Frauen im Vatikan

Rezensiert von Karla Sponar |
Hat einmal eine Frau als Päpstin die Tiara getragen oder ist die Erzählung von der "Päpstin Johanna" bloße Legende? Alois Uhl dokumentiert seine Forschungsergebnisse in einem brisanten Sachbuch. Er stellt Frauen vor, die in der Nähe der Päpste waren. Die enorme Rolle dieser Frauen hat die Kirchengeschichte bislang schamhaft verschwiegen.
Sie küssten nicht nur Teppiche: Kardinäle, die später Päpste wurden, haben Frauen umworben, haben sich von ihnen beraten, zu Reformen anregen und bisweilen auch beherrschen lassen. Geliebte, Sozialkritikerinnen, Heilige, Mächtige und Lyrikerinnen sind darunter. Ihre Lebenswege sind so unterschiedlich, ergreifend und überraschend, wie ihre weitgehend vergessene Wirkung auf die Päpste und die Kirchengeschichte selbst.

Ein Aspekt, der bisher viel zu wenig beachtet wurde. Alois Uhl, der im Kirchen- und im Staatsdienst tätig war, füllt mit diesem Buch eine Lücke. Erstmals wertet hier ein Theologe historische Quellen aus, schildert das Verhältnis der Päpste und Frauen sachlich, ohne anzuklagen oder zu verurteilen. Mit packenden Worten lässt Uhl ausgewählte Beispiele aus der Geschichte aufleben.

So kommt z. B. das Konzil von Konstantinopel 451 zustande, weil sich die byzantinische Kaiserin Pulcheria dafür stark macht und schließlich Papst Leo I. dafür gewinnt. Pulcheria gilt damals als "Beschützerin des Glaubens", als "Licht der Rechtgläubigkeit". Die oströmische Kaiserin bestimmt die politische Linie in Kirchenfragen. Briefe zeugen vom besonderen Vertrauensverhältnis zwischen Leo I und Pulcheria, die männlich auftreten konnte und sich großzügig für die Armen einsetzte.

Frauen, die Päpste beeinflussen, kommen aus allen Schichten der Gesellschaft. Theodora ist die Tochter eines Zirkusmannes, später eine verführerische Gestalt im Showgeschäft. Im 6. Jahrhundert verliebt sich Kaiser Justinian in sie. Als seine Gemahlin mischt sich Theodora in theologische Fragen ein und betreibt Personalpolitik in der Kirche: Sie erlebt acht Pontifikate und hebt ihren Günstling auf den päpstlichen Thron.

Die weibliche Art, mit Päpsten umzugehen, kennt alle Formen: Während Theodora ihre Papstpolitik mit Streitkräften umsetzt, vertraut Hildegard von Bingen auf die Macht der Worte: Papst Anastasius IV ermahnt sie, weil er zu schwach ist, die Kirche zu führen. Den Nachfolger Hadrian IV tröstet sie im Kampf mit Kaiser Friedrich Barbarossa.

Ohne kirchliches Amt erreichen Frauen im Vatikan mehr, als heute möglich scheint. Hildegard von Bingen predigt öffentlich, der Klerus hört ihr zu, Rom verbietet es nicht. Drei Päpste besuchen die Heilige Klara von Assisi, die eine radikale Armutsbewegung vorlebt und damit in Luxus und Genuss schwelgende Vatikangrößen beschämt. Die Aristokratin Birgitta von Schweden gilt manchen in Rom als "schwedische Hexe". Kein Wunder: Sie nennt Gregor XI. nicht "Seelenführer", sondern "Seelenverderber". Die Päpste lassen es zu. Papst Johannes Paul II. ernennt sie zur Mitpatronin Europas.

In der Renaissance und im Barock suchen sich Päpste ungeniert ihre Geliebten aus. Frauen war der Zugang zum Vatikan ansonsten strikt versperrt. Die päpstlichen Zeremonienmeister hatten deshalb größte Probleme: Sie mussten tricksen, um Päpste mit ihren Mätressen, Schwestern und Töchtern am gleichen Tisch speisen zu lassen. Ungehemmt schachern Päpste und Familienangehörige um Kardinalshüte und Kirchenbesitz. Frauen, die daran beteiligt sind, ist der Fluch sicher. Päpste bleiben davon weitgehend verschont.

Uhls Fazit: In der Phase, in der Männer in der Kirche am schwächsten sind, tauchen erfreulich viele starke Frauen auf. Sie agieren politisch klug, helfen neue Orden zu gründen, sich auf das Armutsideal aus dem Evangelium wieder zu besinnen, engagieren sich sozial, integrieren Prostituierte wieder in die Gesellschaft. Die enorme Rolle dieser Frauen hat die Kirche bisher verschwiegen. Es wird Zeit für die Kirchenleitung, sich zu fragen, warum nicht mehr Frauen leitend im Vatikan arbeiten dürfen. Für viele Positionen ist schließlich nicht einmal eine Weihe nötig, gibt Uhl zu bedenken.