"Freiheit ist das Allerwichtigste!"
Mohamed Hashem, Gründer und Eigentümer des ägyptischen Merit-Verlags, erhält in diesem Jahr den Hermann-Kesten-Preis des deutschen P.E.N.-Zentrums. Der Verleger ist seit vielen Jahren politisch aktiv, er streitet für eine ägyptische Zivilgesellschaft und gegen Korruption.
Literarischer Salon, politisches Forum, Wohnzimmer – der Merit-Verlag in Kairo Downtown erfüllt viele Funktionen. Der Verleger Mohamed Hashem, Mitte 50, sitzt hinter seinem Schreibtisch am Ende eines lang gestreckten Büros. An den Wänden stehen rote Sofas, in einer Ecke läuft ein Fernseher. Es ist zehn Uhr abends und die anwesenden Aktivisten, Journalisten, Schriftsteller rauchen, trinken und debattieren – immer wieder auch über die ägyptische Revolution im Frühjahr.
"Es war wie eine Neugeburt. Das kollektive Bewusstsein Ägyptens hat sich in sehr kurzer Zeit neu strukturiert. Natürlich gibt es unzählige verschiedene Details. Doch während dieser Ereignisse haben sich die Menschen, die da zusammen auf den Straßen waren, neu entdeckt, diese Wärme, die alle umgab, und den unschätzbaren Wert des menschlichen Miteinanders."
Der Verleger ist ein freundlicher, mittelgroßer Mann mit zerzausten dunklen Haaren. Er hat viele Jahre im ägyptischen Verlagswesen und als Kulturjournalist gearbeitet, bevor er 1989 seinen eigenen Verlag gründete. Die junge ägyptische Literatur stand von Anfang an im Mittelpunkt des Programms, und für Autorinnen und Autoren, die den drei großen Tabus – Sex, Religion, Politik – nicht aus dem Weg gehen, ist Merit die einzige Chance, in Ägypten überhaupt verlegt zu werden.
"Auch Alaa al-Aswani ist hier zum ersten Mal erschienen, die erste Auflage seines Romans "Der Jakubian-Bau". Kein anderer Verlag hätte es damals gewagt, diesen Text zu veröffentlichen."
Alaa al-Aswani – sein Welterfolg "Der Jakubian-Bau" erschien 2007 auch in Deutschland – wechselte allerdings bald zu einem größeren Verlag, wo sein Debütroman noch einmal verlegt wurde. Der Grund: Hashem hatte wie so oft keinen Vertrag mit dem Autor geschlossen. Dass er für derlei profane Dinge keine Zeit findet, verwundert nicht. Ständig drängt sich jemand zu ihm hinter den Schreibtisch, schaut mit in den Computer, Facebook-Listen werden kommentiert, die neuesten politischen Nachrichten.
"Mittlerweile bin ich unbedingt der Ansicht, dass Freiheit das Allerwichtigste ist. Danach können wir über alles andere reden, doch zuerst einmal müssen wir frei sein. Nur Freiheit kann wirkliche soziale Gleichheit garantieren. Freiheit ist die wichtigste Grundlage für eine neue Gesellschaft."
Die Freiheit, für die Hashem kämpft, ist immer auch die Freiheit der Kunst. Im Merit-Verlag erscheinen neben der neuen ägyptischen Literatur Bücher von Uwe Timm, Vladimir Nabokov, Marguerite Duras – und auch Elfriede Jelineks "Klavierspielerin" steht auf arabisch im Verlagsregal. Gibt es da keine Zensur?
"Nein, auf keinen Fall. Alles wurde gedruckt, nicht ein Buchstabe fehlt. Das ist das Recht jedes Schriftstellers. Natürlich wird die Übersetzung lektoriert. Aber das originale Werk des Autors ist heilig. Damit dürfen wir nicht spielen."
Die Zensur kann allerdings NACH dem Erscheinen eines Titels wirksam werden, und Hashems Einsatz für die Freiheit des gedruckten Wortes hat in der Vergangenheit immer wieder zu Anklagen und Gerichtsverfahren gegen ihn geführt.
Die Literaturbegeisterung des Verlegers ging schon sehr früh los. Was für ein Luxus, dass er als Kind lesen durfte, erzählt Hashem und lacht:
"Hans-Christian Andersen"
An Andersen erinnere er sich – und noch heute an die Namen aller Aufseher der Schulbibliothek. Mohamed Hashem war Mitte Zwanzig, als er anfing selbst zu schreiben. Zuerst Buchkritiken und Erzählungen, 2003 erschien sein erster Roman unter dem Titel "Open Fields".
"Zur Zeit schreibe ich an einem zweiten Roman, seit fünf Jahren arbeite ich schon daran und es gelingt mir nicht, ihn zu beenden. Es ist sehr schwierig."
Zwei hübsche dunkelhaarige Teenager kommen auf den Verleger zu und umarmen ihn, es sind seine Töchter. Hashem lebt mit seiner Familie ganz in der Nähe des Verlags. Allerdings, so berichten seine Freunde, verlässt er den Schreibtisch kaum einmal vor ein, zwei Uhr nachts.
Der Merit-Verlag – nur zwei Straßen vom Tahrir-Platz entfernt – war ein wichtiger Ort im Kampf gegen das Regime Mubaraks. Neun Monate sind seit dem "ägyptischen Frühling" vergangen und bei vielen Menschen spürt man in diesen Tagen auch Resignation und Frustration darüber, wie wenig sich bisher verändert hat. Nicht so bei Hashem.
"Ich bin sehr, sehr optimistisch. Wir kämpfen heute live, die ganze Welt schaut uns zu. Und wir spüren, dass wir unbesiegbar sind, viel stärker als unsere Gegner. Ich bin davon überzeugt, dass die Millionen, die auf die Straße gegangen sind, nicht dafür demonstriert haben, dass das Militär über sie regiert oder der politische Islam, Saudi-Arabien, das große Geld! Nein. Die Leute sind auf die Straße gegangen für 'Change and Freedom', für Veränderung und Freiheit, und das können sie wieder und wieder tun."
Links auf dradio.de:
Der arabische Aufstand - Sammelportal
"Es war wie eine Neugeburt. Das kollektive Bewusstsein Ägyptens hat sich in sehr kurzer Zeit neu strukturiert. Natürlich gibt es unzählige verschiedene Details. Doch während dieser Ereignisse haben sich die Menschen, die da zusammen auf den Straßen waren, neu entdeckt, diese Wärme, die alle umgab, und den unschätzbaren Wert des menschlichen Miteinanders."
Der Verleger ist ein freundlicher, mittelgroßer Mann mit zerzausten dunklen Haaren. Er hat viele Jahre im ägyptischen Verlagswesen und als Kulturjournalist gearbeitet, bevor er 1989 seinen eigenen Verlag gründete. Die junge ägyptische Literatur stand von Anfang an im Mittelpunkt des Programms, und für Autorinnen und Autoren, die den drei großen Tabus – Sex, Religion, Politik – nicht aus dem Weg gehen, ist Merit die einzige Chance, in Ägypten überhaupt verlegt zu werden.
"Auch Alaa al-Aswani ist hier zum ersten Mal erschienen, die erste Auflage seines Romans "Der Jakubian-Bau". Kein anderer Verlag hätte es damals gewagt, diesen Text zu veröffentlichen."
Alaa al-Aswani – sein Welterfolg "Der Jakubian-Bau" erschien 2007 auch in Deutschland – wechselte allerdings bald zu einem größeren Verlag, wo sein Debütroman noch einmal verlegt wurde. Der Grund: Hashem hatte wie so oft keinen Vertrag mit dem Autor geschlossen. Dass er für derlei profane Dinge keine Zeit findet, verwundert nicht. Ständig drängt sich jemand zu ihm hinter den Schreibtisch, schaut mit in den Computer, Facebook-Listen werden kommentiert, die neuesten politischen Nachrichten.
"Mittlerweile bin ich unbedingt der Ansicht, dass Freiheit das Allerwichtigste ist. Danach können wir über alles andere reden, doch zuerst einmal müssen wir frei sein. Nur Freiheit kann wirkliche soziale Gleichheit garantieren. Freiheit ist die wichtigste Grundlage für eine neue Gesellschaft."
Die Freiheit, für die Hashem kämpft, ist immer auch die Freiheit der Kunst. Im Merit-Verlag erscheinen neben der neuen ägyptischen Literatur Bücher von Uwe Timm, Vladimir Nabokov, Marguerite Duras – und auch Elfriede Jelineks "Klavierspielerin" steht auf arabisch im Verlagsregal. Gibt es da keine Zensur?
"Nein, auf keinen Fall. Alles wurde gedruckt, nicht ein Buchstabe fehlt. Das ist das Recht jedes Schriftstellers. Natürlich wird die Übersetzung lektoriert. Aber das originale Werk des Autors ist heilig. Damit dürfen wir nicht spielen."
Die Zensur kann allerdings NACH dem Erscheinen eines Titels wirksam werden, und Hashems Einsatz für die Freiheit des gedruckten Wortes hat in der Vergangenheit immer wieder zu Anklagen und Gerichtsverfahren gegen ihn geführt.
Die Literaturbegeisterung des Verlegers ging schon sehr früh los. Was für ein Luxus, dass er als Kind lesen durfte, erzählt Hashem und lacht:
"Hans-Christian Andersen"
An Andersen erinnere er sich – und noch heute an die Namen aller Aufseher der Schulbibliothek. Mohamed Hashem war Mitte Zwanzig, als er anfing selbst zu schreiben. Zuerst Buchkritiken und Erzählungen, 2003 erschien sein erster Roman unter dem Titel "Open Fields".
"Zur Zeit schreibe ich an einem zweiten Roman, seit fünf Jahren arbeite ich schon daran und es gelingt mir nicht, ihn zu beenden. Es ist sehr schwierig."
Zwei hübsche dunkelhaarige Teenager kommen auf den Verleger zu und umarmen ihn, es sind seine Töchter. Hashem lebt mit seiner Familie ganz in der Nähe des Verlags. Allerdings, so berichten seine Freunde, verlässt er den Schreibtisch kaum einmal vor ein, zwei Uhr nachts.
Der Merit-Verlag – nur zwei Straßen vom Tahrir-Platz entfernt – war ein wichtiger Ort im Kampf gegen das Regime Mubaraks. Neun Monate sind seit dem "ägyptischen Frühling" vergangen und bei vielen Menschen spürt man in diesen Tagen auch Resignation und Frustration darüber, wie wenig sich bisher verändert hat. Nicht so bei Hashem.
"Ich bin sehr, sehr optimistisch. Wir kämpfen heute live, die ganze Welt schaut uns zu. Und wir spüren, dass wir unbesiegbar sind, viel stärker als unsere Gegner. Ich bin davon überzeugt, dass die Millionen, die auf die Straße gegangen sind, nicht dafür demonstriert haben, dass das Militär über sie regiert oder der politische Islam, Saudi-Arabien, das große Geld! Nein. Die Leute sind auf die Straße gegangen für 'Change and Freedom', für Veränderung und Freiheit, und das können sie wieder und wieder tun."
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