Freisprüche im Ermyas-Mulugeta-Prozess

Von Axel Flemming |
Im Zweifel für die Angeklagten. Und die Zweifel an der Schuld der beiden jungen Männer sind berechtigt. Wenn sich schon Staatsanwaltschaft, Vertreter der Nebenklage und die Verteidiger einig waren, dass die Beweislage zu dünn war, wäre ein anderes Urteil als Freispruch eine Überraschung gewesen.
So bleibt jetzt aber einiges zu fragen: War es eine Überreaktion, dass sich die Bundesanwaltschaft in die Ermittlungen eingemischt hatte oder war es eine Verharmlosung eines rassistischen Vorfalls, dass Landesinnenminister Jörg Schönbohm den Vorfall als quasi harmlose Schlägerei unter Betrunkenen dargestellt hat?

Der Vorfall vom Osterwochenende 2006 fiel in die Zeit, in der Deutschland die Welt "zu Gast bei Freunden" zur Fußballweltmeisterschaft eingeladen hatte. Da wussten wir, da wussten auch die Medien noch nichts davon, dass eine Welle von schwarzrotgold das Land bald euphorisieren würde, ohne nationalistischen Nebengeschmack.

Und so beschäftigte sich auch die Kanzlerin mit der Sache und einige schossen in ihrer Reaktion kräftig übers Ziel hinaus, zur einen, wie zur anderen Seite: Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble, der davon sprach, auch blonde und blauäugige könnten Opfer solcher Aktionen sein.

Die Beschimpfungen "Nigger" und "Scheißnigger", die auf einem Handymittschnitt mehrmals den Prozess beschäftigten, weisen eindeutig darauf hin, dass es sich um einen rassistischen Vorfall handelte. Daraus aber zu schließen, wie Uwe Karsten Heye, der Vorsitzende des Vereins "Gesicht zeigen", es gebe in Brandenburg und anderswo Orte, an denen er Menschen mit dunkler Hautfarbe rate, lieber nicht hinzugehen; sie könnten nicht lebend zurückkehren, empörte zurecht nicht nur die Brandenburger.

Erste Reaktionen – Demonstrationen am Tatort - in Potsdam zeigten, hier wird Solidarität mit dem Opfer von brutaler Gewalt geübt. Und, so sollte es ja auch sein: die Hautfarbe spielt dabei keine Rolle. Zu fragen bliebe höchstens nach Zeugen in der Tatnacht, die eine Prügelei beobachtet haben, aber sich offenbar nichts dabei dachten. Es erfordert wenig Zivilcourage, die Polizei zu rufen.

Auch wenn die, wie der Prozessverlauf zeigte, nicht in allen Punkten professionell handelte. No-Go-areas sind nur ein Propagandaerfolg der Neonazis. Sollten Rassisten meinen, sie könnten bestimmen, wer wohin darf und wo nicht, dann ist das eine Aufgabe der Polizei, sie in die Schranken zu weisen. Ansonsten sind auch Journalisten aufgerufen, ihre Hirne auf No-go-areas zu überprüfen, auf blind übernommene Worthülsen wie den "Deutsch-Äthiopier".

Ermyas Mulugeta ist Deutscher – wie Du und ich. Deutsche erster oder zweiter Klasse sieht aber unser Grundgesetz nicht vor. Da fängt der Rassismus an. Und die Angeklagten? Mögen sie Rassisten sein, bei ihnen wurden einschlägige Musiktitel gefunden - eine Tatbeteiligung ist ihnen nicht nachzuweisen, damit sind sie - so ist das in unserem Rechtsstaat – unschuldig. Gesinnung wird nicht verurteilt, sie spielt höchstens in Mordprozessen eine Rolle als niederer Beweggrund. Ein Verbrechen bleibt unaufgeklärt. Und wirft ein Schlaglicht auf unsere Gesellschaft.