Freie Demokraten

Zuversicht ist jetzt Programm

Marie-Agnes Strack-Zimmermann im Gespräch mit Julius Stucke · 09.12.2013
Die FDP habe ein "gutes Produkt" und müsse sich nicht neu erfinden, sagt Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Sie ist die neue stellvertretende FDP-Parteivorsitzende und Erste Bürgermeisterin im Düsseldorfer Rathaus.
Julius Stucke: Die Liberalen sind lernfähig, meint der neue FDP-Chef Christian Lindner. Seine Lehre aus der Wahlschlappe: Weg von der Unionsabhängigkeit. Wir haben unseren eigenen Kompass, sagt er. Aber wo zeigt der hin? Klar ist, die FDP muss lernen – lernen, mit einer neuen Situation umzugehen, lernen, wie sich eine Partei aus der außerparlamentarischen Opposition zurückkämpfen kann. Die Instrumente, die Lindner dabei nutzen will, hat er am Wochenende beim Parteitag der FDP so beschrieben: APO ist Machete und Florett, Stammtisch und Talkshow, Straße und Feuilleton. Zur Führungsmannschaft, mit der Lindner die FDP zurückbringen will, dazu gehört auch Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Erste Bürgermeisterin im schwarz-gelb regierten Düsseldorf und nun neue Stellvertreterin des Parteichefs. Guten Morgen, Frau Strack-Zimmermann!
Marie-Agnes Strack-Zimmermann: Guten Morgen!
Stucke: Frau Strack-Zimmermann, Sie sind bislang voll und ganz in der Kommunalpolitik in Düsseldorf unterwegs gewesen und haben da auch eine Insel der Glückseligkeit für die FDP, kann man vielleicht sagen, politische Arbeit an der Basis – haben Sie ein bisschen Angst vor der großen Bundesbühne, jetzt als Stellvertreterin Lindners?
Strack-Zimmermann: Also ich glaube, dass Angst ein völlig falscher Ratgeber ist. Nein, Angst habe ich nicht. Ich habe natürlich sehr großen Respekt, mir ist die Dimension schon klar. Aber ich bin relativ gestählt, und weil Sie sagten, Düsseldorf, die Insel der Glückseligkeit, die ist ja nicht immer so gewesen, sondern wir haben natürlich in Düsseldorf seit 1999 hart daran gearbeitet. Das war auch nicht immer einfach, wie Sie sich vorstellen können. Aber ich habe hier sehr gute Erfahrungen gemacht und würde die gerne weitergeben.
Stucke: Mit welchen Erfahrungen aus der Kommunalpolitik können Sie denn der Bundes-FDP jetzt helfen?
Strack-Zimmermann: Ich glaube, dass es ziemlich wichtig ist, wenn man in einem solchen Gremium sitzt, den Herzschlag der Partei gewissermaßen auch mal rüberzubringen. Wir haben 57.000 Mitgliederinnen und Mitglieder, die in der Partei aktiv sind, davon allein 5000 Kommunalvertreter in der ganzen Bundesrepublik verteilt, und all diese Damen und Herren sind so wie ich unmittelbar an der Basis. Das heißt, hier sind wirklich unabhängig von Beruf, Gehalt, ob Mann, ob Frau, ob alt, ob jung, ob Migranten oder Menschen, die hier lange leben – all das haben wir unmittelbar vor Ort damit zu tun, und das erdet sehr, und ich glaube, das einzubringen, zu sagen, wo drückt der Schuh, was erwarten die Menschen, wie wollen sie leben beziehungsweise was sind Wünsche. Ich glaube, das kann man ganz gut einbringen und denen auch erklären, die aufgrund ihrer Arbeit eben längere Zeit nicht mehr an der Basis umhergegangen sind.
Stucke: Die Menschen und die Basis. Ist es genau das, was vielleicht auch die FDP, der FDP ihre Schlappe jetzt beschert hat, dass sie eben bislang zu wenig auf die Basis und auf die Menschen vor Ort geschaut hat?
Strack-Zimmermann: Ich glaube nicht. Ich glaube, was mit Sicherheit ein Problem war, dass wir gute Arbeit in Berlin gemacht haben, wir sind ja Teil einer Bundesregierung gewesen, die dieses Deutschland nach vorne gebracht hat, im Vergleich auch in Europa. Ich meine, die Zahlen sind ja phänomenal. Was ein Problem ist, wenn Sie arbeiten und gute Arbeit verrichten, dass Sie das natürlich auch transportieren müssen. Es hilft ja nicht, nicht darüber zu reden. Und ich glaube, es ist uns nicht gelungen, das, was die FDP geschafft hat, entsprechend zu transportieren. Sie können ein gutes Produkt haben mit guten Inhalten; wenn Sie aber keiner mehr wahrnimmt oder keiner mehr hinguckt, dann wird es schwierig. Also vermitteln muss man eine gute Nachricht schon.
Stucke: Frau Strack-Zimmermann, das war jetzt immer wieder zu hören, auch auf dem Parteitag, aber ist es wirklich nur das? Kann es sein, dass einfach nur das Produkt schlecht verkauft wurde?
"Wir sind die einzige Partei, die für eine offene Gesellschaft steht"
Strack-Zimmermann: Ja, das ist ja das, was ich sage. Wir haben ein gutes Produkt, wir sind eine Partei, die eine Wirtschaftskompetenz hat, die sich mit sozialen Belangen beschäftigt. Denn sie können ja nur sozial agieren, wenn Sie entsprechend vorher gewirtschaftet haben. Wir sind die einzige Partei, die für eine offene Gesellschaft steht, das heißt Toleranz walten lassen den Menschen gegenüber und nicht vorschreiben, wie sie zu leben, mit wem sie zu leben, wo sie zu leben haben, und offensichtlich sind diese drei, ich sag mal, Kernbotschaften, die den Liberalismus auch ausmachen, nicht richtig transportiert worden. Das ist unheimlich schade. Ich kann Ihnen sagen, gerade, wenn man an der Basis arbeitet und muss immer die eigene Berliner Politik erklären, ist das sehr mühsam und auch nicht sehr erfreulich.
Stucke: Das heißt aber auch, die FDP will jetzt nichts an den Inhalten ändern?
Strack-Zimmermann: Ich glaube nicht, dass es die Inhalte sind, sondern ich glaube daran, dass wir es schaffen müssen, dass die Menschen uns wieder zuhören. Und nicht reduziert werden auf eine Gruppe von Menschen, denen man nicht abnimmt, empathisch mit der Situation der Deutschen umzugehen. Ich glaube, das ist ein Problem. Es ist auch ein Vermittlungsproblem.
Ich halte nach wie vor unser Programm und das, was wir als wichtig erachten, halte ich nach wie vor für richtig. Wir müssen uns nicht neu erfinden, aber wir müssen dafür sorgen, dass die Menschen uns ernstnehmen, zuhören. Und ich glaube, Herr Stucke, dass angesichts der Situation in Berlin, große Koalition, Milliardenausgaben auf Kosten der nächsten und übernächsten Generation, das Ganze links angesiedelt mit einer noch linkeren Opposition, was ja schon schräg ist, muss ich sagen – ich glaube, dass in dieser Situation es sehr, sehr viele Menschen in Deutschland gibt, die dieses Korrektiv von uns erwarten. Das ist schwer außerhalb des Bundestages, keine Frage, aber wir werden alles daran setzen, und ich bin da auch sehr, sehr zuversichtlich, sonst würde ich auch nicht mitmachen, das mit Christian Lindner und den Kolleginnen und Kollegen, die neu im Präsidium sind, wir das auch schaffen werden.
Stucke: Frau Strack-Zimmermann, der SPD-Chef, Sigmar Gabriel, der hat angekündigt, dem Liberalismus in Deutschland eine neue Heimat zu geben. Wem gibt denn die FDP in Zukunft eine Heimat?
Strack-Zimmermann: Ach wissen Sie, das ist – ich hab das schon auf dem Parteitag gesagt, wenn einer ein Leben lang ein grünes oder rotes T-Shirt trägt und meint, er zieht jetzt ein gelbes an und ist liberal, also Herr Gabriel ist alles andere als liberal, und das wird auch in der SPD nicht zu finden sein, denn die Bevormundung, wie jemand zu leben hat, ist ja bei der Sozialdemokratie ausgesprochen ausgeprägt. Insofern – das wäre so, ich würde Ihnen heute sagen, ich trete in die linke Partei ein, und ich bin ein Fan von Gregor Gysi. Da würden auch alle sagen, na ja, gut, wir haben noch keinen Karneval. Nein, ich bin da wirklich – also dieses Anmaßen, Positionen zu beziehen, zu sagen, da war eine Partei über 150 Jahre, und wir übernehmen deren Inhalte. Ich glaube übrigens, dass die strammen Sozialdemokraten das gar nicht wollen.
Stucke: Also sozialliberal wird es 2017 nicht. Von der CDU wollen Sie sich jetzt auch abgrenzen, den eigenen Kompass hat Christian Lindner erwähnt – wie sehen Sie das denn als Mitglied einer schwarz-gelben Regierung in Düsseldorf, dieses Abgrenzen von der CDU?
"Kanzlerin hatte überhaupt keinen Respekt"
Strack-Zimmermann: Also, wenn Sie sagen, Herr Gabriel will jetzt liberale Politik machen, deswegen gäbe es 2017 keine sozialliberale Koalition, hat das eine mit dem anderen nichts zu tun. Ich glaube, dass die FDP noch nie so frei war wie heute. Es gibt keine Bündnisse
mehr, die automatisch kommen. Ich persönlich bin sehr gut gefahren mit der CDU hier in Düsseldorf. Das lag aber ganz einfach daran, dass wir dasselbe Ziel hatten, diese Stadt nach vorne zu bringen. Das lag am menschlichen Miteinander.
Natürlich geht es hier richtig zur Sache, wenn wir inhaltlich ringen, das ist doch klar, wir werden jetzt am Donnerstag den 15. ausgeglichenen Haushalt verabschieden von über 2,7 Milliarden Euro. Das macht man je nicht so nebenbei. Aber wir haben zugehört, wir haben hinter den Kulissen gerungen, und wir haben vor allen Dingen Respekt voreinander gehabt. Und das kann ich Ihnen sagen. Und das trifft auch 100 Prozent auf die Kanzlerin zu, die überhaupt keinen Respekt vor dem Koalitionspartner hatte. Das ist bedauerlich. Die SPD wird noch viel Freude mit der Kanzlerin haben. Aber ich habe gute Erfahrungen mit der CDU, aber das heißt nicht, dass das in anderen Kommunen, in anderen Gemeinden beziehungsweise auf Bundesebene nicht auch anders aussehen kann.
Stucke: Sagt Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Erste Bürgermeisterin in Düsseldorf, am Wochenende in die FDP-Führungsriege gewählt als Stellvertreterin Christian Lindners. Frau Strack-Zimmermann, vielen Dank, und Ihnen einen schönen Tag!
Strack-Zimmermann: Ich danke Ihnen. Tschüs, Herr Stucke!
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