Frauenzentrum

"Gott hat kein Geschlecht"

Moderation: Kirsten Dietrich · 25.01.2014
Das Ökumenische Frauenzentrum "Evas Arche" bekommt eine Auszeichnung vom Ökomenischen Rat Berlin-Brandenburg. Die katholische Theologin Anne Borucki-Voß lädt Menschen aller Konfessionen in das Frauenzentrum.
Kirsten Dietrich: Seit 16 Jahren verleiht der Ökumenische Rat Berlin-Brandenburg jährlich einen Ökumenepreis für Projekte oder Einzelpersonen, die sich – so heißt es in der Ausschreibung – in besonderer Weise um die Einheit der Christen und um ein gemeinsames Engagement von Christinnen und Christen verschiedener Konfessionen verdient gemacht haben. In diesem Jahr wurde ein ganz besonderes Frauenprojekt aus Berlin ausgezeichnet: die Initiative "Evas Arche", das erste und einzige Ökumenische Frauenzentrum in Deutschland, wie es in der Selbstbeschreibung "Evas Arche" heißt. Ich habe vor der Sendung mit der katholischen Theologin Anne Borucki-Voß gesprochen, sie ist Bildungsreferentin in "Evas Arche", und ich wollte von ihr wissen, wie das sein kann, dass nur "Evas Arche" solch eine von Anfang an ökumenisch angelegte Frauenarbeit macht.
Anne Borucki-Voß: Frauenzentren gibt es tatsächlich eine ganze Menge, gibt es ja auch in Berlin ganz viele, aber ökumenisch, da sind wir wirklich das einzige. Also wir berufen uns auf das christliche Menschenbild, das ist die Grundlage unserer Arbeit, und und es gehören eben auch spirituelle Angebote bei uns mit dazu, ohne dass wir, sage ich mal jetzt, an der Eintrittstür nach dem Taufschein fragen. Also wir sind offen für alle Frauen. Alle Frauen, unabhängig von ihrem Hintergrund, ihrer Religion können zu uns kommen, aber wir, die wir hier arbeiten, unser Vorstand, wir berufen uns auf das christliche Menschenbild. Und wir wollen Frauen als Ebenbilder Gottes, als Töchter Gottes wertschätzen und ihnen hier einen Raum geben.
Dietrich: "Evas Arche" heißt Ihr Verein, das klingt archaisch, biblisch natürlich, sehr urbildlich. Wie ist dieser Name entstanden, warum dieser Name?
Borucki-Voß: Ja, natürlich hat der Name einen biblischen Bezug, Eva, die Mutter alles Lebendigen nach der biblischen Überlieferung, die erste Frau und eben die Mutter alles Lebendigen, also so das Lebendige soll bei uns bewahrt und geschützt werden. Die Arche, in der biblischen Überlieferung die Arche Noah, Schutzraum vor der Sintflut, Bewahrung des Lebens, für uns eben ist "Evas Arche" ein Schutzraum für Frauen, ein Raum, in dem sich Frauen entfalten können, um dann auch wieder nach draußen zu gehen, sich zu engagieren, verschiedene Dinge zu tun. Also wir verstehen uns nicht so nur als die heile, kleine Insel, sondern wir wollen durchaus auch wirken in die Gesellschaft hinein.
Dietrich: "Evas Arche" ist in ihrer Entstehung ein Produkt der unmittelbaren Wendezeit, entstanden in Berlin 1992. Vorletztes Jahr haben Sie 20-jähriges Bestehen gefeiert. Wie kam es zur Gründung dieses ökumenischen Frauenzentrums?
Borucki-Voß: Also schon vor der Wende, Ende der 80er-Jahre, hat sich in Ostberlin eine Gruppe von Frauen gebildet, die einen Ort für Frauen suchten und schaffen wollten, und nach der Wende gab es dafür ganz neue Möglichkeiten, viel Aufbruchsstimmung hier in der Stadt, auch finanzielle Möglichkeiten, so was zu realisieren. Und letztendlich haben sich die Initiatorinnen eben auch dafür entschieden, das nicht unter dem Dach einer Kirche – also für sie wäre, glaube ich, eher die evangelische Kirche infrage gekommen, weil viele der Initiatorinnen evangelisch waren –, also das eben nicht unter dem Dach der evangelischen Kirche zu tun, sondern dafür einen Verein zu gründen und, ja, das Frauenzentrum damit auch ein Stück unabhängig von den kirchlichen Strukturen zu machen.
Begegnungsort von Frauen aus Ost und West
Dietrich: Spürt man diese ost-westliche Gründungsgeschichte noch heute in Ihrer Arbeit?
Borucki-Voß: Es war in der Anfangszeit was ganz Wichtiges, dass "Evas Arche" so ein Begegnungsort von Frauen aus Ost und West war, ein Verständigungsort auch. Es spielt jetzt im Alltag nicht mehr so die Rolle. Manchmal merken wir das schon in unseren Veranstaltungen, dass es wichtig ist, wo eine Frau herkommt, das äußert sich ja heutzutage nicht mehr im Wohnort, also es gibt ja auch Westfrauen, die in Pankow oder in Prenzlauer Berg wohnen, aber sozusagen von der Prägung her spielt es zum Teil schon noch eine Rolle und wird auch in unseren Veranstaltungen dann aufgegriffen.
Dietrich: Wie hat sich die Arbeit in den gut 20 Jahren verändert? Hat die "Evas Arche" der Gründerjahre noch was zu tun inhaltlich mit dem Verein heute, oder ist das ganz anders geworden?
Borucki-Voß: Es gibt vieles, was gleich geblieben ist oder ähnlich geblieben ist, es gibt also Veranstaltungsformate, die uns wirklich fast seit 20 Jahren begleiten, die monatliche Frauenliturgie zum Beispiel oder unser Mittwochsfrühstück. Das sind so Veranstaltungen, die es fast seit den Anfängen gibt. Es hat sich aber auch vieles verändert. Also am Anfang war "Evas Arche" auch viel ein Treffpunkt für Selbsthilfegruppen, das ist es jetzt nicht mehr so. Auch der Bereich Körperarbeit, der am Anfang eine wichtige Rolle spielt, ist jetzt nicht mehr so wichtig. Yoga kann man an jeder Straßenecke, sage ich mal, machen, dazu braucht es nicht mehr "Evas Arche" dazu, da sehen wir auch nicht mehr unsere Hauptaufgabe da drin, solche Angebote zu machen.
Dietrich: Ihr Programm ist ja sehr bunt und sehr vielfältig: Da findet sich das kreative Schreiben oder Frauenwanderungen durch Berlin, aber da findet sich auch so etwas wie ein Unternehmerinnen-Frühstück.
Borucki-Voß: Ja, wir wollen halt ein Kommunikationsort für ganz unterschiedliche Frauen sein. Der Schwerpunkt Unternehmerinnen ist relativ neu bei uns, erst seit anderthalb Jahren vielleicht bieten wir da Unternehmerinnen hier einen Vernetzungsort an. So ein neuer Schwerpunkt dauert natürlich auch immer, bis das so ein bisschen ins Rollen kommt, aber das läuft jetzt eigentlich sehr gut. Und andere Sachen, also zum Beispiel die Frauenwanderungen, gibt es auch schon relativ lange. Die werden übrigens von einer sehr engagierten Ehrenamtlichen geleitet, die sich da auch immer wieder was Neues ausdenkt, auch immer gut ausdenkt, wie es zur Jahreszeit passt. Und das ist für viele Frauen was ganz Wichtiges, da nehmen immer sehr viele Frauen dran teil.
Dietrich: Ein großer Schwerpunkt in Ihrem Programm sind Alleinerziehende, die ja gerade in den Kirchen traditionellerweise eher gar nicht so sehr im Zentrum stehen, da hat man doch eher die traditionelle Familie mit Vater, Mutter, Trauschein. Wie kommt es dazu, dass Sie jetzt speziell für Alleinerziehende Angebote machen?
Borucki-Voß: Uns ist es ein wichtiges Anliegen, eben Frauen ins Zentrum zu rücken, die eben sonst nicht so im Zentrum stehen, wie Sie das ja in Ihrer Frage beschrieben haben. Und deshalb: Wir haben schon sehr lange ein Mutter-Kind-Frühstück, zu dem Alleinerziehende natürlich auch kommen können und auch kommen. Aber jetzt gibt es eben speziell jetzt Angebote für Alleinerziehende: am Samstagnachmittag einmal im Monat Kaffeetrinken mit Programm, auch für die Kinder – gerade am Wochenende schildern uns das Frauen immer wieder, dass ihnen als Alleinerziehende dann manchmal fast die Decke auf den Kopf fällt und sie froh sind, hier ein Angebot zu haben, wo sich die Mütter austauschen können, wo aber auch die Kinder ein adäquates Angebot haben.
"Gott wird nicht nur als Vater, Herr und Richter bezeichnet"
Dietrich: Anderes Thema, das fand ich ganz interessant, ist ein Schwerpunkt für demenzkranke Frauen. Sie schulen Ehrenamtliche, die die demenzkranken Frauen begleiten. Seit wann machen Sie das?
Borucki-Voß: Das ist ein relativ junges Projekt, also das zweite Jahr ist dieses Projekt, das ist gerade gestartet. Wir hatten über viele Jahre ein Projekt, wo langzeitarbeitslose Frauen bei uns für eine bestimmte Zeit eine Anstellung bekommen haben und Seniorinnen begleitet haben. Dieses Projekt, das war nicht mehr möglich. Wir haben jetzt sozusagen auch da den Schwerpunkt etwas verändert, dass es eben jetzt um demenzkranke Frauen geht. Was unsere Arbeit, denke ich, auszeichnet, dass die Ehrenamtlichen sehr gut auf ihren Dienst vorbereitet und begleitet werden, und das schätzen die Ehrenamtlichen auch sehr, dass nicht einfach nur gesagt wird, hier, Adresse dieser Frau, mach mal, geht mal hin, sondern dass da viele Vorgespräche stattfinden, einmal im Monat gibt es hier ein Treffen der Ehrenamtlichen zum Austausch aber auch zur Fortbildung, es gibt darüber hinaus Fortbildungstage für die Ehrenamtlichen. Ja, und das Projekt läuft ganz gut an.
Dietrich: Was machen die Ehrenamtlichen dort, also was bedeutet das ganz konkret, diese Begleitung im Alltag?
Borucki-Voß: Die besuchen einmal in der Woche so eine demenzkranke Frau und machen ganz unterschiedliche Sachen mit denen. Manche gehen einfach mit denen spazieren. Manche spielen Spiele, unterhalten sich mit denen. Also, viele der Frauen, die von uns betreut werden, leben ja zu Hause, werden sonst von ihren Angehörigen betreut und gepflegt, sodass die Angehörigen dann auch mal eine Auszeit sich nehmen können. Und darüber sind die sehr, sehr froh.
Dietrich: Sie feiern miteinander Gottesdienst, ungeachtet der Kirchenzugehörigkeit. Das schreiben Sie über sich selber. Wie weit gehen Sie dabei? Was bedeutet das vor allem für die katholischen Frauen in Ihrer Gruppe, also welche Formen des Gottesdienstes sind da möglich?
Borucki-Voß: Wir feiern hier einmal im Monat im kleinen Kreis eine Frauenliturgie, da ist uns vor allen Dingen wichtig eine frauengerechte oder gendergerechte Sprache, Frauen werden genannt und angesprochen und vor allen Dingen: Von Gott wird auch ganz unterschiedlich gesprochen. Also, Gott wird nicht nur als Vater, Herr und Richter bezeichnet, sondern genauso auch als Mutter, als die Lebendige, ja, als die Ewige, also auch mit weiblichen Bezeichnungen bezeichnet. Das ist ja was, was sozusagen in der Theorie, auch in der katholischen Kirche nicht abgestritten wird, also weder von der evangelischen noch von der katholischen Kirche, alle sagen ja, Gott hat kein Geschlecht, bloß dem dann auch in der gottesdienstlichen Sprache einen Ausdruck zu verleihen, da hinkt die Praxis dann oft noch hinterher, finde ich. Und da bieten wir einen Raum, es anders zu machen. Viele katholische Frauen, die zu uns kommen, sind durchaus sehr in ihrer Gemeinde verwurzelt, und die sagen dann immer: Ja, ja, und da finde ich ja auch und da ist ja auch und ich fühle mich ja da auch ganz wohl, aber … Es gibt halt einen Aspekt, den sie vermissen, das ist gerade diese weibliche Gottesrede und auch selber die Ansprache als Frauen.
"Erziehung soll nicht nur eine Sache von Frauen sein"
Dietrich: Ist es dann möglich, miteinander irgendeine Form der Mahlfeier zu haben?
Borucki-Voß: Manchmal ergibt sich das so, also auch vom Thema der Andacht, dass es dann ein Teilen des Brotes ist. Wir würden das nicht als Abendmahl oder Eucharistie bezeichnen und wollen da auch nicht in Konkurrenz treten. Also wir suchen dann eher auch andere Formen.
Dietrich: Angebote von Frauen für Frauen, das wirkt inzwischen ja fast ein bisschen aus der Zeit gefallen, denn auch in Kreisen der Kirchen wird inzwischen eher statt von feministischer Theologie doch von Gendertheorie irgendwo gesprochen und Frauenarbeit eher so ganz generell mit Familienarbeit übersetzt. Wie gut übersetzt sich denn dieses leicht anachronistische, aber irgendwie auch dieses ganz bewusste Einen-Standpunkt-für-Frauen-Beziehen in die heutige Zeit, also spricht das auch jüngere Frauen an?
Borucki-Voß: Wir müssen natürlich gucken, für jüngere Frauen auch spezielle Angebote zu schaffen. Das liegt aber auch, denke ich, an der Lebensphase, dass halt Frauen, die, wie man so schön sagt, in der Rushhour des Lebens sich befinden mit Beruf und Familie, dass die halt dann abends nicht zu einem Vortrag kommen können. Deshalb gibt es ja Mutter-Kind-Frühstück, deshalb gibt es Unternehmerinnen-Frühstück. Ja, wir werden da immer mal wieder angefragt: Ja, dürfen denn zu euch keine Männer kommen? Oder warum ist denn die und die Veranstaltung nur für Frauen? Wir formulieren es ja auch von Frauen für Frauen und nicht nur für Frauen. Wir haben uns dafür entschieden, in der Regel unsere Veranstaltungen für Frauen zu machen. Da hat sich auch unser Vorstand noch mal vor einigen Jahren intensiv damit auseinandergesetzt und diese Linie also beibehalten. Wir haben gelegentlich durchaus Veranstaltungen, die für Männer und Frauen sind, einmal aus inhaltlichen Gründen – wir haben zum Beispiel in Kooperation mit der evangelischen Familienbildung im Kirchenkreis Stadtmitte ein Veranstaltungsformat Familiensalon, wo es um Erziehungsfragen geht, und da ist es uns gerade aus so einem feministischen Blickwinkel eigentlich auch wichtig, dass wir sagen: Erziehung soll nicht nur eine Sache von Frauen sein, sondern auch von Frauen und Männern. Das ist also für Frauen und Männer, und ansonsten noch besondere Angelegenheiten. Wir denken schon, dass es nach wie vor diesen Gesprächsraum für Frauen braucht.
Dietrich: Anne Borucki-Voß, Bildungs- und theologische Referentin bei "Evas Arche". Das Frauenzentrum ist gerade mit dem Ökumenepreis des Ökumenischen Rats Berlin-Brandenburg ausgezeichnet worden.
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