Freiheit in der Krise
Das große Missverständnis über die allseits gebrauchte Keule "Neoliberalismus" reicht weit hinein in die politische Klasse.
Denn das Wort geht zurück auf eine Tagung in Paris 1938 und hatte den gegenteiligen Sinn. Dort brandmarkten liberale Ökonomen wie Friedrich von Hayek, Ludwig von Mises und Wilhelm Röpke den Erfolg des Kommunismus, Nationalsozialismus und Faschismus als Reaktion auf das freie Spiel der Kräfte. Das Dogma des "Laissez faire" hatte in ihren Augen zum Niedergang des Liberalismus beigetragen. Sie revidierten deshalb die klassische Position der Selbstregulierung des Marktes. Mit dem Begriff Neoliberalismus mahnten sie einen starken Staat an, der als Schiedsrichter über den Wettbewerb wachen und Kartell- und Monopolbildung verhindern sollte. Es ging ihnen um eine Wettbewerbsordnung, die Chancen und Teilhabe für alle ermöglichen und niemandem Privilegien gewähren sollte.
Es scheint nun höchste Zeit, die gedanklichen Wurzeln des Liberalismus und die Erfolge unserer westlichen Freiheitsgeschichte in Erinnerung zu rufen. Wir haben es über die Jahrhunderte so weit gebracht, weil unsere Entwicklung angetrieben war von einem ständigen Wettbewerb des Wissens, der Ideen, der Erfindungen, die die Individuen hervorgebracht haben. Der Markt hat dabei als Entdeckungs- und Entmachtungsinstrument den Lebensstandard weltweit verbessert, den Menschen ein längeres und gesünderes Leben beschert. Zugleich entstand ein immer differenzierteres soziales und rechtliches Regelwerk, das den Zusammenhalt und das Fortkommen der Gesellschaft ermöglichte.
Die Entfaltung der Geld- und Marktwirtschaft ging mit der Herausbildung des modernen Individuums Hand in Hand. Erst das Geld ermöglichte die Befreiung aus persönlicher Herrschaft und schuf die Möglichkeit, ein individuelles Leben zu führen, neue Freiheiten zu entdecken und auszuschöpfen. Erst daraus konnte eine Kultur der Eigenverantwortung und der freiwilligen Zusammenschlüsse entstehen.
Selbst in seinen banalsten Erscheinungsformen erinnert der Markt noch an das Selbstbestimmungsrecht und die rechtliche Gleichrangigkeit der Einzelnen. Das Ineinander und Gegeneinander der Handlungen, Zwecke und Pläne vieler Einzelner in einer Gesellschaft ist nie ein geplantes, großes Werk gewesen. Unsere Geschichte mit ihren Fortschritten und Rückschlägen ist gerade keinem Plan oder einem geheimem Telos der Geschichte zu verdanken. Alle staatlichen Versuche, eine perfekte Gesellschaft mit perfekten Menschen zu planen, scheiterten.
Der Kerngedanke des Liberalismus geht zurück auf den englischen Aufklärer John Locke. Sein Prinzip der "selfownership", des Eigentums an sich selbst, ist das personale Recht, über den eigenen Körper und die Ergebnisse der eigenen Arbeit zu verfügen.
Dieses gleiche Recht eines jeden Individuums auf Selbstbestimmung hat John Stuart Mill vor 150 Jahren in seiner berühmten Schrift "On Liberty" noch weiter ausgefeilt. Die freie Entwicklung der Persönlichkeit war für ihn die Hauptbedingung der Wohlfahrt. Gegen Konformismus, Gleichförmigkeit und die Tyrannei der öffentlichen Meinung setzte er die Eigenwilligkeit des Individuums: seine Freiheit des Denkens und des Fühlens, die Unabhängigkeit seiner Meinung und Gesinnung, die Freiheit, einen eigenen Lebensplan zu entwerfen und zu tun, was uns beliebt, so lange wir niemandem etwas zuleide tun.
Unsere bisherige Geschichte war so erfolgreich, weil sich wirtschaftliche, politische und individuelle Freiheit immer gegenseitig bedingen und vorantreiben. Ohne die Neugierde, Risikobereitschaft und mutige Schaffenskraft der Individuen hätten wir heute weder Wohlstand noch Demokratie. Um unsere Wirtschafts- und Freiheitskrise zu meistern, ist wieder Eigensinn, Phantasie und kreative Selbsttätigkeit der Bürger angesagt. Eine Besinnung auf die liberalen Denker des 19. und 20. Jahrhunderts kommt uns da bestens zupass. Es könnte ja sogar ein erneuter Aufbruch in die Freiheit werden, 20 Jahre nach dem Ende des Eisernen Vorhangs und dem Fall der Mauer.
Ulrike Ackermann, Politikwissenschaftlerin und Publizistin, geb. 1957, Studium der Politik, Soziologie und Neueren Deutschen Philologie in Frankfurt am Main. Ab 1977 Zusammenarbeit mit der Charta 77, dem polnischen KOR, der Solidarnosc und anderen Bürgerrechtsbewegungen in Ostmitteleuropa. Fünf Jahre lang verantwortliche Redakteurin der "Frankfurter Hefte/Neue Gesellschaft". 1995 bis 1998 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Hamburger Institut für Sozialforschung. Seit 1998 freie Autorin. Gründerin und Leiterin des Europäischen Forums an der Berlin-Brandenburgischen Akademie für Wissenschaften. Ulrike Ackermann ist Direktorin des John Stuart Mill Instituts für Freiheitsforschung und Professorin für Politikwissenschaft/ Freiheitsforschung und Freiheitslehre an der SRH Hochschule Heidelberg. Buchveröffentlichungen: "Sündenfall der Intellektuellen", "Versuchung Europa", "Welche Freiheit. Plädoyer für eine offene Gesellschaft", "Eros der Freiheit. Plädoyer für eine radikale Aufklärung".
Es scheint nun höchste Zeit, die gedanklichen Wurzeln des Liberalismus und die Erfolge unserer westlichen Freiheitsgeschichte in Erinnerung zu rufen. Wir haben es über die Jahrhunderte so weit gebracht, weil unsere Entwicklung angetrieben war von einem ständigen Wettbewerb des Wissens, der Ideen, der Erfindungen, die die Individuen hervorgebracht haben. Der Markt hat dabei als Entdeckungs- und Entmachtungsinstrument den Lebensstandard weltweit verbessert, den Menschen ein längeres und gesünderes Leben beschert. Zugleich entstand ein immer differenzierteres soziales und rechtliches Regelwerk, das den Zusammenhalt und das Fortkommen der Gesellschaft ermöglichte.
Die Entfaltung der Geld- und Marktwirtschaft ging mit der Herausbildung des modernen Individuums Hand in Hand. Erst das Geld ermöglichte die Befreiung aus persönlicher Herrschaft und schuf die Möglichkeit, ein individuelles Leben zu führen, neue Freiheiten zu entdecken und auszuschöpfen. Erst daraus konnte eine Kultur der Eigenverantwortung und der freiwilligen Zusammenschlüsse entstehen.
Selbst in seinen banalsten Erscheinungsformen erinnert der Markt noch an das Selbstbestimmungsrecht und die rechtliche Gleichrangigkeit der Einzelnen. Das Ineinander und Gegeneinander der Handlungen, Zwecke und Pläne vieler Einzelner in einer Gesellschaft ist nie ein geplantes, großes Werk gewesen. Unsere Geschichte mit ihren Fortschritten und Rückschlägen ist gerade keinem Plan oder einem geheimem Telos der Geschichte zu verdanken. Alle staatlichen Versuche, eine perfekte Gesellschaft mit perfekten Menschen zu planen, scheiterten.
Der Kerngedanke des Liberalismus geht zurück auf den englischen Aufklärer John Locke. Sein Prinzip der "selfownership", des Eigentums an sich selbst, ist das personale Recht, über den eigenen Körper und die Ergebnisse der eigenen Arbeit zu verfügen.
Dieses gleiche Recht eines jeden Individuums auf Selbstbestimmung hat John Stuart Mill vor 150 Jahren in seiner berühmten Schrift "On Liberty" noch weiter ausgefeilt. Die freie Entwicklung der Persönlichkeit war für ihn die Hauptbedingung der Wohlfahrt. Gegen Konformismus, Gleichförmigkeit und die Tyrannei der öffentlichen Meinung setzte er die Eigenwilligkeit des Individuums: seine Freiheit des Denkens und des Fühlens, die Unabhängigkeit seiner Meinung und Gesinnung, die Freiheit, einen eigenen Lebensplan zu entwerfen und zu tun, was uns beliebt, so lange wir niemandem etwas zuleide tun.
Unsere bisherige Geschichte war so erfolgreich, weil sich wirtschaftliche, politische und individuelle Freiheit immer gegenseitig bedingen und vorantreiben. Ohne die Neugierde, Risikobereitschaft und mutige Schaffenskraft der Individuen hätten wir heute weder Wohlstand noch Demokratie. Um unsere Wirtschafts- und Freiheitskrise zu meistern, ist wieder Eigensinn, Phantasie und kreative Selbsttätigkeit der Bürger angesagt. Eine Besinnung auf die liberalen Denker des 19. und 20. Jahrhunderts kommt uns da bestens zupass. Es könnte ja sogar ein erneuter Aufbruch in die Freiheit werden, 20 Jahre nach dem Ende des Eisernen Vorhangs und dem Fall der Mauer.
Ulrike Ackermann, Politikwissenschaftlerin und Publizistin, geb. 1957, Studium der Politik, Soziologie und Neueren Deutschen Philologie in Frankfurt am Main. Ab 1977 Zusammenarbeit mit der Charta 77, dem polnischen KOR, der Solidarnosc und anderen Bürgerrechtsbewegungen in Ostmitteleuropa. Fünf Jahre lang verantwortliche Redakteurin der "Frankfurter Hefte/Neue Gesellschaft". 1995 bis 1998 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Hamburger Institut für Sozialforschung. Seit 1998 freie Autorin. Gründerin und Leiterin des Europäischen Forums an der Berlin-Brandenburgischen Akademie für Wissenschaften. Ulrike Ackermann ist Direktorin des John Stuart Mill Instituts für Freiheitsforschung und Professorin für Politikwissenschaft/ Freiheitsforschung und Freiheitslehre an der SRH Hochschule Heidelberg. Buchveröffentlichungen: "Sündenfall der Intellektuellen", "Versuchung Europa", "Welche Freiheit. Plädoyer für eine offene Gesellschaft", "Eros der Freiheit. Plädoyer für eine radikale Aufklärung".

Ulrike Ackermann© privat