Frei.Wild planen Coveralbum

Provokation läuft ins Leere

04:20 Minuten
Der Südtiroler Saenger Philipp Burger bei einem Konzert mit seiner Band Frei.Wild im Velodrom in Berlin.
Gute Songs schlecht nachgespielt: Der Südtiroler Sänger Philipp Burger bei einem Konzert mit seiner Band Frei.Wild. © picture alliance / Eventpress Hoensch
Ein Kommentar von Jenni Zylka · 21.06.2019
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"Frei.Wild" versuchen sich mit "Unsere Lieblingslieder" in Ironie. Es sei ein "Kinderalbum", darauf zu hören nachgespielte Songs von Die Ärzte, Casper oder Jennifer Rostock. Eine durchsichtige und schlecht gemachte Provokation, so Jenni Zylka.
"Ich möchte nicht, dass ihr meine Lieder singt", Jan Delay hatte das schon 2001 klar gemacht, und wer weiß, vielleicht hat die deutliche Aussage ihn tatsächlich davor bewahrt, von Frei.Wild gecovert zu werden. Andererseits: Es kann ihm schnuppe sein.
Frei.Wilds Idee, von ihnen verhasste Musik in eine Provokationsaktion gegen von ihnen verhasste Moralapostel einzubauen, geht ohnehin nicht auf. Das Modell klappt nicht– ökonomisch nicht, denn, wie die Band selbst sagt, hat sie die Songs 1:1 gecovert.

Gute Songs schlecht nachgespielt

Der Grund dafür ist, dass sie für eine Bearbeitung das Einverständnis der Urheber hätten einholen müssen. Damit bringt sie sich um sämtliche Gema-Einnahmen etwa bei Live-Konzerten, denn das Geld bleibt bei den ursprünglichen Komponisten. Air Play im Radio oder Begeisterung bei den einschlägigen Fans über den Skurrilitätsfaktor hinaus bekommt die Platte ohnehin nicht – wieso auch, selbst wenn Frei.Wild keine rechte Band wäre, offenbart sie sich damit immer noch als eine zum Schnarchen langweilige Truppe, die in diesem Fall gute Songs schlecht nachspielt. Und auch ideologisch funktioniert der im wahrsten Wortsinn kindische Rachefeldzug nicht.
Frei.Wild, deren Distanzierungsversuche vom Rechtspopulismus eh nie zuende gedacht waren, die sich nie so weit aus dem Fenster lehnten, dass eine klare Haltung erkennbar wurde, stilisieren sich mit der "Lieblingslieder"-Aktion unfreiwillig als eingeschnappte, vom Erfolg und der Punktlandung des 90er-Jahre-Ärzte-Hits "Schrei nach Liebe" immer noch erschütterte Opfer.
Opfer von zahlreichen Echo-Skandalen, Opfer der gemeinen Lügenpresse, die sie immer wieder aufs Korn nahm, Konsequenz einforderte und nicht bekam: Wenn es den Südtirolern tatsächlich ernst gewesen wäre mit ihrer neuerlichen Positionierung fernab vom Völkischen, dann hätten sie besagte Bands längst um Gespräche, um Hilfe oder um musikalische Kooperationen gebeten.

Ironie muss man können

Stattdessen versuchen sie sich nun in einer zwar wackeligen, aber erkennbaren Rhetorik, die mit Ironie spielt, ohne diese Technik wirklich zu kapieren, an etwas Subversivem und können sich doch nur minimal ins Fäustchen lachen, in der Hoffnung, die angeblichen Gegenspieler tüchtig geärgert zu haben. Haben sie aber nicht.
Die Ärzte, Kraftklub, Casper, Feine Sahne Fischfilet, Jennifer Rostock und so weiter haben vermutlich nicht mal leise geniest. Anderer Menschen Qualitätsmusik lässt sich nämlich nicht so einfach wegnehmen, nicht so einfach aneignen und schon gar nicht mit Todesverachtung interpretieren, ohne dass die Interpreten lächerlich aussehen.

Beleidigte rechte Leberwurst

Frei.Wilds Eins-Auswischen-Intention kehrt sich in dem Augenblick um, in dem sie durch die Aktion anerkennen, wie bedeutungsvoll die Originale sind, denn sonst hätten sie sie wohl kaum ausgesucht. Die Provokation um nichts als ihrer selbst Willen strahlt so deutlich aus der "Lieblingslieder"-Platte heraus, dass einem die Augen wehtun.
Frei.Wild macht, wie viele in der Szene, auf beleidigte rechte Leberwurst, die ja eigentlich keine wirkliche rechte Leberwurst ist. Aber man wird das mit dem Blut und Boden doch noch mal singen dürfen. Doch sie bleiben die Minderheit. Denn nicht umsonst gibt es den Hashtag #wirsindmehr.
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