Fremdenfeindlichkeit

Woher kommt die Angst ums Abendland?

Zu sehen sind Menschen, die im Juli 2015 in Dresden gegen ein Zeltlager für Flüchtlinge demonstrieren
Demonstration in Dresden gegen ein Zeltlager für Flüchtlinge © picture-alliance / dpa
Von Daniel Bax · 21.09.2015
Vorbehalte gegen Muslime sind in Deutschland weit verbreitet, und sie werden auch auf die Debatte um Flucht und Asyl abfärben, meint der Journalist Daniel Bax. Doch die Angst vor Islamisierung ist vor allem ein Ausdruck von Selbstzweifeln.
Ungarns Regierungschef Viktor Orbán spiegelt eine Haltung, die in Osteuropa weit verbreitet zu sein scheint. Auch Polen, Tschechien und die Slowakei wollen keine Flüchtlinge aufnehmen, und wenn, dann möglichst keine Muslime. Zuspruch findet Viktor Orbàn aber auch in Westeuropa. Rechtspopulisten wie Österreichs FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und Frauke Petry von der AfD lobten ihn für seine klaren Worte. Auch Frankreichs Marine Le Pen warnt schon lange vor einer angeblich drohenden Islamisierung ihres Landes durch seine Einwanderer, Geert Wilders in den Niederlanden bezeichnete die Asylsuchenden jüngst als eine "islamische Invasion", und von einer "Invasion" spricht auch Italiens Lega-Nord-Chef Matteo Salvini. So weit, so paranoid.
Den Gegenpol zu dieser rassistischen Stimmungsmache bilden die vielen ehrenamtlichen Helfer, die Flüchtlinge unterstützen. Und besonnene Politiker wie die deutsche Kanzlerin, die in ungewohnt zupackender Weise erklärte: "Wir schaffen das." Innerhalb der EU übernimmt Angela Merkel damit eine Führungsrolle und geht mit gutem Beispiel voran.
Doch wenn sich die gegenwärtige Welle der Hilfsbereitschaft legt, dürften auch in Deutschland die Stimmen wieder lauter werden, die Skepsis und Vorbehalte äußern. Bislang äußert sich die Ablehnung von Asylbewerbern in Anschlägen auf Flüchtlingsheime und Hassparolen, die auf einschlägigen Seiten im Internet ein Forum finden. Aber es ist nur eine Frage der Zeit, wann besorgte Leitartikler und zynische Politiker wieder anfangen, das Misstrauen zu schüren. Finden sich unter den Flüchtlingen auch potentielle Terroristen? Können und wollen die sich überhaupt integrieren? Was denken die Köpfe unter den Kopftüchern? Man kann Thilo Sarrazin und Konsorten schon grummeln hören. CSU-Chef Horst Seehofer wird schon gewusst haben, warum er ausgerechnet Viktor Orbàn zur nächsten Klausurtagung seiner Landtagsfraktion eingeladen hat.
Ein Ausdruck von Selbstzweifeln
Vorbehalte gegen Muslime sind in Deutschland weit verbreitet, und sie werden auch auf die Debatte um Flucht und Asyl abfärben. Anzeichen dafür gab es schon: Die Pegida-Bewegung in Dresden ging ja nicht nur gegen Flüchtlinge auf die Straße, sondern, wie ihr Name schon sagte, gegen eine angeblich drohende "Islamisierung des Abendlandes".
Diese Angst vor der Islamisierung ist ein Ausdruck von Selbstzweifeln. Dahinter steht die Furcht, dass unser westliches Gesellschaftsmodell nicht gut genug sein könnte, um für andere attraktiv zu sein. Doch dass so viele Flüchtlinge gerade aus muslimischen Ländern nach Mitteleuropa wollen und nicht, zum Beispiel, ins viel reichere Saudi-Arabien, zeigt, dass für solche Befürchtungen wenig Anlass besteht. Die Bewunderung, die viele Syrer für Deutschland hegen, ist eine Auszeichnung und zeigt, welche Ausstrahlungskraft Europa und seine Werte in anderen Regionen der Welt besitzen. Deshalb muss einem um die Zukunft des Kontinents nicht bange werden. Rechtsstaat, Freiheit und Demokratie sind eine großartige Sache, die gerade auch Einwanderer und Flüchtlinge zu schätzen wissen.
Zur Wahrheit gehört es zwar, ehrlich zu sagen, dass das Europa der Zukunft vielfältiger sein wird als bisher, in kultureller wie in religiöser Hinsicht. Aber ob Europa auch weniger demokratisch und unsere Gesellschaft gespaltener sein wird als bislang, wie manche Schwarzmaler befürchten, das liegt ganz an uns. So lange wir nicht den Lockrufen der Rechtspopulisten erliegen, die uns vor Muslimen und Flüchtlingen Angst machen wollen, wird das nicht passieren.
Daniel Bax ist Redakteur im Inlandsressort der "tageszeitung, die taz" und schreibt dort zu Politik- und Kulturthemen, insbesondere zur Migrations- und Asylpolitik. Er ist 1970 in Blumenau (Brasilien) geboren, hat Islamwissenschaft und Publizistik an der FU Berlin studiert und lebt mit seiner Familie in Berlin. Seit 2014 ist er im Vorstand des Vereins "Neue Deutsche Medienmacher", der sich für mehr Vielfalt in den deutschen Medien einsetzt. Gerade ist sein Buch "Angst ums Abendland. Warum wir uns nicht vor Muslimen, sondern vor den Islamfeinden fürchten sollten" (Westend Verlag) erschienen.
Daniel Bax, Journalist und Autor.
Daniel Bax, Journalist und Autor.© privat
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