Franziska Brantner: Ashton fehlt „eigene Vision“

Franziska Brantner im Gespräch mit Ute Welty |
Franziska Brantner hat der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton vorgeworfen, keine eigene Vision zu haben. Die Grünen-Europaabgeordnete warf ihr vor, sich auf ein Machtspiel zwischen der Europäischen Kommission und den Mitgliedsstaaten einzulassen.
Ute Welty: Europa rüstet auf, zumindest auf diplomatischem Terrain. Ein neuer europäischer Außendienst soll die europäische Außenpolitik effektiver machen und die europäische Außenbeauftragte unterstützen. Catherine Ashton beschreibt ihre Ziele und die ihres Dienstes so:

„Ich beschreibe es einfach so: Wir wollen ein sicheres, stabiles Europa, und deshalb haben wir eine Rolle zu einer sicheren, stabilen und prosperierenden Welt beizutragen. Es geht darum, diese Gedanken in die Wirklichkeit des Dienstes umzusetzen, der im Laufe der nächsten Jahre aufgebaut wird. Ich hoffe, dass wir alle in der EU darauf stolz sein werden.“

Welty: Allerdings ist Ashtons Entwurf für den europäischen Außendienst erst mal durchgefallen. Es hagelt Kritik von nationaler Seite und von Seiten des Europaparlamentes. Eben da, im Europaparlament, sitzt Franziska Brantner als Abgeordnete für die Grünen. Guten Morgen, Frau Brantner!

Franziska Brantner: Guten Morgen!

Welty: Wenn ich als Abgeordnete über dieses aktuelle europäische Gezerre in der Zeitung lesen würde, dann wäre mir das peinlich. Wie geht es Ihnen damit?

Brantner: Ja, ich bin auch etwas enttäuscht darüber, dass wir diese einmalige Chance, die wir haben, etwas Neues, Modernes, Effektives zu kreieren, eher dafür nutzen, wieder Klein-Klein-Kämpfe innerhalb der Europäischen Union zu machen, weil ehrlich gesagt zieht die Macht woanders hin, in den Osten, USA etc., und wir beschäftigen uns wieder nur mit Klein-Klein zwischen was dürfen die Mitgliedsstaaten machen, was darf die Kommission machen. Das enttäuscht mich auch selber häufig.

Welty: Was ist Ihr Hauptkritikpunkt am Entwurf für den europäischen Außendienst?

Brantner: Wir haben zwei Hauptkritikpunkte. Der eine ist, dass dort, wo Synergie notwendig und auch wirklich möglich ist, nämlich im Krisenmanagement, im Staatsaufbaubereich, wo wir in den nächsten Jahren und Jahrzehnten viel zu tun haben werden, die wirkliche Integration zwischen dem, was bis jetzt Mitgliedsstaaten und andererseits die Kommission gemacht haben, wahrscheinlich nicht gelingen wird.

Andererseits fehlen uns wichtige Kontrollrechte, demokratische Kontrollrechte des Parlaments, und ehrlich gesagt schafft sich Frau Ashton einen so starken Generalsekretär, dass sie wahrscheinlich nur noch das Püppchen wird, was in der Welt herum Reden lesen wird, die ihr der Generalsekretär geschrieben hat, aber der ist von uns nicht demokratisch legitimiert.

Welty: Na ja, aber die Außenbeauftragte, Lady Ashton, muss ja vor allen Dingen mit diesem Außendienst arbeiten. Finden Sie nicht, dass ihr das Recht zusteht, den Dienst nach ihren Vorstellungen zu gestalten?

Brantner: Es wäre schön, wenn sie ihn nach ihren Vorstellungen gestalten würde. Leider lässt sie sich momentan eher auf ein Machtspiel zwischen Mitgliedsstaaten einerseits und Kommission andererseits ein und versucht so, Kompromisse hinzubekommen, ohne einmal auch nur klar wirklich zu sagen, was sie will. Es wäre wirklich wunderbar, wenn wir von ihr eine ganz eigene Vision hätten. Ich glaube, die würde auch anders ausschauen.

Welty: Wie würde sie ausschauen Ihrer Vermutung nach?

Brantner: Meiner Vermutung nach würde sie dem Dienst wirklich alle Instrumente, die die EU hat, von den Geldern, von der Entwicklungshilfe über Mission, Rechtsstaatsmission, über, sage ich mal, traditionelle Diplomatie, wirklich sich so unterordnen, dass sie Leute hat, die mit ihr arbeiten, das strukturieren, zusammenführen, effizient, modern gestalten, weil die Herausforderungen vom 21. Jahrhundert erfordern das.

Welty: Nach Ostern soll es ein Krisentreffen geben in dieser Angelegenheit. Wie könnte eine mögliche Kompromisslinie aussehen?

Brantner: Ich glaube, es müssen sich alle etwas bewegen. Jeder muss jetzt einsehen, dass es eben nicht mehr der Status quo ist, sondern dass der Lissabon-Vertrag genau vorsieht, dass man eben aufeinander zugeht und sich bewegt.

Ich hoffe, dass dahin ein Kompromiss kommt und dass man einiges an Synergien schaffen kann, wenn auch vielleicht noch nicht alle im ersten Schritt, aber dass man sagt, man fängt jetzt mal wenigstens positiv an und gibt sich die Möglichkeit, in zwei, drei Jahren das Ganze noch mal wieder zu revidieren, und vielleicht ist man bis dorthin etwas mutiger geworden, vielleicht ist Frau Ashton bis dorthin etwas mutiger und vielleicht hat man dann die Chance, noch mal einen neuen Aufschlag zu machen.

Welty: Aber geht es nicht letztendlich um eine weitere Runde im Machtkampf zwischen Europäischem Parlament und Europäischer Kommission? Der Entwurf sieht ja ein weiträumiges Mitspracherecht und auch ein Vetorecht der Kommission vor in entscheidenden Fragen. Daran wird sich ja auch wahrscheinlich in ein paar Jahren nichts ändern.

Brantner: Nein, wahrscheinlich nicht. Ich glaube, es ist, ehrlich gesagt, durchaus auch ein Machtkampf fürs Parlament natürlich. Wir wollen, dass wir demokratisch weiter legitimieren können, was in der EU in der Außenpolitik getan wird, weil das machen weder die nationalen Parlamente momentan, noch irgendjemand. Darauf muss das Parlament seinen Blick haben, das ist ein Machtkampf.

Aber ich glaube, der Hauptkampf zwischen, sage ich mal, der Zusammenführung von Instrumenten und Geldern und Missionen, der ist eher zwischen Mitgliedsstaaten und Kommission. Sie müssen sich vorstellen, die ganzen ehemaligen Außenminister – oder die sind alle noch Außenminister –, die haben auch Angst davor, dass sie in Zukunft nicht mehr so viel zu tun haben. Die Kommission, die Kommissare, jeder versucht, sein Terrain aufzubauen, aufzubereiten.

Ich hoffe, dass sich da etwas bewegen wird. Ich glaube, wir als Parlament werden schauen, dass das Ganze eben nicht in Grauzonen ausartet, wo hinterher wieder hin- und hergeschoben wird und die keiner mehr kontrollieren kann. Das ist für uns ein wichtiges Anliegen. Es darf nicht dazu kommen, dass es eine große Bürokratiebehörde wird, die nicht demokratisch legitimiert ist.

Welty: Aber müssen Sie nicht befürchten, dass Sie als Parlamentarier auf der Strecke bleiben, wenn Vertreter der Kommission und die Vertreter der Mitgliedsstaaten die Sache dann unter sich aushandeln?

Brantner: Offiziell haben wir nach dem Vertrag kein Vetorecht, aber für die Umsetzung dieses europäischen Dienstes muss der Haushalt geändert werden, die Finanzordnung, das Beamtenstatut. Über all diese Verfahren haben wir ein Mitspracherecht, ein Vetorecht. Das heißt, da können wir durchaus unsere Macht auch zum Spiel kommen lassen, wenn wir in dem offiziellen Verfahren zum auswärtigen Dienst überhaupt nicht berücksichtigt werden.

Welty: Europa bleibt eine Baustelle, auch wenn es um den neuen europäischen Außendienst geht. Dazu die grüne Europaabgeordnete Franziska Brantner in Deutschlandradio Kultur. Danke fürs Gespräch, und vielleicht lassen die Osterfeiertage ja Zeit und Raum fürs Nachdenken und für eine gute Idee.

Brantner: Ich danke Ihnen, ich hoffe es auch.