Weibliche Singles gelten als Freiwild
Wer sich in Indien dafür entscheidet, allein zu leben, hat ein echtes Problem. Das Stigma, Single zu sein, betrifft Männer und Frauen gleichermaßen. Aber die Folgen für die Frauen sind oft dramatischer.
Malviya Nagar, ein Viertel im Süden von Indiens Hauptstadt Delhi. Eine typische Mittelklassegegend. Vierstöckige Wohnblocks reihen sich eng aneinander im Karrée um eine kleine Grünfläche. In den meisten Apartments dieser Wohnblocks leben Familien. Kinder toben zwischen den parkenden Autos, Frauen in bunten Saris stehen auf Terrassen und halten einen Plausch mit den Nachbarinnen.
Im obersten Stock eines dieser weißen Mehrfamilienhäuser lebt die 24-jährige Latika Chopra mit zwei Freundinnen in einer WG zusammen. Was in westlichen Ländern etwas ganz Alltägliches ist, kommt in Indien so gut wie ausschließlich in den großen Metropolen wie Delhi, Mumbai oder Bangalore vor. Üblicherweise wohnen junge Leute, die zum Studium oder für ihren ersten Job in eine andere Stadt ziehen, zunächst in einem Studentenwohnheim oder einem so genannten "Paying Guest"-Zimmer, erzählt Latika Chopra:
"Das funktioniert praktisch so, dass jemand ein oder mehrere Zimmer in seinem eigenen Haus zur Untermiete vermietet. Man teilt sich dann ein Zimmer zu zweit oder zu dritt, manchmal auch zu viert. Diese Paying-Guest-Arrangements sind sicher, denn die Vermieter wohnen im selben Haus. Das ist eine gute Sache, wenn man zwanzig ist und studiert. Es gibt aber auch viele Regeln: man muss zu einer bestimmten Zeit zu Hause sein, darf keinen Besuch mitbringen und so weiter. Als Student kann man sich damit arrangieren, aber wenn man anfängt zu arbeiten und mehr persönliche Freiheit braucht, dann ist eine eigene Wohnung besser."
Junge Leute wollen auf eigenen Füßen stehen
Indien ist im Wandel; das Land, das für seine mehrere tausend Jahre alte Kultur bekannt ist, öffnet sich, wird moderner. In Sachen Technologie haben zumindest die großen Städte enorme Fortschritte gemacht. Doch gesellschaftlich dominieren immer noch die althergebrachten Traditionen. Die Norm ist nach wie vor, dass man mit seiner Familie zusammenlebt. Männer bleiben immer noch meist ihr Leben lang bei den Eltern wohnen, Frauen bleiben bis zur Heirat daheim und ziehen dann zur Familie des Mannes. Mehr und mehr junge Leute denken jedoch wie Latika Chopra. Sie findet es gut, zunächst auf eigenen Füßen zu stehen.
"Ich habe das Gefühl ich bin viel unabhängiger und verantwortungsbewusster geworden, weil ich alles selbst organisieren muss und lerne wie die Welt funktioniert, aber man muss auch vorsichtig sein, und sich zu helfen wissen."
Als "Paying Guest" zur Untermiete zu wohnen, ist allgemein akzeptiert und auch in kleineren Städten verbreitet. Aber in einer WG oder ganz allein zu leben ist in den Augen vieler etwas ganz anderes. Rittika Modwel hat beides erlebt, nach ein paar Jahren in einer WG möchte die 27-Jährige nun ihr eigenes Reich haben. Sie genießt es, wenn – wie gerade – ihre Großeltern aus Kalkutta zu Besuch sind und sie für ein paar Tage verwöhnen wie zu Hause. Aber dann möchte sie auch wieder ihre persönliche Freiheit haben. Rittika Modwel arbeitet als Eventmanagerin. Sie kommt oft sehr spät nachts nach Hause. In ihrer letzten Wohnung, die sie mit zwei Freundinnen teilte, dauerte es nicht lange, da stand ihre Vermieterin vor der Tür:
"Sieh zu, dass dich niemand sieht"
"Sie kam herauf zu uns und sagte: "Die Nachbarn fragen, warum ich so oft spät abends aus dem Haus gehe."… Also, warum sollten meine Nachbarn ein Problem damit haben und sich gar bei meiner Vermieterin beschweren? Es ist ja ok, wenn sie keinen Lärm mögen, aber meinen Lebensstil angreifen: warum muss ich mir das gefallen lassen? Meine Vermieterin war sehr nett, aber sie steckte in einem Zwiespalt, wegen der Konventionen, die sie selbst verinnerlicht hatte: wie es sich in den Augen von anderen gehört. Sie sagte, ich hab ja nichts dagegen, aber bitte mach keinen Krach, sieh zu, dass dich niemand sieht."
Privatsphäre ist in Indien den meisten Menschen kein Begriff. Das Individuum bekommt nicht den Raum und Stellenwert wie in westlichen Ländern. Die Gesellschaft funktioniert über einen Sinn für Gemeinschaft und deren Normen. Es ist etwas Alltägliches, dass sich nicht nur Eltern, sondern auch Tanten, Onkel, Cousins, Nachbarn und gar Wildfremde in persönliche Angelegenheiten einmischen. Selbst jene, die eigentlich tolerant sind und bereit, Lebensweisen jenseits der allgemeinen Norm zu akzeptieren, stehen unter dem Druck ihres Umfeldes, erklärt Modwel.
"Für den Vermieter lohnt es sich nicht, sich für mich einzusetzen. Er wird sich denken: "Du wohnst nur für einige Zeit hier, aber ich setze langfristig mein gutes Verhältnis zu den anderen Mietern aufs Spiel." Es kann dann passieren, dass die Nachbarn drohen: "Aha, du wohnst also zur Miete? Wir sorgen dafür, dass du hier rausgeschmissen wirst. Das ist nicht dein Haus." Ich bin eigentlich gern rebellisch, aber es ist mir schon wichtig, welchen Eindruck mein Vermieter von mir hat. Ich möchte keinen Ärger. Deshalb achte ich auf mein Image. Ich erzähle ihm nicht, dass ich bei einer Party war, sondern sage, ich habe die ganze Nacht gearbeitet."
Während allein lebende junge Männer eher mit Vorurteilen kämpfen, zum Beispiel dass sie ständig laute Musik hören und Parties feiern, sind Frauen stärker einer gesellschaftlichen Kontrolle ausgesetzt, wie Modwel sie erlebt hat. Manche in Indien lehnen einen gesellschaftlichen Wandel hin zu modernen und vielfältigeren Lebensformen als Verwestlichung ab. Seit drei Jahren wird das Land von einer sehr konservativen und auf Tradition und hinduistische Kultur fokussierten Regierung unter Premier Narendra Modi geführt. Das spürt man auch deutlich in der Gesellschaft. In Teilen der Bevölkerung kommt es zur Rückbesinnung auf althergebrachte Normen. Modwel findet das rückschrittlich:
"Die Mehrheit in Indien folgt einer sehr patriarchalen Gesellschaftsordnung und befolgt viele Konventionen. Ich denke, jede Generation sollte fortschrittlicher und offener werden als die vorige. Teilweise geschieht das auch. Aber auf der anderen Seite gibt es eine recht große Anzahl an Leuten, die sich radikal rückwärts wenden."
Alleinstehende Frauen werden nicht ernst genommen
Von den Normen und Regeln abgesehen, gibt es für alleinstehende Frauen ganz praktische Hürden im Alltag, zum Beispiel, dass sie nicht ernst genommen werden, erzählt Rittika Modwel.
"Die Handwerker und Arbeiter, die ins Haus kommen, hören nicht auf dich, wenn du eine Frau bist. Sie denken, dass du keine Ahnung hast und schauen nach dem Mann im Haus. Deshalb bitte ich immer meinen Vermieter, mit ihnen zu sprechen, zum Beispiel diese Leute, die den Wasserspender aufstellen sollten. Mein Vermieter tritt ihnen gegenüber bestimmter auf und sie sagen: 'Ja Sir, ja Sir'."
Trotz der alltäglichen Hindernisse, die nur Singles erleben, liebt Rittika Modwel es, allein zu leben, wegen der persönlichen Freiheit, die man sonst in Indien nicht erlebt. Diese Freiheit birgt jedoch eine Kehrseite. Alleinstehende Frauen sind in den Augen mancher Männer Freiwild.
Weiblich und Single = Freiwild für Männer
Vor allem in Nordindien ist das ein weit verbreitetes Problem. Fast jede junge Frau, die nicht bei der Familie lebt, hat einmal Erfahrungen mit übergriffigen Vermietern oder Nachbarn gemacht. Auch Modwel ist da keine Ausnahme. Sie erzählt von einem Vorfall.
"In meiner letzten WG gingen meine Mitbewohnerin und ich alle zwei Monate persönlich zu unserem Vermieter, um ihm die Miete zu geben und manchmal aßen wir mit ihm und seinen Töchtern zu Abend. Einmal, als ich allein dort war wegen der Miete, hat er mich plötzlich gepackt und zu sich gezogen in einer sehr abstoßenden Art. Ich habe dann mit meiner Freundin gesprochen und überlegt, ob wir ausziehen sollen. Aber sie meinte: 'Wir haben kein Geld für einen Umzug, wir werden wohl hierbleiben müssen.' Es war extrem unangenehm. Ich habe danach immer unseren Handwerker mit der Miete zu ihm geschickt."
Modwels Freundin Megha Mishra, die gleich um die Ecke wohnt, hat Ähnliches erlebt, und das nicht nur einmal.
"In den letzten zehn Jahren habe ich so etwas dreimal erlebt. Einmal hatten wir einen Vermieter, der ständig versuchte uns Angst zu machen. Er warnte uns, dass uns allein zu Hause etwas passieren könnte. Er sagte, wir sollten öfter zu ihm kommen, er würde uns Ratschläge geben. Was kann man da machen? Man kann ihm ja nicht einfach sagen: 'Halten Sie die Klappe und kümmern Sie sich gefälligst nicht um unser Privatleben.' Er kam uns immer auf diese höfliche Art, nannte uns 'Betha' – Tochter – und all das. Aber er hatte etwas anderes im Sinn.
"Du kannst bei mir duschen"
Dann fing er mit Dingen an wie: 'Du kannst bei mir duschen, wenn es bei euch kein Wasser gibt, oder wenn du eine Klimaanlage möchtest, dann kannst du bei mir im Haus schlafen.' Da wurde es mir zu bunt und ich blaffte ihn an, dass er mich gefälligst in Ruhe lassen soll. Ich sagte, 'ich weiß genau, dass Sie uns das Wasser absichtlich abdrehen, damit wir zu ihnen kommen.' Ich bin dann Hals über Kopf dort ausgezogen."
Delhi ist berüchtigt dafür, für Frauen unsicher zu sein – spätestens seitdem 2012 eine Studentin auf dem Nachhauseweg vom Kino brutal vergewaltigt und ermordet wurde. Der Fall schockierte das ganze Land und trat eine Diskussion über die Sicherheit von Frauen im öffentlichen Raum los. Seitdem hat Delhi große Fortschritte gemacht, findet Bhipasha Majumder. Doch zu ihrer Zeit war das noch ganz anders. Die heute 43-Jährige wuchs in einem Vorort von Delhi auf. Als sie nach dem Studium einen Job im Stadtinneren bekam, musste sie täglich pendeln.
Wenn es bei der Arbeit spät wurde – und spät bedeutet dort nach Einbruch der Dunkelheit ab etwa halb acht am Abend – übernachtete sie bei Kolleginnen, die in der Nähe wohnten und man fuhr in der Gruppe mit dem Taxi nach Hause – zu umständlich auf Dauer. Aber sich allein in der Stadt eine Wohnung zu nehmen, war zu der Zeit, vor gut zwanzig Jahren, noch undenkbar für sie:
"Es gab damals auch schon Gegenden, in denen Frauen allein lebten. Aber ich würde sagen, dass waren Leute aus priveligierten Kreisen, die sich diese gehobeneren Gegenden leisten konnten, die sicherer waren."
Mumbai scheint liberaler zu sein
Irgendwann war Majumder es leid, sich ständig Gedanken um ihre Sicherheit zu machen und zog nach Mumbai. Indiens Wirtschaftsmetropole gilt als sehr viel liberaler als der Rest des Landes. Frauen können sich dort auch spät abends relativ problemlos allein durch die Stadt bewegen und niemand kümmert sich darum, welche Kleidung sie tragen. Majumder hatte dort ein Aha-Erlebnis als Teenager, als sie Mumbai einmal mit ihrer Familie besuchte.
"Ich stamme aus Bihar, einem sehr konservativen Bundesstaat, und danach habe ich in Delhi gewohnt. In Mumbai sah ich plötzlich eine Frau in einem sehr kurzen Mini-Rock mit Stiefeln. Sie lief einfach so über die Straße, vorbei an ein paar fliegenden Händlern auf dem Bürgersteig. Sie hätten ihr leicht unter den Rock gucken können, aber keiner von denen schaute auch nur auf. Das war für mich unglaublich, diese Freiheit. Seitdem wollte ich unbedingt nach Mumbai ziehen."
Womit Majumder jedoch nicht gerechnet hatte: So liberal Mumbai auf den ersten Blick wirkt - was das Wohnen angeht, herrschen dort noch striktere Konventionen als in Delhi. Während in Delhi Mehrfamilienhäuser dominieren, in denen der Vermieter mitwohnt, gibt es in Mumbai hauptsächlich eingezäunte Apartmentkomplexe mit Fahrstuhl und Wachmann vor der Einfahrt. Man möchte denken, dort kümmert es niemanden, was man tut oder lässt, aber gerade das Gegenteil ist der Fall.
Die Regel in vielen Wohnblocks: keine Singles
"In Mumbai eine Wohnung zu finden, ist ein Kraftakt. Ich weiß nicht, warum es sich so entwickelt hat. Ich hatte den Eindruck, dass Mumbai früher richtig kosmopolitisch war. Und jetzt wird es auf einmal so konservativ. Es gibt viele Wohnblocks, wo die Regel strikt lautet: keine Singles, egal ob Frauen oder Männer. Nur Familien. Einmal wurde ich bei der Wohnungssuche von vorneherein abgelehnt. Man sagte mir am Telefon, wir vermieten nicht an alleinstehende Frauen; die arbeiten meistens beim Film oder in den Medien und feiern ständig Parties. Ich war stinksauer. Ich sagte, 'Lassen Sie mich doch wenigstens vorbeikommen und lernen Sie mich kennen, ob ich nun in den Medien arbeite oder nicht. Dann können Sie immer noch entscheiden.' Aber sie sagten einfach 'nein'."
In Mumbai, das auf einer Halbinsel liegt, ist der Wohnraum sehr knapp und die Mieten für indische Verhältnisse extrem hoch. Da können die Vermieter wählerisch sein, sagt Majumder. Für Singles wie sie bleibt da nicht viel Auswahl.
"Bei meiner letzten Suche hatte ich mir dreißig, vierzig verschiedene Wohnungen angeschaut, die meistens in irgendwelchen dunklen Ecken lagen. Ich bat also diesen Makler, ob er mir nicht etwas Schöneres zeigen könnte und er sagte: 'Madam, die Art von Wohnungen, die Sie suchen, werden nur an Familien vermietet.' Das heißt, nur weil ich eine alleinstehende Frau bin, muss ich in einer düsteren Wohnung leben, die sonst niemand haben will. Darüber habe ich mich sehr geärgert."
Die Art und Weise, wie die Wohnblocks in vielen Teilen Mumbais organisiert sind, ist sehr speziell, erzählt Neerad Pandripandey. Der 27-Jährige Journalist lebt seit seinem Studium in Mumbai und kennt viele Geschichten über die so genannten "Housing Societies", Apartmentblocks, die von einem Nachbarschaftskomittee kontrolliert werden. Meist sind das moderne Wohnblocks mit zehn Stockwerken oder mehr. Aber oft legen die Kommittees dieser "Housing Societies" eine regelrechte Blockwartmentalität an den Tag, erzählt Pandripandey.
Die "Housing Societies" werden regiert wie ein Königreich
"Typischerweise handelt es sich um siebzig, achtzig Familien, getrennt nach Sprache und regionaler Herkunft wie zum Beispiel Marathis oder Gujaratis, manchmal auch nach Kasten getrennt, etwa Marathis aus der Kaste der Brahmanen. Sie leben bereits seit Generationen zusammen und haben ihre eigenen Normen, und meist sind es die konservativsten Mitglieder, die die Regeln des Zusammenlebens diktieren, meist ältere Männer. Zum Beispiel, man kann keinen Besuch vom anderen Geschlecht haben, man darf keinen Alkohol trinken, in manchen darf man sogar kein Fleisch essen. Es gibt kein Gesetz in Indien, das so etwas vorschreibt. Aber diese 'Housing Societies' argumentieren, dass sie das Recht haben, eigene Regeln aufzustellen. Sie glauben, sie regieren eine Art Königreich für sich."
Dass man keine Freunde vom anderen Geschlecht im Haus haben darf, ist wohl die am weitesten verbreitete Regel. Mancherorts riskiert Kündigung, wer dagegen verstößt. Andernorts haben Nachbarn, gerade jene, die in dem Wohnblockkommittee zu sagen haben, ein strenges Auge darauf, wer kommt und geht, und schnell machen dann Gerüchte die Runde, erzählt Pandripandey.
"Ich weiß das von einigen Freundinnen. Was oft passiert ist, wenn Frauen Besuch von männlichen Freunden haben, dann gibt es diese Anschuldigungen, die einfach ganz lose in den Raum gestellt werden. Die Nachbarn sehen ein paar Männer im Haus und schon heißt es, die Frauen unterhalten da einen Ring von Prostituierten. Das wird einfach ganz lapidar so geäußert."
Dabei können solche Gerüchte in einer so konservativen Gesellschaft krasse Folgen für das Privatleben einer Betroffenen haben, gar ihren Job gefährden oder ihre Chancen auf dem Heiratsmarkt. Oder sie können zu Übergriffen führen wie jenen, von denen Megha Mishra und Rittika Modwel aus Delhi eingangs erzählten. Für Mishra war es auch schwierig, ein Haus zu finden, wo ihr Freund sie besuchen und auch mal übers Wochenende bleiben darf, sagt sie. Allerdings lässt sie sich in der Hinsicht nichts aufdiktieren.
"Hier in diesem Haus habe ich von vorneherein klar gemacht, dass ich hin und wieder Freunde zu Besuch habe. Und meine Vermieterin hat ihn schon ein paarmal mit mir die Treppe rauf- und runterkommen sehen. Meinen letzten Vermietern allerdings musste ich weißmachen, dass mein Freund mein Verlobter sei, damit sie mich nicht behelligen. Ich habe sogar meine Tante gebeten, vorbeizukommen und sich zusammen mit meinem Freund vor den Vermietern zu zeigen, damit sie wissen: Meine Familie kennt ihn und sie können mich endlich in Ruhe lassen."
Vor der Heirat darf man nicht zusammenziehen
Egal ob in Delhi, Mumbai oder schlimmer noch in einer kleineren Stadt: Während es schon schwierig ist, als Alleinstehender eine Wohnung zu finden oder Besuch vom anderen Geschlecht zu haben, gerät es beinahe zu einem Ding der Unmöglichkeit, wenn man vor der Heirat mit dem Partner oder der Partnerin zusammenziehen möchte. Der Prozentsatz an Paaren, die vor der Ehe offiziell zusammenwohnen, dürfte im Promillebereich liegen. Mishra möchte genau das versuchen und im nächsten Jahr mit ihrem Freund zusammenziehen.
"Als unverheiratetes Paar zusammenzuleben, gehört sich bei uns nicht. In 90 Prozent aller Wohnungen wird man wohl abgelehnt, es sei denn es gibt keinen privaten Vermieter, niemanden, der sich einmischt. Aber in einem Mehrfamilienhaus wie meinem würden sie uns nicht zusammen wohnen lassen. Das würden sie klar sagen. In Indien ist es für alle sichtbar, ob man verheiratet ist. Viele Frauen tragen ein Tikka, einen kleinen Ornamentaufkleber auf der Stirn und bunte Armreifen. Und wenn man einen Mietvertrag unterschreibt, muss man seinen Ausweis mitbringen. Auf die eine oder andere Weise ist der Familienstand erkenntlich. Kaum jemand wird vorgeben, verheiratet zu sein und einfach so zusammenleben."
Auch wenn sie lange suchen muss, Mishra wird sich nicht abschrecken lassen. Dafür ist sie resolut genug. Und mit mehr und mehr jungen Leuten, die denken wie sie, wird sich der gesellschaftliche Wandel in Indien fortsetzen.