Freiwilligeneinsätze

Im Urlaub Gutes tun?

Helfer versorgen unternährte Kinder in Burundi mit Milch
Helfer versorgen unternährte Kinder in Burundi mit Milch © dpa / Thomas Schulze
Moderation: Christopher Ricke · 12.07.2014
Immer mehr Menschen wollen auch im Urlaub etwas Sinnvolles tun und verbinden ihre Ferienreisen mit einem Freiwilligeneinsatz bei einem Hilfsprojekt. Antje Monshausen von "Tourism Watch" sieht diesen Trend zum "Voluntourismus" jedoch kritisch.
Christopher Ricke: Die Ferienzeit ist da, und es machen sich viele auf den Weg. Da gibt es die Fernreisenden, die Kluburlauber, die Camper, die Radfahrer und die Sinnsucher. Und genau um die letzten, die Sinnsucher, geht es jetzt. Es gibt nämlich immer mehr Menschen, die in ihren Ferien etwas Gutes, etwas Sinnvolles tun wollen. Im Waisenhaus helfen oder beim Umweltschützen, dann auch noch in fremden Ländern. Das nennt man "Volontourismus", da steckt der freiwillige Helfer, der Volontär, drin, und der Tourismus.
Ich sprach mit Antje Monshausen, die arbeitet für den Evangelischen Entwicklungsdienst "Brot für die Welt", für "Tourism Watch". Frau Monshausen, von welchen Zahlen und Motiven können wir denn hier ausgehen. Wie viele Menschen machen sich, aus welchen Gründen auch immer, im Sommer auf den Weg, Gutes zu tun?
Antje Monshausen: Es ist in der Tat ein steigender Trend, und es sind ganz unterschiedliche Motive und dementsprechend auch Zielgruppen. Es sind die, die für längere Zeit einen freiwilligen Einsatz vor Ort planen, mit freien Trägern gehen, aber auch Reiseveranstalter wählen. Es sind aber auch die, die Urlaub machen und im Urlaub auch noch hinter die touristischen Kulissen gucken wollen, die Interesse an Austausch mit der lokalen Bevölkerung haben und die durch Tourismus auch vor Ort helfen möchten.
Ricke: Es gibt ja da inzwischen einen richtigen Markt, habe ich gelesen, einen Markt für Freiwilligenreisen. Worauf achte ich da, wenn ich einen seriösen Anbieter finden will?
Monshausen: Es ist in der Tat eine große Menge an Veranstaltern, die jetzt im kommerziellen Bereich diese Art von Reisen anbieten. Es ist ganz wichtig dabei, darauf zu achten, ob eine Vorbereitung stattfindet auf das Projekt, wie lange vor Ort mit lokalen Organisationen zusammengearbeitet wird. Denn wenn ich vor Ort tatsächlich unterstützen möchte, dann ist natürlich am allerwichtigsten, dass die lokale Organisation vor Ort im Mittelpunkt steht und ihre Bedürfnisse sehr genau in diesem Projekt umsetzen kann. Wichtig ist auch die Auswahl der Freiwilligen und die Begleitung vor Ort, dass ich tatsächlich auch immer eine Ansprechperson habe. Und ganz klar gilt: Je länger, desto besser. Vor Kurzzeiteinsätzen, beispielsweise in Waisenhäusern, würden wir ganz klar abraten.
Ricke: Sie raten ab vor Kurzzeiteinsätzen in Waisenhäusern. Also dieser Fall, dass die freundliche, weiße Frau für drei Wochen kommt und dann wieder verschwindet, den soll es nicht geben.
Monshausen: Im Bezug auf die Arbeit mit Kindern ist das hochproblematisch, weil Kinder natürlich in einer Phase ihrer persönlichen Entwicklung sind und da natürlich hochsensibel sind und Bezugspersonen, kontinuierliche Personen in ihrem Umfeld brauchen. Und darüber hinaus haben wir viele dokumentierte Fälle, wo vermeintliche Waisen gar keine Waisen sind, also die ihre Eltern haben, wo die Eltern im guten Wissen und in der Hoffnung, dass den Kindern Bildung, Ernährung gegeben wird, ihre Kinder in diese Waisenhäuser geben, obwohl diese Kinder natürlich viel besser zu Hause aufgehoben wären. Da ist tatsächlich eine ganz große Gefahr, dass dort Kinder tatsächlich zu Schaden kommen im Rahmen dieser Projekte.
Ricke: Wenn diese Gefahr bekannt ist, wenn man diese Projekte kennt, warum gibt es dann dennoch derartige Angebote?
Monshausen: Es sind zum Teil unkontrollierte Situationen, also in Kambodscha beispielsweise, wo die Regierung kaum hinterherkommt zu prüfen, ob Waisenhäuser tatsächlich staatlich anerkannt sind, wo private Mittelsmänner vor Ort Einrichtungen für Kinder aufmachen und das schwer zu kontrollieren ist. Das ist in der Tat einfach ein großer Wachstumsmarkt, der wie jedes stark wachsende Segment einfach sehr unkontrolliert ist und da wenig drauf geachtet wird, leider.
Ricke: Diesen Voluntourismus kann man ja durchaus psychologisch deuten. Helfen ist ja auch etwas für einen selbst. Es kann der Selbstverwirklichung dienen, es gibt einem selbst ein gutes Gefühl, und man tut auch noch etwas Gutes dabei. In dieser Mischung, ist das in Ordnung, wenn man sich selbst verwirklicht, aber es gibt eben auch Risiken, die für Kinderheime haben Sie gerade angesprochen – wo sehen Sie die noch?
Monshausen: Die Frage der eigenen Motivation sollte natürlich ganz am Beginn auch stehen. Wenn ich tatsächlich helfen möchte, wenn ich vor Ort Veränderungen bewirken möchte, dann ist es sicherlich sinnvoll, sehr lange vor Ort zu bleiben, lange in Projekten mitzuarbeiten, die vor Ort intensiv verbunden sind. Und das geht in Kurzzeiteinsätzen sicherlich nicht. Natürlich kann ich während eines freiwilligen ökologischen Jahres oder so natürlich auch touristisch aktiv werden.
Wenn das Helfen im Mittelpunkt steht und ich aber nur eine Urlaubsreise dafür Zeit habe, dann würde ich ganz klar schauen, einen guten Reiseveranstalter zu wählen, der auf ökologische und soziale Nachhaltigkeit achtet und dann lieber lokale Organisationen vor Ort mit einer Spende zu unterstützen, damit sie sich beispielsweise dafür einsetzen können, dass in Schulen mehr Lehrer bezahlt werden können, dass es politische Veränderungen gibt. Das ist sicherlich sinnvoller, wenn ich tatsächlich helfen möchte, wenn das im Mittelpunkt steht.
Wenn ich hinter die touristischen Kulissen gucken möchte, dann gibt es natürlich ganz unterschiedliche Möglichkeiten, das zu tun. Mal Ausflüge vor Ort zu machen, vielleicht auch mal zu schauen, welche Organisationen es tatsächlich gibt, und zu gucken, ob die vielleicht touristische Angebote auch haben, Stadtführungen beispielsweise oder auch Besuche von lokalen Kunsthandwerkern. All das sind sicherlich Dinge, wo ich selber als Reisender auch noch mal einen zusätzlichen Mehrwert habe und was ganz Besonderes erleben kann, ohne dass ich dabei in diese Gefahrensituation komme, die wir jetzt eben ja besprochen haben.
Ricke: Wenn sich jetzt jemand mehr Zeit nimmt und tatsächlich für mehrere Monate etwas Positives für die Welt tun will, gibt es eine Grundregel? Richte ich mich lieber an kirchliche Träger, an staatliche Organisationen, an Menschenrechtsorganisationen oder doch an kommerzielle Anbieter, weil die ein anderes Netzwerk haben?
Monshausen: In Deutschland gibt es ja das "Weltwärts"-Programm, wo junge Leute eben auch mit finanzieller Unterstützung durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in Projekte geschickt werden, dort auch sehr intensiv begleitet werden, die Projekte gut ausgewählt sind. Und dort gibt es unterschiedliche Träger, zum Beispiel auch "Brot für die Welt".
Ricke: So viel Eigenwerbung darf sein. Antje Monshausen von "Tourism Watch", und das ist eine Einrichtung des Evangelischen Entwicklungsdienstes "Brot für die Welt".
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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