Franz Berwalds "Sinfonie singulière"

Töne aus Granit und Erz

Der Dirigent Herbert Blomstedt, Jahrgang 1927
Jahrzehntelang im Einsatz für die Musik Franz Berwalds: Der Dirigent Herbert Blomstedt © picture-alliance / dpa / Hermann Wöstmann
Moderation: Volker Tarnow · 28.10.2018
Prothesen statt Polyphonien: Franz Berwalds Musik war so erfolglos, dass der schwedische Romantiker ein Fachgeschäft für Orthopädie eröffnete. Die Zeit war offenbar nicht reif für seine Sinfonien, und auch heute ist er trotz prominenter Fürsprecher noch ein Geheimtipp.
Gute Dirigenten sind wie gute Weine: sie reifen mit der Zeit und prägen besondere Merkmale aus. Viele ältere Dirigenten bevorzugen bei ihren raren Auftritten die Sinfonien Anton Bruckners – Herbert Blomstedt, der im vergangenen Sommer seinen 91. Geburtstag feiern konnte, gehört zu ihnen.

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Das Publikum überraschen

Allerdings überraschte der amerikanisch-schwedische Maestro sein Publikum 2016 damit, dass er mit den Berliner Philharmonikern einen ziemlich abseits stehenden Komponisten präsentierte; einen Musiker, der seine Sinfonien in der Mitte des 19. Jahrhunderts und damit in einer Zeit schrieb, die heute eher als Orientierungsphase zwischen Beethoven und Brahms denn als goldene Ära der Musikgeschichte betrachtet wird. Einen Musiker, dessen Werk Blomstedt natürlich vertraut ist, hat er doch sogar eine Notenedition herausgegeben.

Sinfonien und orthopädische Strümpfe

Franz Berwald heißt dieser Komponist, geboren 1796 in Stockholm, gestorben 1868 ebendort – seine Lebenszeit ist der von Gioacchino Rossini (1792-1868) vergleichbar. Er hatte deutsche Vorfahren und lebte auch zeitweise in Berlin, wo er seine musikalische Erfolglosigkeit durch die Arbeit als Orthopäde kompensierte. Dass er sich als Komponist nie etablieren konnte, dass von seinen vier Sinfonien zu Lebzeiten nur eine gespielt wurde, hängt wohl vor allem mit der formal und harmonisch erstaunlich unkonventionellen Musik zusammen, die sich Berwald ausdachte.

Singuläre Musik

Nicht nur dem Untertitel nach ist etwa seine Dritte Sinfonie ein "singuläres" Werk. 1845 geschrieben, wurde sie erst 1905 uraufgeführt – diese längst überfällige Entdeckung ging einher mit der Wiedergeburt der schwedischen Musik, die fünfzig Jahre in einem provinziellen Dämmerschlaf gelegen hatte. Volker Tarnow stellt Franz Berwald, die "Sinfonie singulière" und deren ungewöhnliche Aufführungsgeschichte vor.
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