Frauen dürfen nicht solo singen
Für Babak Riahi Pour und seine Rockband ist der kleine Keller im Westen Teherans Probenraum und Studio zugleich. Das Studio besteht aus einem Computer und drei Mikrofonen. Die Gruppe bereitet eine CD vor. Ob das Kulturministerium ihnen dafür eine Genehmigung erteilt, ist ungewiss.
Doch Riahi Pour ist Absagen vonseiten der Behören gewohnt. Woran sich aber der bekannteste Bassist der islamischen Republik nicht gewöhnen kann, ist die Heuchelei der Kulturbehörde:
"Persönlich begegnen sie uns mit Respekt. Sie sagen, wir seien beliebte Künstler und so weiter, aber tatsächlich tun sie nichts für uns. Im Gegenteil, sie hindern uns an unserer Arbeit. Die staatlichen Kulturzentren lehnen Rockmusik ab, geben uns keinen Saal. Das Kulturministerium erteilt den Popbands keine Genehmigung für Konzerte. Und ich bin mir sicher, wir werden lange auf eine Genehmigung für unsere neue CD warten müssen. Sie schaffen eine Situation, in der die modernen Musiker gezwungen sind, von sich aus aufgeben."
Schikanen erleben nicht nur Pop- oder Rockmusiker. Das Kulturministerium behandelt die Künstler der klassischen oder folkloristischen Musik ähnlich. Am schlimmsten sind Sängerinnen betroffen, denn im Gottesstaat dürfen Frauen nicht solo singen, sondern immer in Quartett, mit mindestens einer männlichen Stimme. Das schreibt das Gesetz vor.
Parvin Bahmani, eine Folkloresängerin, glaubt, die Regierung würde am liebsten den Frauen auch das Singen im Chor verbieten. Deshalb setze sie, die Regierung, zur Abschreckung die Frauen stärker unter Druck als ihre männlichen Kollegen. Bei ihrem letzten Konzert hat Bahmani etwas Unglaubliches erlebt:
"Die Sicherheitskräfte wollten mich während der Pause verhaften, weil im Saal einige Frauen die islamische Kleiderordnung missachtet hatten. Ich hatte mich vorher schriftlich verpflichtet, für jedes Vorkommnis Verantwortung zu tragen. Ich sagte zu den Polizisten: Ich sitze im hellen Licht der Bühne, singe und dirigiere zugleich die Gruppe. Wie soll ich denn auf die Kleidung der Frauen im dunklen Saal aufpassen? Dann kamen andere Gruppenmitglieder und sagten: Auch wir kommen mit aufs Revier. Da haben die Beamten den Kürzeren gezogen. Wir mussten ihnen verbal versichern, dass wir auf die Schleier der Frauen im Saal aufpassen, und so durften wir weiter machen."
Bahmani ist überzeugt, dass die ultra-orthodoxe Regierung bestrebt ist, mit allen Mitteln den Musikern und Musikerinnen das Leben zu erschweren: Im Fernsehen dürfen sie nicht auftreten, Konzerte dürfen nur einige Auserwählte geben, deren Musik religiös angehaucht ist, und für die Herausgabe von Alben gibt es strenge Auflagen. Doch die meisten Musiker wollen nicht aufgeben, und trotzen allen Hindernissen des Regimes. So auch Parvin Bhamani:
"So wie ein Soldat oder ein Gardist, der im Krieg für seine Heimat kämpft und sich opfert, so sind Musiker, die in ihre Kunst verliebt sind. Sie kämpfen und opfern sich für ihre Kultur. Denn, wenn wir unsere Kultur verlieren, verlieren wir auch unsere Heimat. Ein Mensch ohne Heimat hat gar nichts. Ich selbst bin leidgeprüft. Wir können doch nicht ruhig schlafen, wir müssen kämpfen."
Ähnlich denkt Ali Ashraf Darwishian, einer der bekanntesten zeitgenössischen Autoren Irans: "Als ein Schriftsteller, der für sich und seine Umwelt einen moralischen Anspruch erhebt, kann ich nicht verstummen und über gewisse Dinge hinwegsehen. Also schreibe ich über die Verbrechen, über die Geschehnisse in meiner Umgebung. Zuletzt habe ich über die politischen Hinrichtungen in den Gefängnissen dieses Systems geschrieben, über die Folterungen, über Geschehnisse, die bei den Verantwortlichen ein Schamgefühl hervorrufen. Deshalb verhinderten sie das Erscheinen meines letzten Buches. Meine Geschichten erinnern sie an ihre eigenen Taten."
Darwishian ist einer der aktivsten Mitglieder des verbotenen Schriftstellerverbandes. Er und einige seiner Kollegen kämpfen seit Jahren für die Legalisierung ihrer Organisation. Doch das Regime sehe in jeder Vereinigung einen potenziellen Feind, der niedergeschlagen werden soll, meint Darwishian und nennt das letzte Beispiel: Das Syndikat der Teheraner Busfahrer, deren Mitglieder verhaftet, verhört und gefoltert wurden. Mit dem Syndikat haben sich einige Organisationen solidarisiert, darunter auch der Schriftstellerverband. Darwishian nennt die Gründe für diesen Schulterschluss:
"Mit diesem System hat unser Land keinen Fortschritt erlebt. Jeden Tag gibt es neue Probleme und Krisen: die steigende Arbeitslosigkeit, Verbreitung der Drogensucht, die Zunahme der Zahl von Straßenkinder, Schwindel erregende Teuerungsrate. Wer muss das alles verantworten? Dieses System kann so nicht weiter machen."
Darwishian ist nicht der einzige kritische Autor, dessen Bücher an den staatlichen Hürden scheitern. Viele Autoren und Verlage klagen über die Zensur, für die es keine klaren Richtlinien gibt. Neulich hat der Kulturminister angeordnet, dass nur Romane und Erzählungen erscheinen dürfen, die für alle Mitglieder einer Familie, das heißt, für alle Altersgruppen, geeignet sind. Die Entscheidung darüber, welche Bücher für alle Familienmitglieder geeignet sind, hat er einzelnen Zensoren überlassen.
Nicht nur in der Literatur, sondern auch in anderen Bereichen tappen die Künstler in Ungewissheit. Indem die Regierung die Richtlinien der Zensur nicht bekannt gibt, macht sie die Künstler und Kulturmanager selbst zu ihrem eigenen Zensor. Das führt bei vielen zur Verwirrung, in manchen Fällen auch zur Passivität und Resignation.
Einige haben sich, nach langem Bemühen um Genehmigungen und Erlaubnisse, verselbstständigt. Das heißt, sie arbeiten ohne die Zustimmung des Kulturministeriums. Zum Beispiel der Filmemacher Mohamad Reza Hamidi. Er produziert Videoclips, hauptsächlich für Musikgruppen. Doch auch Hamidi ist kurz davor, alles aufzugeben und auszuwandern. Nicht wegen der Kulturpolitik der Regierung, sondern aus anderen Gründen. Wo er wohnen würde, darüber hat er sich noch keine Gedanken gemacht.
"Irgendwo, wo es weniger Nerven kostet. Da, wo die Menschen auf der Straße nicht so kaputt sind, nicht so deprimiert. In den letzten Jahren habe ich auf der Straße kaum Leute gesehen, die lächeln. Dafür eine Menge Verbissene, Nervöse, die hupen, in Eile sind und mit sich selbst reden."
"Persönlich begegnen sie uns mit Respekt. Sie sagen, wir seien beliebte Künstler und so weiter, aber tatsächlich tun sie nichts für uns. Im Gegenteil, sie hindern uns an unserer Arbeit. Die staatlichen Kulturzentren lehnen Rockmusik ab, geben uns keinen Saal. Das Kulturministerium erteilt den Popbands keine Genehmigung für Konzerte. Und ich bin mir sicher, wir werden lange auf eine Genehmigung für unsere neue CD warten müssen. Sie schaffen eine Situation, in der die modernen Musiker gezwungen sind, von sich aus aufgeben."
Schikanen erleben nicht nur Pop- oder Rockmusiker. Das Kulturministerium behandelt die Künstler der klassischen oder folkloristischen Musik ähnlich. Am schlimmsten sind Sängerinnen betroffen, denn im Gottesstaat dürfen Frauen nicht solo singen, sondern immer in Quartett, mit mindestens einer männlichen Stimme. Das schreibt das Gesetz vor.
Parvin Bahmani, eine Folkloresängerin, glaubt, die Regierung würde am liebsten den Frauen auch das Singen im Chor verbieten. Deshalb setze sie, die Regierung, zur Abschreckung die Frauen stärker unter Druck als ihre männlichen Kollegen. Bei ihrem letzten Konzert hat Bahmani etwas Unglaubliches erlebt:
"Die Sicherheitskräfte wollten mich während der Pause verhaften, weil im Saal einige Frauen die islamische Kleiderordnung missachtet hatten. Ich hatte mich vorher schriftlich verpflichtet, für jedes Vorkommnis Verantwortung zu tragen. Ich sagte zu den Polizisten: Ich sitze im hellen Licht der Bühne, singe und dirigiere zugleich die Gruppe. Wie soll ich denn auf die Kleidung der Frauen im dunklen Saal aufpassen? Dann kamen andere Gruppenmitglieder und sagten: Auch wir kommen mit aufs Revier. Da haben die Beamten den Kürzeren gezogen. Wir mussten ihnen verbal versichern, dass wir auf die Schleier der Frauen im Saal aufpassen, und so durften wir weiter machen."
Bahmani ist überzeugt, dass die ultra-orthodoxe Regierung bestrebt ist, mit allen Mitteln den Musikern und Musikerinnen das Leben zu erschweren: Im Fernsehen dürfen sie nicht auftreten, Konzerte dürfen nur einige Auserwählte geben, deren Musik religiös angehaucht ist, und für die Herausgabe von Alben gibt es strenge Auflagen. Doch die meisten Musiker wollen nicht aufgeben, und trotzen allen Hindernissen des Regimes. So auch Parvin Bhamani:
"So wie ein Soldat oder ein Gardist, der im Krieg für seine Heimat kämpft und sich opfert, so sind Musiker, die in ihre Kunst verliebt sind. Sie kämpfen und opfern sich für ihre Kultur. Denn, wenn wir unsere Kultur verlieren, verlieren wir auch unsere Heimat. Ein Mensch ohne Heimat hat gar nichts. Ich selbst bin leidgeprüft. Wir können doch nicht ruhig schlafen, wir müssen kämpfen."
Ähnlich denkt Ali Ashraf Darwishian, einer der bekanntesten zeitgenössischen Autoren Irans: "Als ein Schriftsteller, der für sich und seine Umwelt einen moralischen Anspruch erhebt, kann ich nicht verstummen und über gewisse Dinge hinwegsehen. Also schreibe ich über die Verbrechen, über die Geschehnisse in meiner Umgebung. Zuletzt habe ich über die politischen Hinrichtungen in den Gefängnissen dieses Systems geschrieben, über die Folterungen, über Geschehnisse, die bei den Verantwortlichen ein Schamgefühl hervorrufen. Deshalb verhinderten sie das Erscheinen meines letzten Buches. Meine Geschichten erinnern sie an ihre eigenen Taten."
Darwishian ist einer der aktivsten Mitglieder des verbotenen Schriftstellerverbandes. Er und einige seiner Kollegen kämpfen seit Jahren für die Legalisierung ihrer Organisation. Doch das Regime sehe in jeder Vereinigung einen potenziellen Feind, der niedergeschlagen werden soll, meint Darwishian und nennt das letzte Beispiel: Das Syndikat der Teheraner Busfahrer, deren Mitglieder verhaftet, verhört und gefoltert wurden. Mit dem Syndikat haben sich einige Organisationen solidarisiert, darunter auch der Schriftstellerverband. Darwishian nennt die Gründe für diesen Schulterschluss:
"Mit diesem System hat unser Land keinen Fortschritt erlebt. Jeden Tag gibt es neue Probleme und Krisen: die steigende Arbeitslosigkeit, Verbreitung der Drogensucht, die Zunahme der Zahl von Straßenkinder, Schwindel erregende Teuerungsrate. Wer muss das alles verantworten? Dieses System kann so nicht weiter machen."
Darwishian ist nicht der einzige kritische Autor, dessen Bücher an den staatlichen Hürden scheitern. Viele Autoren und Verlage klagen über die Zensur, für die es keine klaren Richtlinien gibt. Neulich hat der Kulturminister angeordnet, dass nur Romane und Erzählungen erscheinen dürfen, die für alle Mitglieder einer Familie, das heißt, für alle Altersgruppen, geeignet sind. Die Entscheidung darüber, welche Bücher für alle Familienmitglieder geeignet sind, hat er einzelnen Zensoren überlassen.
Nicht nur in der Literatur, sondern auch in anderen Bereichen tappen die Künstler in Ungewissheit. Indem die Regierung die Richtlinien der Zensur nicht bekannt gibt, macht sie die Künstler und Kulturmanager selbst zu ihrem eigenen Zensor. Das führt bei vielen zur Verwirrung, in manchen Fällen auch zur Passivität und Resignation.
Einige haben sich, nach langem Bemühen um Genehmigungen und Erlaubnisse, verselbstständigt. Das heißt, sie arbeiten ohne die Zustimmung des Kulturministeriums. Zum Beispiel der Filmemacher Mohamad Reza Hamidi. Er produziert Videoclips, hauptsächlich für Musikgruppen. Doch auch Hamidi ist kurz davor, alles aufzugeben und auszuwandern. Nicht wegen der Kulturpolitik der Regierung, sondern aus anderen Gründen. Wo er wohnen würde, darüber hat er sich noch keine Gedanken gemacht.
"Irgendwo, wo es weniger Nerven kostet. Da, wo die Menschen auf der Straße nicht so kaputt sind, nicht so deprimiert. In den letzten Jahren habe ich auf der Straße kaum Leute gesehen, die lächeln. Dafür eine Menge Verbissene, Nervöse, die hupen, in Eile sind und mit sich selbst reden."