Freihandelsabkommen

Nicht nur Chlorhühnchen und Genmais

Von Marcus Pindur · 03.04.2014
Die Debatte über das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP wird beherrscht von Chlorhühnchen, genverändertem Mais und Hormon-Rindfleisch. Doch der Agrarsektor macht auf beiden Seiten des Atlantiks nur einen verschwindend kleinen Teil des Bruttoinlandsproduktes aus: etwa ein Prozent. Und davon entfällt wiederum nur ein Bruchteil auf die kontroversen Lebensmittel. Im Vordergrund stehen bei TTIP jedoch die industriellen Standards. BDI-Chef Ulrich Grillo und der DIHK-Präsident Eric Schweitzer sind in die USA gereist, um ein Gefühl für die Stimmung auf der anderen Seite des Atlantiks zu bekommen.
Für BDI-Chef Ulrich Grillo liegen die Vorteile eines transatlantischen Freihandelsabkommens auf der Hand:
"Das Handelsvolumen zwischen Nordamerika und Europa erreicht 50 Prozent des Welthandelsvolumens. Das heißt: Da geht viel ab, wie man so schön sagt. Wenn wir da Erleichterungen auf beiden Seiten hinbekommen, dann führt das automatisch ohne viel Aufwand zu einem Wachstumsschub, zu mehr Wachstum, mehr Wohlstand, mehr Beschäftigung. Und ich glaube, das ist für beide Seiten interessant."
Die deutschen Wirtschaftsvertreter haben überwiegend positives Feedback bekommen. Das Argument des freien Handels hat in den USA große Überzeugungskraft. Doch auch dort gibt es politische Widerstände: Präsident Obama hat immer noch kein Verhandlungsmandat des Kongresses. Vor allem ist in den USA die Agrarlobby sehr aktiv. Sie will auch genetisch veränderte Lebensmittel in Europa verkaufen dürfen.
Abgeordnete aus landwirtschaftlich geprägten Regionen wie dem mittleren Westen drohten bereits, wenn der amerikanische Agrarsektor nicht berücksichtigt werde, dann werde es auch kein Abkommen geben.
Befürchtungen auf beiden Seiten
Doch Ulrich Grillo ist nach seinen Gesprächen mit Vertretern von Politik und Wirtschaft vorsichtig optimistisch, dass TTIP zustande kommt, noch vor der nächsten Präsidentschaftswahl 2016 in den USA:
"Ich habe viel positive Worte für TTIP bekommen. Ja, es wird für machbar gehalten. Natürlich nicht ganz einfach, es gibt verschiedene Klippen, wie wir sie auch in Europa sehen, aber auch den unbedingten Willen, das Thema hinzubekommen, und zeitnah hinzubekommen. Wenn wir uns das Thema Ende 2015 vornehmen, das habe ich mit vielen angesprochen, ist das ein zwar ehrgeiziger, aber realistischer Zeitplan. Vor dem Hintergrund der Wahlen in Amerika 2016 und den jetzigen Europawahlen, glaube ich, ist das möglich."
Auch in den USA gibt es die Befürchtung, mit TTIP könne eine Verschlechterung der Sicherheits- oder Umweltstandards einhergehen. Diese Befürchtungen müsse man ernst nehmen und ihnen mit Aufklärung entgegentreten. Sozial-, Sicherheits- und Umweltstandards dürften mit TTIP nicht aufgeweicht werden, meinte DIHK-Präsident Eric Schweitzer. Bei vielen Problemen könne man pragmatisch abhelfen, erklärt BDI-Chef Ulrich Grillo. So könne man zum Beispiel mit einer umfassenden Kennzeichnungspflicht für Lebensmittel dem Verbraucher die Entscheidung erleichtern.
"Es gibt viel Unsicherheit. Diese Unsicherheit resultiert teilweise aus Unkenntnis. Wir müssen also mehr erklären, die Funktionsweise, den Inhalt von TTIP erklären, den NGOs, den Verbänden, den Gewerkschaften. Wir müssen erklären, dass nicht daran gedacht ist, Produktstandards, Gesundheitsstandards, Sozialstandards zu senken, sondern sie zu halten."
Diese Befürchtungen gibt es in den USA genauso wie in Deutschland. Bei seinem Besuch sei ihm immer wieder gesagt worden, so Grillo, dass man keine Absenkung amerikanischer Standards wolle. Beide Seiten hätten also das Ziel, die jeweiligen Standards nicht zu senken. Das müsse man auch so kommunizieren, um einer skeptischen Öffentlichkeit die Angst zu nehmen - beiderseits des Atlantiks.
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