Frauenrechtlerin: Aufnahme von Deutsch ins Grundgesetz ist traurig
Die Frauenrechtlerin und Juristin Seyran Ates sieht die Diskussion über die Aufnahme von Deutsch als offizielle Sprache in das Grundgesetz als Hinweis auf nicht gelungene Integrationsbemühungen. Sie finde aber nicht, dass dieser Schritt Ängste vor einer weniger offenen Gesellschaft schüre.
Katrin Heise: Und jetzt bin ich mit der Frauenrechtlerin und Rechtsanwältin Seyran Ates verbunden. Schönen guten Tag, Frau Ates!
Seyran Ates: Guten Tag, Frau Heise! Ich muss Sie zunächst korrigieren, ich bin keine Anwältin mehr, nur Juristin und Frauenrechtlerin.
Heise: Juristin und Frauenrechtlerin Seyran Ates. Frau Ates, welche Auswirkungen hätte Ihrer Meinung nach eine solche Festlegung auf die deutsche Sprache?
Ates: Also Herr Wolff hat das ja uns jetzt gerade sehr unklar beschrieben, also er ist ja sich selbst nicht sicher, ob tatsächlich dieser Staatszielauftrag dort so formuliert wird, dass wir diese Folgen, die er da zeichnet, sehen. Ich denke, es ist eher die Angst, dass es immer enger wird, auch hier in Deutschland. Also das hat er ja uns wunderbar erklärt, dass diese offene Verfassung, die zu dieser offenen Gesellschaft geführt hat, und aufgrund der Vergangenheit Deutschlands natürlich auch auf eine Geschichte zurückzublicken ist, wo man nicht unbedingt Deutsch als Sprache festlegen wollte. Das hat ja seine Gründe. Dass das alles rückwärts gewandt ist, wird beziehungsweise sehr viel mehr konservativ und nicht mehr der multikulturellen, pluralen Gesellschaft entspricht, also dass man das jetzt einführt, dass da Ängste entstehen können, dass Deutschland sich der Multikulturalität und der Pluralität der Kulturen und Ethnien sich nicht öffnet, dass diese Angst damit geschürt wird. Ich sehe das nicht so.
Also ich find’s auch traurig, dass wir in einer Situation sind, dass der Staat meint, Deutsch als Staatssprache oder als Landessprache nun festlegen zu müssen. Das heißt, wir sind in der Diskussion offensichtlich in eine Sackgasse geraten, wo diese Regierung jetzt meint, das explizit aufnehmen zu müssen. Deshalb müssen wir uns andersherum die Realitäten anschauen und schauen, was hat dazu geführt, dass diese Regierung jetzt meint, sie müsse das aufnehmen, weil immer weniger Deutsche auch gut deutsch sprechen und auch diejenigen, die zuwandern, dass es da immer noch Probleme und große Diskussionen gibt über die Sprache.
Heise: Das heißt, wenn Sie jetzt aus Ihrer Warte heraus die Realität eben beschauen, dann meinen Sie, die Situation ist eine solche, die erfordert solche Zwangsmaßnahmen?
Ates: Es muss nicht diese Zwangsmaßnahme sein, aber diese Zwangsmaßnahme zeigt noch mal deutlich, dass offensichtlich nicht ausreichend alle sich darum bemühen, dass Menschen, die hier leben und auch sich wirklich ehrlich bemühen, dass alle Menschen, die hier leben, so gut es geht und am besten perfekt deutsch sprechen, dass das eine Selbstverständlichkeit ist. Es gibt ja auch Vorschläge, dass unsere Nationalhymne, die deutsche, auf Türkisch gesungen wird. Es wird immer wieder die türkische Sprache noch parallel zu der deutschen Sprache gestellt. Und diese Diskussionen, meine ich, haben jetzt unter anderem dazu geführt, dass diese Regierung, die durchaus teilweise vielleicht rückwärtsgewandte Gedanken hat, das kann ich denen nicht unterstellen, das geht gar nicht, das kann ich nicht so tun, wie Herr Wolff das macht. Ich weiß nicht, welche Motive dazu geführt haben, dazu müsste man sie befragen. Und auch die Folgen konnte er ja auch nicht selbst…
Heise: Ich würde gern da einhaken, wo Sie eben sagten, diese Vorschläge, also türkische Sprache oder deutsche Nationalhymne auf Türkisch, kommen ja von Christian Ströbele, dem grünen Abgeordneten, die halten Sie für sehr kontraproduktiv, höre ich raus?
Ates: Ich finde das mehr als kontraproduktiv. Schauen Sie, es gibt sehr viele Menschen, die aus der Türkei hierhergekommen sind und hier leben, die sprechen türkisch. Aber es gibt gleichzeitig auch sehr viele, die kurdisch sprechen. Die haben in der Türkei schon wegen ihrer kurdischen Sprache viel Leid erfahren. Jetzt müssen sie in Deutschland oder jetzt sollen sie in Deutschland neben Deutsch – sie sind ja nach Deutschland teilweise geflüchtet – auch noch die türkische Sprache vor die Nase gehalten bekommen. Und ich bin Türkin, ich spreche sehr gerne türkisch, meine Tochter spricht das, ich habe nichts gegen die türkische Sprache, aber ich sehe, dass in unserem Land mehr Menschen leben mit vielen, vielen Sprachen, als nur die türkische Sprache hier präsent ist.
Heise: Also meinen Sie, das wäre dann wieder eine Einengung, die auch nicht vernünftig ist?
Ates: Nein.
Heise: Kenan Kolat, der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, hält das Vorhaben, die deutsche Sprache im Grundgesetz zu verankern, für einen Assimilierungsdruck und für nicht mit demokratischen Gepflogenheiten vereinbar.
Ates: Es wundert mich nicht, dass Herr Kolat das sagt, er steht ja für die Türkische Gemeinde, die sehr stark verbunden ist mit der Türkei und hier in Deutschland Türkeipolitik macht. Also der Verein Türkische Gemeinde ist ja ebenso rückwärtsgewandt und sehr nationalistisch teilweise eingestellt und sehr konzentriert eben auf das Türkisch. Und das, meine ich, ist kontraproduktiv für unsere multikulturelle Gesellschaft. Wir leben mit vielen Kulturen, und das muss sichtbar werden. Wenn schon, dann geht es darum, dass wir hier eine Internationalität zeigen und andere Sprachen ebenso gesehen werden. Was ist mit Italienisch, Spanisch, Griechisch, was ist mit den vielen Asiaten und schwarzen Menschen, die inzwischen auch in Deutschland leben? All diese Menschen fühlen sich neben Deutsch und Türkisch minderwertig.
Heise: Haben Sie das Gefühl, dass, wenn Deutsch im Grundgesetz verankert wird, dass genau diese Gruppen, dass die anderen Migrantengruppen sich dann aufgewertet fühlen? Das klingt mir doch ein bisschen weit hergeholt.
Ates: Nein, ich finde ja die Diskussion darum wichtig, warum Deutschland die Notwendigkeit sieht, etwas Selbstverständliches aufzunehmen. In der Türkei ist das ja auch schon immer gewesen, dass die türkische Sprache dort in der Verfassung steht. Also ich sage nicht, dass die anderen aufgewertet werden, wenn es da drinsteht, nein, ich finde die Paralleldiskussion, dass Türkisch noch dazugenommen werden sollte, die war kontraproduktiv unter anderem.
Heise: Meinen Sie nicht, dass letztendlich es nicht auf das Symbol im Grundgesetz ankommt, sondern mehr auf das, was letztendlich am Bildungsangebot gemacht wird, um eben den Migranten den Einstieg in die deutsche Sprache zu erleichtern?
Ates: Auf jeden Fall, das sage ich auch gebetsmühlenartig. Frühkindliche Erziehung, Kindergartenpflicht für alle Kinder, nicht nur Kinder mit dem sogenannten Migrationshintergrund, das, was wir in der Realität leben, das macht letztendlich aus, ob wir es schaffen, friedlich zusammenzuleben mit den vielen Kulturen. Gesetze sind wichtig, ich als Juristin weiß das zu schätzen, sie haben auch gesellschaftliche Signale, sie sagen auch was aus darüber, politisch auch was darüber aus, in welchem Zustand das Land sich befindet, insofern gibt es jetzt hier auch eine politische Aussage mit dieser Absicht, natürlich. Aber das andere ist richtig, was Sie sagen, es ist viel wichtiger, es in den Schulen und im Alltag zu installieren, dass wir in der Lage sind, die deutsche Sprache auch zu vermitteln, also Deutschland tatsächlich ein Bildungsland wieder wird.
Heise: Sind Sie also letztendlich als Resümee froh, wenn dieses Signal im Grundgesetz gesetzt wird?
Ates: Nein, nicht unbedingt. Ich finde es schade, so rum würde ich das unterschreiben und formulieren. Ich finde es schade, dass wir in Deutschland so weit gekommen sind, dass wir das ins Grundgesetz aufnehmen müssen – und da kann ich Herrn Wolff folgen –, weil wir ja eine wirklich sehr offene und den allgemeinen Menschenrechten entsprechende, sehr weitgehende offene Verfassung hatten und bisher der Staat sich sehr zurückhaltend verhalten hat. Also wir leben hier eigentlich in einem Land, in dem der Staat sich so weit es geht zurückhält und so viel wie möglich Bürgerrechte, Freiheitsrechte zulässt.
Heise: Vielen Dank! Das sagt Seyran Ates, sie ist Frauenrechtlerin und Juristin, über die Festlegung auf die deutsche Sprache im Grundgesetz. Frau Ates, ich danke Ihnen recht herzlich für das Gespräch!
Ates: Danke auch, Frau Heise!
Seyran Ates: Guten Tag, Frau Heise! Ich muss Sie zunächst korrigieren, ich bin keine Anwältin mehr, nur Juristin und Frauenrechtlerin.
Heise: Juristin und Frauenrechtlerin Seyran Ates. Frau Ates, welche Auswirkungen hätte Ihrer Meinung nach eine solche Festlegung auf die deutsche Sprache?
Ates: Also Herr Wolff hat das ja uns jetzt gerade sehr unklar beschrieben, also er ist ja sich selbst nicht sicher, ob tatsächlich dieser Staatszielauftrag dort so formuliert wird, dass wir diese Folgen, die er da zeichnet, sehen. Ich denke, es ist eher die Angst, dass es immer enger wird, auch hier in Deutschland. Also das hat er ja uns wunderbar erklärt, dass diese offene Verfassung, die zu dieser offenen Gesellschaft geführt hat, und aufgrund der Vergangenheit Deutschlands natürlich auch auf eine Geschichte zurückzublicken ist, wo man nicht unbedingt Deutsch als Sprache festlegen wollte. Das hat ja seine Gründe. Dass das alles rückwärts gewandt ist, wird beziehungsweise sehr viel mehr konservativ und nicht mehr der multikulturellen, pluralen Gesellschaft entspricht, also dass man das jetzt einführt, dass da Ängste entstehen können, dass Deutschland sich der Multikulturalität und der Pluralität der Kulturen und Ethnien sich nicht öffnet, dass diese Angst damit geschürt wird. Ich sehe das nicht so.
Also ich find’s auch traurig, dass wir in einer Situation sind, dass der Staat meint, Deutsch als Staatssprache oder als Landessprache nun festlegen zu müssen. Das heißt, wir sind in der Diskussion offensichtlich in eine Sackgasse geraten, wo diese Regierung jetzt meint, das explizit aufnehmen zu müssen. Deshalb müssen wir uns andersherum die Realitäten anschauen und schauen, was hat dazu geführt, dass diese Regierung jetzt meint, sie müsse das aufnehmen, weil immer weniger Deutsche auch gut deutsch sprechen und auch diejenigen, die zuwandern, dass es da immer noch Probleme und große Diskussionen gibt über die Sprache.
Heise: Das heißt, wenn Sie jetzt aus Ihrer Warte heraus die Realität eben beschauen, dann meinen Sie, die Situation ist eine solche, die erfordert solche Zwangsmaßnahmen?
Ates: Es muss nicht diese Zwangsmaßnahme sein, aber diese Zwangsmaßnahme zeigt noch mal deutlich, dass offensichtlich nicht ausreichend alle sich darum bemühen, dass Menschen, die hier leben und auch sich wirklich ehrlich bemühen, dass alle Menschen, die hier leben, so gut es geht und am besten perfekt deutsch sprechen, dass das eine Selbstverständlichkeit ist. Es gibt ja auch Vorschläge, dass unsere Nationalhymne, die deutsche, auf Türkisch gesungen wird. Es wird immer wieder die türkische Sprache noch parallel zu der deutschen Sprache gestellt. Und diese Diskussionen, meine ich, haben jetzt unter anderem dazu geführt, dass diese Regierung, die durchaus teilweise vielleicht rückwärtsgewandte Gedanken hat, das kann ich denen nicht unterstellen, das geht gar nicht, das kann ich nicht so tun, wie Herr Wolff das macht. Ich weiß nicht, welche Motive dazu geführt haben, dazu müsste man sie befragen. Und auch die Folgen konnte er ja auch nicht selbst…
Heise: Ich würde gern da einhaken, wo Sie eben sagten, diese Vorschläge, also türkische Sprache oder deutsche Nationalhymne auf Türkisch, kommen ja von Christian Ströbele, dem grünen Abgeordneten, die halten Sie für sehr kontraproduktiv, höre ich raus?
Ates: Ich finde das mehr als kontraproduktiv. Schauen Sie, es gibt sehr viele Menschen, die aus der Türkei hierhergekommen sind und hier leben, die sprechen türkisch. Aber es gibt gleichzeitig auch sehr viele, die kurdisch sprechen. Die haben in der Türkei schon wegen ihrer kurdischen Sprache viel Leid erfahren. Jetzt müssen sie in Deutschland oder jetzt sollen sie in Deutschland neben Deutsch – sie sind ja nach Deutschland teilweise geflüchtet – auch noch die türkische Sprache vor die Nase gehalten bekommen. Und ich bin Türkin, ich spreche sehr gerne türkisch, meine Tochter spricht das, ich habe nichts gegen die türkische Sprache, aber ich sehe, dass in unserem Land mehr Menschen leben mit vielen, vielen Sprachen, als nur die türkische Sprache hier präsent ist.
Heise: Also meinen Sie, das wäre dann wieder eine Einengung, die auch nicht vernünftig ist?
Ates: Nein.
Heise: Kenan Kolat, der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, hält das Vorhaben, die deutsche Sprache im Grundgesetz zu verankern, für einen Assimilierungsdruck und für nicht mit demokratischen Gepflogenheiten vereinbar.
Ates: Es wundert mich nicht, dass Herr Kolat das sagt, er steht ja für die Türkische Gemeinde, die sehr stark verbunden ist mit der Türkei und hier in Deutschland Türkeipolitik macht. Also der Verein Türkische Gemeinde ist ja ebenso rückwärtsgewandt und sehr nationalistisch teilweise eingestellt und sehr konzentriert eben auf das Türkisch. Und das, meine ich, ist kontraproduktiv für unsere multikulturelle Gesellschaft. Wir leben mit vielen Kulturen, und das muss sichtbar werden. Wenn schon, dann geht es darum, dass wir hier eine Internationalität zeigen und andere Sprachen ebenso gesehen werden. Was ist mit Italienisch, Spanisch, Griechisch, was ist mit den vielen Asiaten und schwarzen Menschen, die inzwischen auch in Deutschland leben? All diese Menschen fühlen sich neben Deutsch und Türkisch minderwertig.
Heise: Haben Sie das Gefühl, dass, wenn Deutsch im Grundgesetz verankert wird, dass genau diese Gruppen, dass die anderen Migrantengruppen sich dann aufgewertet fühlen? Das klingt mir doch ein bisschen weit hergeholt.
Ates: Nein, ich finde ja die Diskussion darum wichtig, warum Deutschland die Notwendigkeit sieht, etwas Selbstverständliches aufzunehmen. In der Türkei ist das ja auch schon immer gewesen, dass die türkische Sprache dort in der Verfassung steht. Also ich sage nicht, dass die anderen aufgewertet werden, wenn es da drinsteht, nein, ich finde die Paralleldiskussion, dass Türkisch noch dazugenommen werden sollte, die war kontraproduktiv unter anderem.
Heise: Meinen Sie nicht, dass letztendlich es nicht auf das Symbol im Grundgesetz ankommt, sondern mehr auf das, was letztendlich am Bildungsangebot gemacht wird, um eben den Migranten den Einstieg in die deutsche Sprache zu erleichtern?
Ates: Auf jeden Fall, das sage ich auch gebetsmühlenartig. Frühkindliche Erziehung, Kindergartenpflicht für alle Kinder, nicht nur Kinder mit dem sogenannten Migrationshintergrund, das, was wir in der Realität leben, das macht letztendlich aus, ob wir es schaffen, friedlich zusammenzuleben mit den vielen Kulturen. Gesetze sind wichtig, ich als Juristin weiß das zu schätzen, sie haben auch gesellschaftliche Signale, sie sagen auch was aus darüber, politisch auch was darüber aus, in welchem Zustand das Land sich befindet, insofern gibt es jetzt hier auch eine politische Aussage mit dieser Absicht, natürlich. Aber das andere ist richtig, was Sie sagen, es ist viel wichtiger, es in den Schulen und im Alltag zu installieren, dass wir in der Lage sind, die deutsche Sprache auch zu vermitteln, also Deutschland tatsächlich ein Bildungsland wieder wird.
Heise: Sind Sie also letztendlich als Resümee froh, wenn dieses Signal im Grundgesetz gesetzt wird?
Ates: Nein, nicht unbedingt. Ich finde es schade, so rum würde ich das unterschreiben und formulieren. Ich finde es schade, dass wir in Deutschland so weit gekommen sind, dass wir das ins Grundgesetz aufnehmen müssen – und da kann ich Herrn Wolff folgen –, weil wir ja eine wirklich sehr offene und den allgemeinen Menschenrechten entsprechende, sehr weitgehende offene Verfassung hatten und bisher der Staat sich sehr zurückhaltend verhalten hat. Also wir leben hier eigentlich in einem Land, in dem der Staat sich so weit es geht zurückhält und so viel wie möglich Bürgerrechte, Freiheitsrechte zulässt.
Heise: Vielen Dank! Das sagt Seyran Ates, sie ist Frauenrechtlerin und Juristin, über die Festlegung auf die deutsche Sprache im Grundgesetz. Frau Ates, ich danke Ihnen recht herzlich für das Gespräch!
Ates: Danke auch, Frau Heise!