Frauen-Teams als Stadionfüller

Englands Klubs entdecken den Frauenfußball

Champions-League-Spiel im Frauenfußball: Manchester City gegen Olympique Lyon am 22. April 2018.
Champions-League-Spiel im Frauenfußball: Manchester City gegen Olympique Lyon am 22. April 2018. © Stephane Guiochon / MAXPPP / dpa
Von Hendrik Buchheister · 03.06.2018
In Deutschland etablierte sich der Frauenfußball in den 80ern. In England ging die Entwicklung später los, eine Liga gibt es hier erst seit den 90er-Jahren. Dafür geht es im Moment richtig voran.
Ein Sonntagmittag im April, Frauenfußball-Champions-League, Machester City hat Olympique Lyon zu Gast. Das Stadion ist gut gefüllt. Knapp 3000 Zuschauer sind da. Ein gemischtes Publikum. Viele Frauen, viele Männer, viele Kinder.
In Deutschland etablierte sich der Frauenfußball in den 80ern. Die deutsche Nationalmannschaft ist Rekord-Europameister. In England ging die Entwicklung später los. Eine Liga gibt es hier erst seit den 90ern. Dafür geht es im Moment richtig voran.

"Der Frauenfußball wächst definitiv"

Zur neuen Saison wird aus Women's Super League eine Profiliga. Auch Manchester United, Rekordmeister der Männer, geht künftig mit einer Frauenmannschaft an den Start – zunächst in der zweiten Liga. Klubs wie Liverpool, Chelsea und Arsenal sind schon länger im Frauenfußball aktiv und spielen in der ersten Liga.
Victoria und ihr Mann Michael sind Fans von Manchester City, von den Männern und den Frauen. "Der Frauenfußball wächst definitiv", sagt Victoria. "Wir kommen seit drei Saisons. Bei City spielen die Männer und Frauen unter einem Dach. Wir sind ein Team. Das bringt den Sport voran." Auch die Berichterstattung in den Medien habe zugenommen und: "Die Eintrittspreise sind für Familien besser."

Die Atmosphäre ist familiärer

Ihr Mann Michael meint, dass sich das Niveau des Frauenfußballs in England deutlich verbessert habe in den vergangenen Jahren. "Die Technik der Frauen ist gut. Ich würde nicht kommen, wenn sie keine guten Pässe spielen oder aufregende Spielzüge zeigen würden." Die Schusstechnik sei zwar lange nicht gut gewesen, "aber sie verbessert sich". Ein Stück weit werde es natürlich immer einen Unterschied zwischen Männer- und Frauenfußball geben. "Aber die Spiele der Frauen sind unterhaltsam, deshalb komme ich regelmäßig."
Es ist in England schwer, Karten für die Premier League der Männer zu bekommen. Sie sind teuer und werden oft nur an Mitglieder verkauft. Bei den Spielen der Frauen ist das anders. Karten sind kein Problem. Die Atmosphäre ist deshalb familiärer.

"Auch aus wirtschaftlicher Sicht richtig"

Englands Nationaltorhüterin Karen Bardsley findet es aus mehreren Gründen gut, dass sich die großen Klubs im Frauenfußball engagieren. Zum einen mache es die Liga stabiler. "Aber ich glaube auch, dass jeder Verein davon profitiert, neben der Männer- auch eine Frauenmannschaft zu haben. Alle Leute werden mitgenommen. Sie fühlen sich dem Klub noch mehr verbunden." Deshalb sei es auch aus wirtschaftlicher Sicht richtig.
Wie in Deutschland ist Fußball auch in England vor allem Männersache. Doch es kommen auch immer mehr Frauen. In der Saison 2014/2015 zum Beispiel waren 26 Prozent der Stadionbesucher in der Premier League weiblich. Rekord bis dahin. Ein Schlüsselerlebnis wie es in Deutschland die WM 2006 war, gab es in England nicht. Das Interesse von Frauen am Fußball steigt eher kontinuierlich.

Dabei hat der englische Frauenfußball viele Negativschlagzeilen produziert, in den vergangenen Monaten. Im September musste Nationaltrainer Mark Sampson gehen. Bei einer vorherigen Station soll er Spielerinnen zu nahe gekommen sein, was dem englischen Verband, der FA, angeblich aber erst später bekannt wurde. Auch hat er Spielerinnen angeblich rassistisch beleidigt. Und damit nicht genug.

Phil Neville wird Nationaltrainer - eine umstrittene Entscheidung

Neuer Nationaltrainer wurde der frühere Manchester-United-Profi Phil Neville. Er war noch nie im Frauenfußball tätig und hat sich angeblich nicht einmal auf den Job beworben. Wenn ein großer Name im Männerfußball reicht, um Nationaltrainer der Frauen zu werden, dann ist Frauenfußball wohl nur Fußball zweiter Klasse – diesen Eindruck hatten viele Beobachter. Außerdem tauchten sexistische Tweets von Neville von vor ein paar Jahren auf. Der Verband schien mit Nevilles Verpflichtung das nächste Eigentor geschossen zu haben.
Mittlerweile hat sich die Lage ein bisschen beruhigt. Auch, weil Neville gut gestartet ist – und offenbar große Anziehungskraft hat. Die Journalisten Katie Mishner schreibt über Frauenfußball und sieht eine positive Zukunft für die Nationalmannschaft unter Neville: "Nächstes Jahr ist WM. Er gibt jungen Spielerinnen die Chance." Auch habe sich die Mannschaft "beim She-Believes-Cup mit dem zweiten Platz sehr gut geschlagen. Es gibt große Fortschritte." Etwa 25.000 Zuschauer seien bei Nevilles ersten Heimspiel in Southampton gewesen. "Das ist eine große Zahl. Das hatten wir vorher nicht. Deshalb frage ich mich, ob sich durch seine Berufung mehr Leute für Frauenfußball interessieren. Ich glaube, das wird so sein."
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