künstlerinnen wie Katharina Grosse, die er einfach auch sehr schätzt, und dann natürlich sozusagen der Altmeister Sonderborg, der Hamburger Künstler, da haben wir ein Bild von 1953, das ist das älteste Beispiel."
Alles keine Künstler also, die sich verquaster politischer Illustration verdächtig gemacht hätten. Die Unterstellungen aber, das hat Bisky indirekt eingeräumt, haben ihn nicht kalt gelassen.
Die Ausstellung in Haus am Waldsee, zwei Jahre lang geplant, versucht offenkundig zu deeskalieren und hat daher auch etwas von einer Beweisführung in eigener Sache des Malers. Man sieht keine blonden Jünglinge mehr. Bisky hat vor allem neue Bilder geliefert, die mittlerweile in ihrer Ästhetik eher an heutige Comics und Werbung und Hollywoodkino erinnern und damit der Kritik einen weiteren Zahn ziehen. Kulminationspunkt der Ausstellung ist das kleine Kabinett, in dem Bisky seinem Lehrer Baselitz direkt gegenübergestellt wird. Dessen Tondo "Das Salz im Kommunismus ist der Kubismus" ist ein auf den Kopf gestelltes Porträt eines Generals, das von Blüten umkränzt ist.
Diese Gegenüberstellung zeigt die Gemeinsamkeiten, aber auch die klare Grenze zwischen beiden deutlich. Biskys Malerei dürfte Baselitz an vielen Punkten zu delikat sein, zu schön, zu prunkend mit schönen Farben, zu wenig dreckig und renitent. Etwas, das Baselitz immer zu durchkreuzen versucht und auch schon seinem eigenen großen Vorbild Francis Bacon in dessen Spätwerk vorgeworfen hat. Das Sich-Ergehen in malerischer Meisterschaft aber ist kennzeichnend für Biskys Werk, davon ist er nicht abzubringen, und dafür verzichtet er gern auch mal auf inhaltliche Klarheit und lässt abstrakte Farbflächen entstehen, die irgendwo zwischen unfertig und wolkig changieren – dafür aber immer schön gemacht sind. Bisky ist ganz klar ein Maler, der vom Handwerk kommt, von der Brillanz der Farben und Komposition. Seine Figuren sind nur Täuschungen. Es reizt ihn, den eigentlich abstrakten Rausch reiner Malerei mit figürlichen Arrangements zu würzen, die ihn an andere, körperliche Räusche und Träume erinnern und dann noch mehr anstacheln. Schöne Körper machen ihn an, aber diese Schönheit ist im Grunde geschichtslos, sinnlos, man findet sie überall, ob in der Gegenwart oder auf den Gemälden der italienischen Renaissance. Alle Andeutungen historischer Bezüge gehören zum Spiel hinzu und werden dem Publikum anheimgegeben. Das mag ein Grund für seine derzeitige Beliebtheit bei Sammlern sein. Sie orten Bisky gern in der Nähe jener erfolgreichen neuen Historienmalerei à la Neo Rauch und Daniel Richter. Ein Missverständnis, wenngleich ein lukratives für den Künstler.
Die Figur, die eigentlich Abstraktion ist, verbindet ihn mit seinem Lehrer Baselitz. Doch es scheint, im Gegensatz zu diesem hat Bisky die Provokation nie so extrem gewollt. Nun korrigiert er sich gewissermaßen selbst. Als Künstler ist er noch in der Entwicklung. Möglich, dass der Erfolg für ihn einen Augenblick zu früh kam.
"Dass eine Ausstellung mit Norbert Bisky provozierend ist, ist klar. Er hat sich mit seiner Kindheit in der DDR sehr aktiv auseinandergesetzt, und das in einer ironischen Formensprache, die sehr häufig missverstanden worden ist. Blauäugige, blonde Jungs, die sich unter sonnenbeschienenem Himmel in freier Landschaft im weitesten Sinne oder auch ganz direkt sportlich betätigen. Das Ganze in einem schwulen Umfeld, zu dem Norbert Bisky ja auch steht – da gab es viele Vorurteile, viele Klischees. Ich denke nicht, dass die Besucher unserer Ausstellung hier alle einer Meinung rausgehen ..."
... sagt Katja Blomberg, die Leiterin des Hauses am Waldsee, einer mittlerweile nicht mehr ganz so bekannten, aber dennoch hoch ambitionierten Stätte für Gegenwartskunst in Berlin mit guter Tradition. Freude verkörpern und vermitteln Biskys Gemälde durchaus: Freude an Farben und Körpern, vor allem männlichen, und am Spiel mit der Irritation. Katja Blomberg hat sich mit dieser Ausstellung vorgenommen, das Publikum zur Diskussion einzuladen über Vorurteile, die vielfach über Bisky kursieren. Die einen halten ihn für einen verzuckerten Adepten des sozialistischen Realismus und verweisen auf seinen Vater, den Linkspartei-Vorsitzenden Lothar Bisky, manch andere sehen in ihm dagegen sogar für einen schwulen Salonfaschisten, der im Grunde nur Leni Riefenstahl auf Leinwand kopiert. Dass das alles an Biskys Kunst vorbeigeht, will Blomberg zeigen:
"Wir zeigen nämlich nicht nur Norbert Bisky und seine Produktion der letzten zwei Jahre, sondern wir zeigen auch Lehrer und Weggefährten. Jetzt nicht das Assoziative, was Ihnen vielleicht dazu einfällt, sondern das, was für Norbert Bisky selber wichtig war, nämlich zum Beispiel sein Lehrer Georg Baselitz oder sein anderer Lehrer Jim Dine, oder Weggefährten wie Anthony Goicolea oder Nicole Eisenman. Oder auch Künstlerinnen wie Katharina Grosse, die er einfach auch sehr schätzt, und dann natürlich sozusagen der Altmeister Sonderborg, der Hamburger Künstler, da haben wir ein Bild von 1953, das ist das älteste Beispiel."
Alles keine Künstler also, die sich verquaster politischer Illustration verdächtig gemacht hätten. Die Unterstellungen aber, das hat Bisky indirekt eingeräumt, haben ihn nicht kalt gelassen.
Die Ausstellung in Haus am Waldsee, zwei Jahre lang geplant, versucht offenkundig zu deeskalieren und hat daher auch etwas von einer Beweisführung in eigener Sache des Malers. Man sieht keine blonden Jünglinge mehr. Bisky hat vor allem neue Bilder geliefert, die mittlerweile in ihrer Ästhetik eher an heutige Comics und Werbung und Hollywoodkino erinnern und damit der Kritik einen weiteren Zahn ziehen. Kulminationspunkt der Ausstellung ist das kleine Kabinett, in dem Bisky seinem Lehrer Baselitz direkt gegenübergestellt wird. Dessen Tondo "Das Salz im Kommunismus ist der Kubismus" ist ein auf den Kopf gestelltes Porträt eines Generals, das von Blüten umkränzt ist.
Diese Gegenüberstellung zeigt die Gemeinsamkeiten, aber auch die klare Grenze zwischen beiden deutlich. Biskys Malerei dürfte Baselitz an vielen Punkten zu delikat sein, zu schön, zu prunkend mit schönen Farben, zu wenig dreckig und renitent. Etwas, das Baselitz immer zu durchkreuzen versucht und auch schon seinem eigenen großen Vorbild Francis Bacon in dessen Spätwerk vorgeworfen hat. Das Sich-Ergehen in malerischer Meisterschaft aber ist kennzeichnend für Biskys Werk, davon ist er nicht abzubringen, und dafür verzichtet er gern auch mal auf inhaltliche Klarheit und lässt abstrakte Farbflächen entstehen, die irgendwo zwischen unfertig und wolkig changieren – dafür aber immer schön gemacht sind. Bisky ist ganz klar ein Maler, der vom Handwerk kommt, von der Brillanz der Farben und Komposition. Seine Figuren sind nur Täuschungen. Es reizt ihn, den eigentlich abstrakten Rausch reiner Malerei mit figürlichen Arrangements zu würzen, die ihn an andere, körperliche Räusche und Träume erinnern und dann noch mehr anstacheln. Schöne Körper machen ihn an, aber diese Schönheit ist im Grunde geschichtslos, sinnlos, man findet sie überall, ob in der Gegenwart oder auf den Gemälden der italienischen Renaissance. Alle Andeutungen historischer Bezüge gehören zum Spiel hinzu und werden dem Publikum anheimgegeben. Das mag ein Grund für seine derzeitige Beliebtheit bei Sammlern sein. Sie orten Bisky gern in der Nähe jener erfolgreichen neuen Historienmalerei à la Neo Rauch und Daniel Richter. Ein Missverständnis, wenngleich ein lukratives für den Künstler.
Die Figur, die eigentlich Abstraktion ist, verbindet ihn mit seinem Lehrer Baselitz. Doch es scheint, im Gegensatz zu diesem hat Bisky die Provokation nie so extrem gewollt. Nun korrigiert er sich gewissermaßen selbst. Als Künstler ist er noch in der Entwicklung. Möglich, dass der Erfolg für ihn einen Augenblick zu früh kam.