Frauke Buchholz: "Blutrodeo"

Im Schatten der Rocky Mountains

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Das Cover des Krimis von Frauke Buchholz, "Blutrodeo". Es zeigt einen Gebirgsee, in dem sich die Berge spiegeln, die im Hintergrund auch zu sehen sind. Das Buch ist auf der Krimibestenliste von Deutschlandfunk Kultur.
© Pendragon
BlutrodeoPendragon, Bielefeld 2022

263 Seiten

18,00 Euro

Von Thomas Wörtche · 28.10.2022
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Die Kriege der alten weißen Männer: Frauke Buchholz beschäftigt sich in ihrem Kanada-Krimi „Blutrodeo“ auch mit den ungeheuerlichen Umweltschäden, welche die Ölindustrie im dünn besiedelten Westen des Landes anrichtet.
„Blutrodeo“, der Titel des zweiten Romans von Frauke Buchholz, bezieht sich auf die „Calgary Stampede“, das größte Rodeo der Welt, das seit 1912 in der kanadischen Provinz Alberta stattfindet. Dorthin, im dünn besiedelten, aber ölreichen Westen, kommt der freischaffende Profiler Ted Garner, um eine Mordserie an sehr alten, schon eher moribunden Männern aufzuklären, denen man die Kehle durchgeschnitten hatte. Auch Garners Vater, ein knochenharter Ex-Colonel und Vietnam-Veteran, lebt in dieser Gegend. Zusammen mit Samantha Stern, der jüngsten Chief Superintendent der Royal Canadian Police von Alberta, macht sich Garner an die Arbeit.
Die Verbrechen scheinen mit der Stampede zu tun zu haben, mit dem Öl-Business und mit dem Vietnam-Krieg. Deswegen gerät auch Garners Vater in Gefahr, während der Profiler und Samantha Stern eher zunächst ein Hund-und-Katz-Verhältnis haben. Klar ist, dass Rache bei den Morden eine wesentliche Rolle spielt. Weniger klar, ob die Machenschaften eines gigantischen Öl-Konzerns der Auslöser für die Untaten sind oder ob die Wurzeln des Dramas nicht noch tiefer liegen.

Unterhaltsame Zickerei

Strukturell gesehen ist „Blutrodeo“ also ein fast klassisch zu nennender Ermittler-Roman plus Buddy-Motiv, der auch von einer nordamerikanischen Autorin stammen könnte. Zeitgeistig ist dabei Samantha Stern der dominantere Teil des Gespanns, während Garners muchomacho-Pose zwar nicht radikal dekonstruiert wird, aber zunehmend bröckelt. Samantha Stern, aus Israel eingewandert, wo sie in der Armee gedient hatte, ist die letztlich taffere Komponente des Duos, dessen Zickereien durchaus unterhaltsam sind.
Einen wichtigen und beeindruckenden Hintergrund für die Geschichte bilden aber die Schilderungen der ungeheuerlichen Umweltschäden, die die Ölindustrie in diesem Teil der Welt anrichtet und selbst die unendlichen Weiten von Zentralkanada an den Rand der Vernichtung treiben. Mit schlimmsten Folgen auch für die Menschen, die dort leben und arbeiten. Noch erheben sich majestätisch und erhaben die Rocky Mountains am Horizont, „erhaben“ im Sinn der Ästhetik, irgendwo zwischen Burke, Kant und Schiller: gleichzeitig furchterregend und schön.

Feines Handwerk

Es wäre unfair, „Blutrodeo“ in die Reihe der zurzeit boomenden „Destination-Krimis“ zu stellen, also Krimis, die an beliebten Touristenzielen spielen. Frauke Buchholz hat lange in Kanada gelebt und sich mit den dortigen Kulturen beschäftigt. Ihr Blick auf Land und Leute ist scharf und präzise, ganz sicher nicht folkloristisch. Dass sie für ihre Geschichte einen Standard-Plot und eine Standard-Inszenierung gewählt hat - verschiedene Erzähler auf verschiedenen Zeitebenen, aber deutlich für Haupt- und Nebenfiguren gewichtet - ist clever. Feines, traditionelles Handwerk: ein Buch, das man gerne liest.