Frauenrechte in der DDR

"Es ging darum, die Frau funktionstüchtig zu machen"

Sie sehen einige Frauen in Dresden 1974, davor Kinderwagen und viele Kleinkinder.
Alltag in Dresden 1974 © imago / Ulrich Hässler
Von Rebecca Hillauer · 27.06.2018
In der DDR erhielt die Gleichberechtigung 1949 Verfassungsrang. Dort war das Idealbild die werktätige Frau. In die Führungspositionen stiegen allerdings Männer auf – und in den meisten Familien blieb die traditionelle Rollenverteilung erhalten.

Teil 1: Die 50er und 60er Jahre

"Ich eröffne die 21. und letzte Sitzung der Provisorischen Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik."
Reporter: "Soeben hat die 21. Vollsitzung begonnen. Unter dem zahlreich erschienen Publikum ist bemerkenswert die große Beteiligung von Frauen..."
DDR-Rundfunk, 27. September 1950.
"… handelt es sich doch heute um die endgültige Beschlussfassung xx über das Gesetz über den Mutter- und Kinderschutz und die Rechte der Frau."
1949 erhielt auch in der DDR die Gleichberechtigung von Männern und Frauen Verfassungsrang. Anders als in der Bundesrepublik wurden bald alle Gesetze und Bestimmungen aufgehoben, die diesem Gleichheitsgebot widersprachen. Neue Gesetze sollten zunächst die Stellung von Frauen im Erwerbsleben regeln.

In der Bundesrepublik trat am 1. Juli 1958 das Gleichberechtigungsgesetz in Kraft. Doch gleichberechtigt waren Mann und Frauen da auch nicht. Hören Sie hier unseren Beitrag zum Kampf um Gleichberechtigung im Westen Deutschlands.

Otto Grotewohl: "Wir alle wissen, dass es keine soziale Gerechtigkeit im Gemeinschafts- und im Wirtschaftsleben gibt, solange die Frau eine zweitrangige Rolle darin spielt. So muss der Staat alles tun, damit die Frau ihre Aufgabe als Bürgerin und Schaffende mit ihren Pflichten als Frau und Mutter vereinbaren kann."
Erklärte Ministerpräsident Otto Grotewohl in der Volkskammer.
Brigitte Triems: "In den Gesetzen vor allem gleich nach der Gründung gab es eine Distanzierung von dem Bild der Frau als Frau und Mutter. Das hing zusammen mit dem Kult um den Muttertag in der Bundesrepublik. Das Idealbild war die werktätige Frau."

In den Familien keine Gleichberechtigung

Sagt Brigitte Triems, Vorsitzende des Demokratischen Frauenbundes. Die Vorläuferorganisation, der Demokratische Frauenbund Deutschlands, war die einzige Frauenorganisation in der DDR.
"Der Demokratische Frauenbund hatte eine eigene Fraktion in der Volkskammer mit 35 Abgeordneten. Es gab schon die Möglichkeit, auch an Gesetzesverfahren teilzunehmen. Aber alle Maßnahmen waren immer nur auf Frauenrechte gerichtet, nicht auf die Geschlechterfrage. Da ging es auch wieder um die Frauen - nicht die Väter. Die Väter haben aber eigentlich die gleiche Pflicht, für die Erziehung der Kinder zu sorgen."
Hilde Benjamin: "Die Gleichberechtigung der Frau in der Familie ist besonders schwierig zu verwirklichen, weil hier die hartnäckigsten Rückstände im Bewusstsein zu überwinden sind."
Sagte Hilde Benjamin, Justizministerin der DDR, auf einem internationalen Frauenseminar des Zentralkomitees der SED im 22. Januar 1958.
"Männer führen sich in ihren vier Wänden häufig noch als die Haustyrannen auf, die keine Unbequemlichkeit in Kauf nehmen wollen, die mit der Berufsarbeit der Frau verbunden wäre."
Daran änderte auch das Familiengesetzbuch wenig, das 1966 in Kraft trat. Für die Erziehung der Kinder waren nun beide Ehepartner zuständig, sie sollten sich auch die häuslichen Pflichten teilen. Sollten. Im realsozialistischen Alltag blieb in den meisten Familien die traditionelle Rollenverteilung erhalten. Und im Berufsleben waren es Männer, die in Führungspositionen aufstiegen.

Teil 2: Die 70er und 80er Jahre

Im Frühjahr 1972 wurde in der DDR die Fristenregelung eingeführt. Frauen durften eine Schwangerschaft bis zur 12. Woche abbrechen – ohne vorherige Zwangsberatung. Zugleich erhielten sie die "Wunschkind-Pille" - wie die Anti-Babypille in der DDR offiziell heißt - kostenfrei auf Rezept. Alleinerziehende Mütter wurden bei Wohnraum, Kinderkrippe, Kindergarten und Schulhort bevorzugt.
Die Frage aber, die die Bundesrepublik bewegte, ob Berufsbezeichnungen eine weibliche Endung erhalten sollen? Kein Thema!
Brigitte Triems: "Auf meinem Diplom steht auch 'Dolmetscher-Übersetzer'. Darüber haben wir uns damals alle keine Gedanken gemacht. Ich habe mich nie diskriminiert gefühlt. Ich konnte den Beruf ergreifen, den ich ergreifen wollte. Ich konnte Kinder erziehen. Ich konnte immer arbeiten. Das war einfach normal."
1975 riefen die Vereinten Nationen das Internationale Jahr der Frau aus, es folgte die UN-Dekade der Frau mit vier Weltfrauenkonferenzen. Das alles brachte auch die DDR-Normalität ins Wanken.
Brigitte Triems: "Nicht nur, dass die Frauenbewegung auch in der Bundesrepublik durch die 68er in die Gänge kam, sondern dieser internationale Aufbruch auf dem Gebiet der Frauenrechte hat schon viel dazu beigetragen, dass gerade auch jüngere Frauen sich dessen bewusst wurden: Auch in der DDR war ein patriarchalisches System, obwohl die Frauen viele Rechte hatten."

Gewalt gegen Frauen war Tabu-Thema

Marita Meja: "Auch in der DDR gab es Gewalt gegen Frauen und Kinder, diese Gewalt war eben nur tabuisiert."
Sagt Marita Meja. Die promovierte Wirtschaftshistorikerin begründete nach dem Mauerfall das erste Frauenhaus im Ostteil Berlins mit. Der Ansturm von hilfesuchenden Frauen hätte nachträglich nochmals der SED-Ideologie Hohn gesprochen, nach der die wirtschaftliche Unabhängigkeit von Frauen als Garant für Emanzipation galt – und die Frauenfrage damit als gelöst.
Marita Meja: "Es wurde ja verordnet: selbstbewusste Frauen, die eben ihrem Tagewerk nachgehen. Die selbst eine Doppel- und Dreifachbelastung gut verkraften. Es ging nie um eine Gleichstellung jetzt der Geschlechter. Sondern es ging darum, diese Frau eben funktionstüchtig zu machen oder funktionstüchtiger zu halten für den Reproduktionsprozess dieser Gesellschaft."
Weil aber die Geburtenrate sank, versuchte der Staat, Anreize zu schaffen, Frauen die Doppelrolle in Beruf und Kindererziehung zu erleichtern.
Brigitte Triems: "Ich weiß durch Kontakte, die ich hatte, dass gerade vor 89, so 87, 88 daran gearbeitet wurde, ein Teilzeitgesetz einzuführen, um gerade Frauen die Möglichkeit zu geben."

Frauenpolitischen Errungenschaften fielen mit dem Mauerfall weg

Doch dazu kam es nicht mehr. Mit der Mauer fielen auch das Babyjahr, der Haushaltstag, die Anrechnung der Erziehungszeit auf die Rentenansprüche und die Fristenlösung ohne Zwangsberatung. Brigitte Triems blickt auf diese frauenpolitischen Errungenschaften der DDR mit Wehmut zurück:
"Wir hatten eine Zusammenkunft mit Vertreterinnen des Deutschen Frauenrats und haben ein gemeinsamen Brief geschrieben an die Abgeordneten des Bundestages und der Volkskammer mit Forderungen, wie Frauenrechte im zukünftigen wiedervereinten Deutschland durchgesetzt werden könnten. Von den Forderungen ist nicht viel übrig geblieben."
Mehr zum Thema