Fremd im eigenen Land

Von Vanja Budde · 21.05.2009
Im ostafrikanischen Tansania, einem der ärmsten Länder der Welt, ist Schauspielerin ein ungewöhnlicher Beruf. Habiba Issa hat es trotzdem gewagt – und möchte nicht mehr von der Bühne weg. Im "Parapanda"-Theater in Daressalaam bezieht sie das Publikum mit ein, thematisiert Probleme des Landes wie Armut, Aids und Umweltzerstörung.
"Habiba" haben ihre Eltern sie genannt: "Liebling" heißt das auf Arabisch. Sie ist das einzige Kind. Ungewöhnlich in Tansania und ungewöhnlich ist auch das Leben, das Habiba Issa für sich gewählt hat.

"Die Leute wundern sich schon über mich: Du bist doch zur Schule gegangen, hast genug gelernt, warum willst Du Künstlerin sein? Das ist doch kein Beruf, jeder kann Künstler sein. Aber ich weiß, dass es das Richtige für mich ist. Die Kunst führt mich zu Begegnungen mit anderen Menschen, ich nutze sie, um anderen etwas beizubringen. Ich helfe ihnen mit meiner Arbeit. Aber es ist mehr als Arbeit: Es hat mit der Seele zu tun."

Habiba Issa ist Schauspielerin, Tänzerin und Produktions-Managerin am kleinen privaten "Parapanda"-Theater in Daressalaam, der größten Stadt Tansanias. Sie arbeitet als Regisseurin, schreibt fürs Radio, Fernsehen und die Bühne. Ein Austausch-Stipendium des Goethe-Instituts führte sie jüngst für ein paar Wochen nach Berlin, als Praktikantin in die Ufa-Fabrik, die eine ganze Reihe sozialer und kultureller Einrichtungen beherbergt.

"Ich war überrascht. Ich habe vorher gedacht, dass ich mich vielleicht langweile oder einsam fühle, weil die Menschen hier sehr mit sich selbst beschäftigt sind. Ich befürchtete viele Barrieren zwischen uns, die Sprache zum Beispiel. Ich hatte wirklich große Bedenken. Aber als ich nach Berlin kam, war alles schön. Wir können miteinander reden, wir können Ideen und Erfahrungen austauschen. Ich habe viel gelernt. Vor allem, dass hier alles organisiert ist – alles!"

Daheim in Tansania machen die Menschen keine großen Pläne, erzählt Habiba. Sie ist gerade 30 geworden, ist nicht groß, ein Energiebündel mit einer modischen Ballonmütze auf den fein geflochten Zöpfen.

Am Parapanda-Theater spielt sie für Menschen, die sich mühsam durchschlagen in einem Land, in dem das Gehalt ihrer Mutter, einer Lehrerin, nur für die Lebensmittel reicht. Habibas Vater war Wachmann, er lebt nicht mehr.

In der Grundschule liebte Habiba die Tanz-Stunden und das Chorsingen. Die Mutter lieh sich von Freunden das Schulgeld und schickte die Tochter aufs "Bagamoyo-Kunst-College". Ein Diplom in Theater- und Kunstmarketing war der Lohn. Ihr Studium an der Universität von Daressalaam schloss sie mit einem Bachelor in Theater-, Kommunikationswissenschaft und Soziologie ab.

Das Parapanda-Theater bezieht in seinen Stücken das Publikum mit ein und thematisiert mit Musik, Poesie und Tanz die alltäglichen Probleme Tansanias: Armut, Aids und Umweltzerstörung. "Kommunales Theater" nennt Habiba Issa das, und ihre dunkelbraunen, mandelförmigen Augen blicken eindringlich.

"Kultur hat viele Rollen. Wenn die Menschen in Tansania ein Problem haben, gibt es kein anderes Forum für sie, darüber zu sprechen. Das Theater hilft ihnen: sie können gemeinsam kommunizieren und ihre Ansichten austauschen. Die Menschen bekommen Informationen und beginnen, für sich selbst zu sprechen. Unsere Regierung sagt uns oft, was wir zu tun und zu lassen haben. Wir sollen still sein und keine Fragen stellen. Aber mit dem Theater kann man eine Diskussion in Gang setzen. Dann wachen unsere Politiker auf und wissen, dass wir ihr Tun beobachten und darüber sprechen. Das ist großartig."

Tansania ist ein moslemisches Land und Habiba ist nicht verheiratet. Hemmungen aufzutreten, hat sie trotzdem nicht.

"Nicht wirklich, weil ich gerne auf der Bühne bin und dort viel Selbstvertrauen habe. Wenn ich auf der Bühne stehe, bin ich diejenige, die weiß, was sie tut! Ich habe dem Publikum etwas zu sagen, die Menschen sind gekommen, um mich zu sehen. Sie warten nur darauf, dass ich zu ihnen spreche, sie glauben an mich. Da muss ich mir einfach selbst vertrauen."

Habiba Issa lebt mit ihrem fünfjährigen Sohn und ihrer Mutter in einer Wohnung am Rand von Daressalaam, der Stadt am Indischen Ozean. Morgens fährt sie lange mit dem Bus ins Theater, nutzt die Zeit, um den Menschen abzulauschen, was sie auf dem Herzen haben, sammelt Themen für neue Stücke. Das Praktikum in Deutschland war spannend, sagt Habiba zum Abschied. Aber leben möchte sie hier nicht.

"Wo immer Du bist: Du kannst tun, was immer Du willst. Ich denke nicht daran, nach Europa zu gehen. In Tansania kann ich mehr bewirken. In Zusammenarbeit mit Unterstützern aus Europa vielleicht. Eines Tages wird es auch eine Ufa-Fabrik in Dar es Salaam geben."