Französisch-englische Freundschaft

Teppich von Bayeux zeigt mittelalterlichen Comic

Teppich von Bayeux
Teppich von Bayeux © imago stock&people
Von Jens-Peter Marquardt · 18.01.2018
Bei seinem ersten Staatsbesuch in Großbritannien kündigt Frankreichs Präsident Emmanuel Macron an, den Briten den berühmten Teppich von Bayeux als Exponat zukommmen zu lassen. Einst diente der Teppich den Franzosen als Propaganda-Material.
Die Premierministerin kann es gar nicht gar nicht erwarten, dass Kulturabkommen mit dem französischen Präsidenten zu unterzeichnen. Es sei ein bedeutender Schritt, dass der Teppich von Bayeux nach Großbritannien komme, und die Menschen hier die Möglichkeit hätten, das Weltkulturerbe zu sehen, sagt Theresa May.
Wenn die Experten grünes Licht für den Transport des fragilen Kunstwerks geben, dann wird der riesige Wandteppich zum ersten Mal seit 950 Jahren französischen Boden verlassen. 70 Meter lang und 50 Zentimeter hoch, mit 600 Menschen, 200 Pferden und 40 Schiffen darauf gestickt, zeigt er das, was weder Julius Cäsar noch Napoleon oder Adolf Hitler gelungen ist: Die Eroberung der britischen Insel als eine Art mittelalterlichen Comic in 58 Szenen – die Geschichte der Eroberung durch die Normannen beginnend im Jahr 1064 und endend mit der Schlacht von Hastings 1066, sagt Michael Lewis vom British Museum in London:
"Der Teppich erzählt die ganze Vorgeschichte, 1064, wie der englische König Harold in Frankreich gefangengenommen wird, wie Wilhelm der Eroberer den heiligen Eid schwört, die englische Krone zu ergreifen, und wie er am Ende, 1066, in der Schlacht von Hastings Harold tötet, auf dem Teppich dargestellt durch einen Pfeil, der sein Auge durchbohrt. Doch das ist ein Mythos."

Der Mythos vom Pfeil im Auge des Königs

Die Darstellung auf diesem Teppich begründete einst den Mythos von dem Pfeil in König Harolds Auge. Die Wahrheit ist aber, dass die Normannen den englischen König damals zerhackten. Und doch – der Faszination dieses Kunstwerks tut das keinen Abbruch. Entstanden ist es wohl um 1077 in Südengland, am wahrscheinlichsten wohl in Canterbury, vielleicht aber auch in Frankreich – die Historiker sind sich nicht ganz einig.
Der Teppich selber hat eine wechselvolle Geschichte. In der französischen Revolution konnte ein resoluter Ortspolizist gerade noch verhindern, dass er in Stücke geschnitten und als Wagenplane verwendet wurde. Zwei Mal wurde er vorübergehend von Bayeux nach Paris gebracht und ausgestellt: ein Mal als Propaganda-Material von Napoleon vor seinem England-Feldzug, ein anderes Mal 1944 von den Nazis, die es aber nicht mehr schafften, den Teppich vor den vorrückenden Alliierten nach Berlin zu bringen.

Bislang kam immer ein Nein aus Paris

1953 aus Anlass der Krönung Elizabeth II. hätten die Briten den Teppich gern in London ausgestellt. 1966, zum 900. Jubiläum der Schlacht von Hastings hatten sie erneut bei den Franzosen nachgefragt – beide Male gab es ein Nein aus Paris. Jetzt aber kommt Präsident Macron auf die Insel, bringt den Teppich fast schon mit und erobert damit diesmal die Herzen der Briten. Tom Tugendhat, der Vorsitzende des Kulturausschusses im Unterhaus in London, ist begeistert:
"Das ist gewaltig. Das ist eine außergewöhnliche diplomatische Initiative des französischen Präsidenten und eine phantastische Geste des guten Willens eines unserer engsten Verbündeten. Und eine phantastische Möglichkeit für die britischen Bürger, eines der bahnbrechenden Werke unserer Geschichte zu sehen."
Im Gepäck hat Macron den Teppich noch nicht. Es muss noch geklärt werden, wo er ausgestellt wird. Und wie das fragile, kostbare Kunstwerk auf die Insel transportiert wird. Das kann noch ein bisschen dauern. Aber in etwa zwei Jahren dürften sich die Tore für die Teppich-Ausstellung auf der Insel öffnen.
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