Neuköllner Bürgermeisterin der leiseren Töne
Franziska Giffey ist in Berlin-Neukölln die Nachfolgerin des bekanntesten Rathauschefs der Republik, des SPD-Politikers Heinz Buschkowsky. Die promovierte Politikwissenschaftlerin aus Frankfurt/Oder gilt als seine politische Ziehtochter. Seit einem Jahr ist sie im Amt.
Franziska Giffey kommt gerade von einem Fernsehinterview. Ein Jahr Amtszeit als Bürgermeisterin von Berlin-Neukölln, das interessiert die Medien. Giffeys Zeitplan ist eng. Die 37-Jährige beugt sich über einen Tisch und fingert aus einer Schatulle die Amtskette des Bürgermeisters von Berlin-Neukölln.
"Die historische Amtskette, die bisher nur Männer umhatten, ich bin ja die erste Frau, die die tragen darf und dann wird die einfach so umgelegt, um zu verdeutlichen, dass ich als offizielle Repräsentantin des Bezirks heute diese Einbürgerung vornehme."
Noch einmal streicht sie ihr blaues Kostüm glatt, rückt am Revers den Anstecker mit dem Neuköllner Wappen gerade. Ihre blonden Haare sind sorgfältig zurück gesteckt, in ihrem Gesicht ist, wie fast immer, ein offenes Lächeln. Die Einbürgerungsfeier findet ein Stockwerk höher statt, die Zeit drängt. Kein Tag, an dem die Sozialdemokratin und Mutter nicht über Bildung und Integration spricht. Ihre Gedanken sind längst bei den 50 Neubürgern, die sie bereits erwarten.
"Heute, das ist immer sehr schön, da kann man doch die Hoffnung zurückgewinnen, dass Integration doch funktioniert."
Den Eindruck hat sie nicht immer. Sie erlebt, dass schon die Kleinsten "sozial verarmt" kaum deutsch sprechen und einen schweren Start haben. In Neukölln leben 160 Nationalitäten. Zwei Drittel der Schulen gelten als problematisch, überdurchschnittlich viele Familien sind auf Hartz IV angewiesen. Aber Giffey verweist auch gerne auf Neuansiedlungen, Start-ups, eine aktive Modeszene.
"Diese Vielfalt der Menschen die hier leben, diese unterschiedlichen Nationen, natürlich ist das nicht immer einfach, aber es ist auch eine unglaubliche Chance und es macht den Bezirk auch attraktiv."
Sie hat viel Wissen von ihrem bundesweit bekannten Vorgänger, dem Sozialdemokraten Heinz Buschkowsky übernommen. Ihr Fleiß, ihre Disziplin, ihr ehrliches Interesse haben ihn damals überzeugt. Auch die Neubürger spüren ihre Energie, wenn sie sich an das Rednerpult stellt.
"Es ist schon ein außergewöhnlicher Moment, wenn man sich entscheidet, Bürgerin und Bürger eines anderen Landes zu werden, des deutschen Staates, der Bundesrepublik Deutschland, eines freien Landes dessen Boden die freiheitlich demokratische Grundordnung ist, die Gleichberechtigung von Männern und Frauen, die freie Meinungsäußerung."
Weiß, was schwierige soziale Umstände bedeuten
Sie spricht über Gleichberechtigung, gesellschaftliche Teilhabe, soziale Verantwortung, Chancengleichheit, fordert die Anwesenden auf, sich aktiv im Alltag einzumischen, sich umeinander zu kümmern. Als Kind hat sie die Wende auf dem Land, in Brandenburg erlebt. Ihre Eltern wurden arbeitslos. Franziska Giffey weiß, was schwierige soziale Umstände bedeuten. All das schwingt mit, als die ehemalige Bezirksstadträtin jedem Einzelnen nicht nur die Einbürgerungsurkunde, sondern auch das Grundgesetz der Bundesrepublik überreicht.
"Dieses Buch ist etwas sehr, sehr wertvolles, denn es steht eigentlich alles drin, damit wir gut zusammenleben können und eigentlich braucht man auch gar nicht sehr weit lesen. Es reichen die ersten Zeilen, Artikel 1: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt."
Nach einer guten Stunde, kleiner Empfang, jeder kann ein Foto mit sich und der Bürgermeisterin mit nach Hause nehmen. Die promovierte Verwaltungswissenschaftlerin ist schon wieder in ihrem Element. Ihr Credo: Bei den Menschen sein und zuhören. Gar nicht mehr staatstragend, schneidet sie für die Neubürger märkisches Landbrot, eine Tradition, die sie selbst eingeführt hat.
Nach einer guten Stunde, kleiner Empfang, jeder kann ein Foto mit sich und der Bürgermeisterin mit nach Hause nehmen. Die promovierte Verwaltungswissenschaftlerin ist schon wieder in ihrem Element. Ihr Credo: Bei den Menschen sein und zuhören. Gar nicht mehr staatstragend, schneidet sie für die Neubürger märkisches Landbrot, eine Tradition, die sie selbst eingeführt hat.
"Ich bin immer ein bisschen beseelt danach, weil es so schön ist."
Ausgleich statt polarisieren
Zurück im Bürgermeisterbüro. Der gediegene Holzschreibtisch, die Bücherregale an den Wänden, die Büste von Willy Brandt, all das hat sie von ihrem bekannten Vorgänger Heinz Buschkowsky vor einem Jahr unverändert übernommen. Nur die großflächigen farbigen Luftbilder von Neukölln sind neu. Anders als Buschkowsky ist Franziska Giffey eine Frau der leisen Töne. Sie gleicht eher aus als zu polarisieren. Schnell ist sie wieder beim Thema Bildung, der alltäglichen Herausforderung. Sie spricht über Schulsozialarbeit, Lesepaten, Kitaplätze, mehr Ganztagsschulen.
"Es geht immer darum, ein Stück weit auszugleichen, was woanders den Kindern nicht gegeben werden kann. Mit dem Ziel, dass sie auch, wenn sie nicht im wohlbehüteten Wohlstandsnest geboren sind, ihren Weg machen können und das haben wir leider noch nicht erreicht."
Sie sieht auf die Uhr, packt ihre Tasche, an diesem Nachmittag will sie ihren Sohn unbedingt pünktlich von der Ganztagsschule abholen.