Französische Rechte

Mit Walter Benjamin ab in die Mitte

06:20 Minuten
Porträt von Walter Benjamin.
Auf seiner Flucht vor den Nazis machte der jüdische Schriftsteller Walter Benjamin auch in der französischen Stadt Perpignan Halt. © picture-alliance / akg-images
Jürgen Ritte im Gespräch mit Marietta Schwarz · 05.07.2020
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Die französische Rechte hat überraschend Walter Benjamin für sich entdeckt: Sie will ein nach ihm benanntes Kulturzentrum in Perpignan wiedereröffnen. Marine Le Pen gehe es darum, salonfähig zu werden, meint der Literaturwissenschaftler Jürgen Ritte.
Seit 2013 gibt es im südfranzösischen Perpignan ein Walter-Benjamin-Zentrum für zeitgenössische Kunst. Hier hielt sich der jüdische Schriftsteller auf seiner Flucht vor den Nazis auf, bevor er weiter nach Spanien floh. Nun ist dieses Kulturzentrum in den Fokus französischer Intellektueller geraten, weil der rechtspopulistische Rassemblement National (RN) versucht, es für sich zu vereinnahmen.
Im Juni wurde Louis Aliot zum Bürgermeister der Stadt gewählt. Er ist der frühere Lebensgefährte von Marine Le Pen und Vizepräsident des RN. Als eine seiner ersten Amtshandlungen kündigte er an, das brachliegende Kulturzentrum wiederzueröffnen.

Den rechtsradikalen Mief loszuwerden

Welches Interesse hat die rechtspopulistische Partei an Walter Benjamin? Es gehe darum, "Respektabilität zu gewinnen" und salonfähig zu werden, so der Literaturwissenschaftler Jürgen Ritte. Marine Le Pen bemühe sich seit geraumer Zeit darum, "diesen rechtsradikalen, antisemitischen, fremdenfeindlichen Mief loszuwerden". Und da sei eine Figur wie Walter Benjamin, die sich nicht mehr wehren könne, willkommen.
Aus dem Kulturzentrum soll nun ein Dokumentationszentrum über Flucht und Vertreibung werden. Jüdische Flüchtlingsschicksale sollen hier genauso beschrieben werden wie die der spanischen Republikaner, die gegen Franco kämpften und nach Frankreich fliehen mussten. Auch der Sinti und Roma soll gedacht werden.

Offener Brief in "Le Monde"

Das alles sei nach außen hin höchst respektabel, so Ritte. Man wünsche sich ja, dass an die Schicksale erinnert wird. Nur dass es eben nun "dieser Herr", Louis Aliot, tue - das rufe die französischen Intellektuellen auf den Plan. Sie haben sich bereits in der Tageszeitung "Le Monde" in einem offenen Brief positioniert.
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