Franziska Bilek

Sie zeichnete den Klischee-Münchner

Karikaturistin und Illustratorin Franziska Bilek hält einige Postkarten fächerartig in den Händen.
Franziska Bilek (1906-1991) © imago/ZUMA/Keystone
Von Ulrich Zwack · 11.11.2016
In den 1930er-Jahren zählte Franziska Bilek zu den Topzeichnern renommierter Zeitschriften, zum Beispiel des "Simplicissimus". Ihre erfolgreichste Erfindung nach dem Krieg war der Herr Hirnbeiß, ein Münchner Grantler mit Bierbauch und Rundschädel. Vor 25 Jahren starb Franziska Bilek.
"Es war halt so: Wo die Bilek war, war Fröhlichkeit. Lustigkeit und Unwichtigkeit vom Leben, von den Alltagsproblemen. Und sie hat sich vollkommen frei gefühlt und war da aktiv in Ihrer Welt."
Der 90-jährige Gerd Thumser hat die Zeichnerin, Illustratorin und Karikaturistin Franziska Bilek in seiner einstigen Funktion als Leiter der Lokalredaktion der Münchner "Abendzeitung" kennengelernt. Kurz nachdem die Satirezeitschrift "Simpl" 1950 pleite gegangen war und deren Mitarbeiter mittellos auf der Straße standen:
"Die kamen dann plötzlich alle zu mir und ham g‘sagt: 'Herr Thumser, ham Sie keine Arbeit für mich? Denn der Simpl existiert ja nicht mehr.' Und da drunter war auch die Franziska Bilek."

Die Schickeria meidet sie wie die Pest

1952 druckte die Abendzeitung erstmals Zeichnungen von ihr. Das Boulevardblatt ging damit keinerlei Risiko ein. Denn Franziska Bilek galt längst als Starkarikaturistin. Sie selbst hielt das Karikieren allerdings für gar keine besondere Kunst.
"Man zeichnet die Leute wie sie sind. Die sind meistens ziemlich komisch. Inklusive meiner eigenen Person."
Geboren wird Franziska Bilek 1906 in München. Schon als kleines Kind zaubert sie mit leichter Hand Tiere und Märchenfiguren aufs Papier, und wird wegen ihres großen Talents bereits mit 15 Jahren in die altehrwürdige Münchner Kunstgewerbeschule aufgenommen. Später studiert sie an der Münchner Kunstakademie. Freilich ohne rechte Freude:
"In der Akademie, da bin ich zum falschen Lehrer kommen. Ich sollte malen. Und ich hab keine blasse Ahnung von Öl g‘habt, von Ölfarben. Dann bin ich raus und hab kein Geld mehr g‘habt. "
Da trifft es sich gut, dass sie vom "Münchner Abendblatt", den "Münchner Neuesten Nachrichten" oder der renommierten Zeitschrift "Jugend" erste Aufträge erhält. 1936 bewirbt sie sich auch beim Satiremagazin "Simplicissimus". Dessen Spitzenzeichner, der Akademieprofessor Olaf Gulbransson, ist von ihren Arbeitsproben restlos begeistert.
Franziska Bilek wird in die Redaktion aufgenommen. Bald verbindet sie mit Gulbransson auch eine enge Freundschaft. Indes ist der einst so bissige "Simplicissimus" 1936 von den völkischen Machthabern längst gleichgeschaltet worden. Doch als das Propagandaministerium auch Franziska Bilek zur politischen Zusammenarbeit auffordert, antwortet sie, scheinbar naiv:
"Ich kann nicht. Ich bin ein weibliches Wesen. Politik verstehe ich nicht."
Auch nach dem Krieg lässt sich die Zeichnerin vor keinen Karren spannen. Sie liebt Faschingsbälle, den Starkbieranstich auf dem Nockherberg und das Oktoberfest. Doch die berüchtigte Münchner Schickeria meidet sie wie die Pest.

Die Geburt des Hirnbeiß

Sie arbeitet für Zeitungen und Zeitschriften. Sie textet und zeichnet eigene Bücher, illustriert fremde, wie zum Beispiel die gesammelten Werke Karl Valentins. Und sie erfindet die Symbolfigur des Münchners schlechthin:
"Die Frau Bilek hat mich nun überrascht. Sie hat nämlich den Hirnbeiß mitgebracht. Eine Zeichnung. Und der Hirnbeiß ist seitdem eine historische Gestalt in München und lebt noch. Ist jeden Tag in der Abendzeitung. Und wird immer noch ulkig gefunden."
Herr Hirnbeiß erfüllt sämtliche Klischeevorstellungen, die man von einem Münchner nur haben kann. Er ist untersetzt, mit Bierbauch, Rundschädel, Gamsbarthut und Dackel. Seine übliche Gemütslage ist der berüchtigte Grant. Trotzdem hat Franziska Bilek das Kunststück zuwege gebracht, dass der Kotzbrocken "Herr Hirnbeiß" irgendwie sympathisch wirkt und von den durch ihn eigentlich desavouierten Münchner Eingeborenen heiß geliebt wird.
Seit 1961 liefert er in der "Abendzeitung" tagtäglich eine kurze, treffende Pointe zum aktuellen Geschehen in Stadt, Land oder Welt.
Bis zu ihrem Tod am 11. November 1991 hat Franziska Bilek von "Herrn Hirnbeiß" rund 500 Einzelzeichnungen angefertigt. Die Pointen denken sich heute natürlich Mitarbeiter der "Abendzeitung" aus. Aber die dazu jeweils passende Zeichnung wird nach wie aus dem Originalfundus gewählt. So setzt der Parademünchner "Hirnbeiß" seiner Schöpferin weiterhin tagtäglich ein kleines Denkmal.
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