Fraport will weiter wachsen

Zweifel am weiteren Ausbau des Frankfurter Flughafens

09:05 Minuten
Kräne und Betronteile der Baustelle am Terminal 3. Im Hintergrund sind Flugzeuge zu sehen.
Baustelle des neuen Terminal 3 am Frankfurter Flughafen. Das Wachstum geht weiter. © picture alliance/dpa/Stefan Rebscher/Fraport | Stefan Rebscher
Von Ludger Fittkau · 18.03.2021
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Fast 700 Millionen Euro Verlust machte der Frankfurter Flughafen im vergangenen Jahr. Die Passagierzahlen sind eingebrochen, es ist ungewiss, ob sie jemals das alte Niveau wieder erreichen. Dennoch hält die Flughafengesellschaft am Ausbau fest.
"Ich habe vier schulpflichtige Kinder. Die fragen mich: 'Papa, was ist, wieso gehst Du seit zwei Monaten nicht mehr arbeiten?'"
Ein Mitarbeiter der Firma Wisag am Frankfurter Flughafen während einer Protestaktion gegen die Entlassung von rund 200 Mitarbeitenden. Die Firma ist spezialisiert auf das Be- und Entladen von Flugzeugen. Die entlassenen Arbeiterinnen und Arbeiter werfen ihrem ehemaligen Arbeitgeber vor, die Corona-Pandemie sei ein Vorwand gewesen, um Beschäftigte mit alten Arbeitsverträgen "loszuwerden" und sie durch "billigere Kräfte" von Leiharbeitsfirmen zu ersetzen.

Hungerstreik gegen Kündigung

Die Firma argumentiert dagegen: Durch die Folgen der Pandemie sei auf absehbare Zeit einfach nicht mehr genug Arbeit da, um die Leute weiter zu beschäftigen. Noch vor wenigen Wochen waren einige Entlassene sogar in einen befristeten Hungerstreik getreten, um ihren Arbeitsplatz zurückzufordern.
Zur Mittagszeit ist es ziemlich still in der großen Eingangshalle der Fraport AG – dem Flughafenbetreiber des Rhein-Main-Airports. Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Unternehmens sind im Homeoffice oder in Kurzarbeit. Entlassen wurde beim größten Arbeitgeber am Flughafen bisher niemand. Bis zum Jahresende soll die Kurzarbeit noch weitergehen, danach folgt ein sogenannter "Notlagentarifvertrag" bis zum Jahr 2023 mit Lohneinbußen.
Das Café im Erdgeschoss ist coronabedingt geschlossen. Einzelne Fraport-Beschäftigte holen sich ein Mittagessen aus der Betriebskantine, in der man auch nicht zusammen sitzen darf.
Christian Engel ist der Sprecher für Infrastruktur und Terminal 3 bei der Fraport AG. Er kommt mit Atemschutzmaske zum Gespräch in die Nähe des Empfangstresens, hinter dem auf einer großen Projektionsfläche ein Werbefilm für das künftige Terminal 3 läuft.
Luftbild. Im Vordergrund die Baustelle des neuen Terminals, im Hintergrund Start- und Landebahn des Flughafens.
Die Fertigstellung des neuen Terminal 3 verzögert sich wegen der Corona-Krise.© picture alliance / Markus Mainka | Markus Mainka
Die Abfertigungshalle, die alleine so groß sein wird wie der gesamte frühere Flughafen Berlin-Tegel, sollte ursprünglich bereits im kommenden Jahr in Betrieb gehen. Doch vor allem die Corona-Krise wird die Fertigstellung noch bis 2026 verzögern, so Christian Engel:
"Als die größten Auswirkungen, die wir durch die Corona Pandemie gemerkt haben, beziehen sich auf den Lockdown im letzten Jahr, also im letzten Frühjahr. Der Lockdown hat auch uns da sehr stark getroffen, weil es insbesondere zu Lieferengpässen kam. Lieferengpässe, was Baumaterialien anbelangt.
Und gleichzeitig hatten wir auch natürlich eine Planung gehabt, die davon ausgegangen ist, dass die Baustelle weiter hochgefahren wird. Das heißt, dass quasi die Bautrupps erweitert werden sollten. Und da gab es natürlich dann auch im Rahmen des Lockdowns die eine oder andere Problemlage, dass das nicht so schnell geschehen konnte wie gedacht."

Auf jeden Fall weiterbauen

So habe man frühzeitig entschieden, die Baustelle zeitlich zu strecken und damit die Planungen an die Liefer- und Arbeitssituation im Lockdown anzupassen, erklärt Christian Engel. Dennoch hofft die Fraport, ungefähr Mitte des Jahrzehnts wieder bei den Passagierzahlen zu sein, die es im Jahr 2019, also vor der Covid-Krise, am größten deutschen Flughafen gab. Deshalb soll auch das Terminal 3 auf jeden Fall zu Ende gebaut werden, versichert der Fraport-Sprecher:
"Mit so einem großen Ausbauvorhaben wie mit Terminal 3 ist natürlich klar, dass wir den Standort des Frankfurter Flughafens stärken und auch mittel- und langfristig stärken. Und das natürlich auch das Thema größte Arbeitsstätte Deutschlands, die der Flughafen Frankfurt mit Abstand ist, natürlich auch dieser Titel quasi weiter ausgebaut werden kann und die Position weiter gesichert werden kann."
Die Baustelle des neuen Terminal 3 im Vordergrund. Dahinter ein Flugzeug von Ryanair.
Stimmen nach mehr Nachhaltigkeit werden in Frankfurt lauter. Ihre Forderung: Verzicht auf Routen von Billiganbietern.© picture alliance/dpa | Andreas Arnold
Ortswechsel. Ein SPD-Wahlstand in Frankfurt-Sachsenhausen rund fünf Kilometer nordöstlich des Flughafens. Gleich fünf Mitglieder des Ortsvereins im beliebten südlichen Stadtteil der Mainmetropole kandidieren für das Stadtparlament und den Ortsbeirat von Sachsenhausen.
Sie verteilen Faltblätter mit ihren Portraits auf der Titelseite, darüber der Wahlslogan: "Fluglärm kann weg - für eine lebenswerte Stadt". Im Innern des Faltblattes wird die dauerhafte Stilllegung und Umnutzung der Nord-West-Landebahn genauso gefordert wie der Baustopp für das neue Terminal 3.

Nachhaltigkeit statt Wachstum

Jan Binger ist der sozialdemokratische Spitzenkandidat für den Ortsbeirat. Er kritisiert, das vor der Pandemie vor allem Billigflieger nach Frankfurt am Main gelockt wurden:
"Diese Billigflieger sind in meinen Augen - der Preiskampf, der mit ihnen einherging - so nicht mehr haltbar. Den darf es nicht wieder geben. Und es ist jetzt der Punkt, diesen Preiskampf zu beenden und auch nachhaltig zu überlegen: Welche Verbindungen sind insgesamt auch im Rahmen der Klimadebatte noch notwendig? Und welche sind zu viel? Es ist ja nicht nur der Lärm ist es ja auch die Umwelt. Die Umweltaspekte, Schadstoffe und insbesondere der Ultrafeinstaub, der hier das Problem für die Region ist."
Doch Fraport will auf die sogenannten "Billigflieger" – gemeint sind Fluggesellschaften wie Ryan Air oder Easy Jet, auch in Zukunft nicht verzichten. Diese Airlines steuern gerne Urlaubsziele an – nach dem Ende der Corona-Krise erwartet der Flughafen Rhein-Main in diesem Bereich wieder eine stark wachsende Nachfrage.
Ein ICE im Bahnhof des Frankfurter Flughafens.
Inlandsflüge könnten durch eine bessere Bahnanbindung in Zukunft wegfallen. Die Lufthansa verhandelt mit der Bahn.© picture alliance / Markus Mainka | Markus Mainka
Eher schon könnte die Zahl der Inlandsflüge zurückgehen. Vor wenigen Wochen kündigte die Lufthansa an, künftig enger mit der Deutschen Bahn zusammenzuarbeiten, um Inlandsflüge als Zubringerservice zu Übersee-Verbindungen durch Bahnverbindungen zu ersetzen – etwa mit weiteren ICE-Waggons von Köln oder München zum Frankfurter Flughafen. Fraport-Sprecher Christian Engel:
"Also das Thema Inlandsflüge ist ja ein Thema, was uns schon zahlreiche Jahre begleitet. Und da merken wir einen klaren Trend: Der geht stetig etwas zurück. Also, das Thema Inlandsflüge ist ein zurückgehendes Geschäft. Dieser Trend wird sich auch nach der überstandenen Corona-Pandemie fortsetzen, insbesondere wenn man natürlich ein paralleles Angebot schaffen kann.
Man kann zum Beispiel verstärkt auf Schnellzüge aus verschiedensten Regionen in Deutschland setzen, die auch sicherstellen, dass ein pünktlicher Transport über die Bahn direkt zum Flug gewährleistet ist. Und da ist er, der Flughafen Frankfurt, wirklich in einer sehr komfortablen Situation, dass wir hier einen sehr großen Fernbahnhof der Deutschen Bahn direkt am Hof haben."

Flughafen umgestalten

Am SPD-Infostand in Sachsenhausen wird diese Entwicklung begrüßt. Die Verlagerung von Kurzstreckenflügen auf die Bahn steht hier als Forderung auf den Flyern. Doch dass die Fraport AG grundsätzlich in Post-Corona-Zeiten auf Wachstumskurs bleiben will, kommt bei vielen Flughafen-Anwohnern nicht gut an – auch in Sachsenhausen nicht. Hier hatte man gehofft, die Corona-Krise könnte einen Abschied vom Wachstumskurs bedeuten. SPD-Ortsbeiratskandidat Jan Binger:
"Die Pandemie hat den Zustand hergestellt, den wir uns hier spätestens seit Inbetriebnahme der Landebahn Nordwest gewünscht haben. Die Nordwest-Landebahn wurde teilweise außer Betrieb gesetzt, derzeit auch. Das ist natürlich eine tolle Entlastung. Wir freuen uns darüber, dass die Entlastung gekommen ist. Wir hoffen, sie bleibt auch dauerhaft.
Gleichwohl sehen wir die Probleme am Flughafen. Der Flughafen insgesamt als Arbeitsstätte muss erhalten bleiben. Er muss sich aber umgestalten hin zu einem nachhaltigen Flughafen. Wir sagen, es ist jetzt der Zeitpunkt, dass endlich ein Umdenken stattfindet, den Flughafen so zu gestalten, dass er in die Region passt und nachhaltig wirtschaftet."

Hilfen vom Bund

Doch zunächst gilt es für viele der rund 80.000 Beschäftigten am Flughafen erst einmal, ihren Job nicht durch betriebsbedingte Kündigungen wegen der Corona-Krise zu verlieren. Der Bund hat den zwölf größeren deutschen Flughäfen rund 400 Millionen Euro Ausfallgelder in Aussicht gestellt. Die Hilfen sind an Bedingungen geknüpft: Die Empfänger dürfen keine Dividende und keine Boni zahlen, und die Länder müssen die Hälfte der Summe tragen. Hessen hat sich dazu bereit erklärt.
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