Frankreichs rechte Kaderschmiede?

Marion Maréchals Hochschule ISSEP

25:41 Minuten
Marion Marechal bei der Eröffnung des Institute of Social Sciences, Economics and Politics (ISSEP).
Das nette Gesicht der französischen Neuen Rechten: Marion Maréchal, Enkelin des Front-National-Gründers Jean-Marie Le Pen. © picture alliance / AP Photo / Laurent Cipriani
Von Jürgen König · 16.10.2018
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Seit Kurzem nennt sich Marion Maréchal, die Nichte von Marine Le Pen, nicht mehr Le Pen - der Rechten bleibt sie dennoch treu. Mit einer neu gegründeten Privathochschule will sie die vermeintliche Dominanz der Linksintellektuellen in Frankreich brechen. Doch die Hochschule hat erst 60 Studenten.
Steve Bannon, die Ikone der amerikanischen extremen Rechten, war zur Eröffnung der ISSEP ausdrücklich nicht erwünscht. Zum letzten Parteitag des Front National, bei dem die Umbenennung der Partei in "Rassemblement National" auf den Weg gebracht wurde, hatte dessen Präsidentin, Marine Le Pen, ihn noch als Überraschungsredner eingeladen. Doch ihre Nichte Marion Maréchal, von Steve Bannon mehrfach als "aufsteigender Stern" bezeichnet, wollte zur Eröffnung ihres "Instituts für Sozial-, Wirtschafts- und Politikwissenschaften" ein klares Zeichen setzen.
Marion Maréchal: "Die ISSEP verfolgt kein politisches Ziel. Wir wollen eine Alternative anbieten, weil wir finden, dass die französische Bildungslandschaft intellektuell gesehen zu einseitig geworden ist, und das ist nicht zufriedenstellend. An den Hochschulen werden zu wenige französische Ideen vermittelt."

Rückkehr in die Politik nicht ausgeschlossen

"Kein politisches Ziel" - ein Großteil der französischen Presse hatte ihr das von Anfang an nicht abgenommen, zumal sie, die bisher unter dem Nachnamen Maréchal-Le Pen aufgetreten war, ihren Namenszusatz erst kurz vor Gründung der Hochschule ablegte. Für die ständig wachsende Anhängerschar innerhalb des Front National war Marion Maréchal ohnehin die bessere Präsidentschaftskandidatin als Marine Le Pen.
Ihr Engagement für eine "Kaderschmiede neuer, rechter Eliten" wird so von vielen Kommentatoren als eine Strategie interpretiert, langfristig in die Politik zurückzukehren. Die Hochschule, so die Argumentation, sei als Basis einer eigenen Bewegung gedacht und die wiederum als Basis einer eigenen Präsidentschaftskandidatur 2022. Im Interview zeigt sich Marion Maréchal gelassen:
"Ich kann solche Spekulationen leider nicht verhindern. Es gibt sie, seit ich meine politische Arbeit beendet habe. Ich habe damals schon gesagt, dass ich nicht sicher bin, ob ich mit der Politik weitermachen möchte. Ich will das überhaupt nicht ausschließen, ich bin 28 Jahre alt, es wäre doch seltsam, wenn ich mir das jetzt für alle Zeiten verbieten würde! Ich weiß nicht, ob ich nochmal in die Politik zurückkehre und schon gar nicht, wann das sein könnte. Jetzt will ich erstmal diese Hochschule aufbauen – den Rest wird man sehen, also ob es einen Moment geben wird, wo sich zeigt, ob meine Rückkehr in die Politik sinnvoll sein könnte."
Der Ehrenpräsident der rechten französischen Partei Front National (FN), Jean-Marie Le Pen (r.), Parteichefin Marine Le Pen (2.v.r.) sowie Marion Marechal-Le Pen nehmen am 1. Mai 2013 an einem Marsch in Paris teil.
Die Le Pens, seit Generationen rechts: Front-National-Gründer Jean-Marie Le Pen (r.), seine Tochter, Parteichefin Marine Le Pen (2.v.r.) sowie Enkelin Marion Marechal-Le Pen in Paris.© afp / Eric Feferberg
Geboren kurz nach dem Mauerfall, war Marion Maréchal schon als Dreijährige auf einem Wahlplakat zu sehen: auf dem Arm ihres Großvaters Jean-Marie Le Pen, dem Gründer des Front National. In Saint-Cloud bei Paris besuchte Marion Maréchal die Schule der "Priesterbruderschaft St. Pius X.". Als sie in Paris Öffentliches Recht studierte, war sie dem Front National längst beigetreten. Mit 22 Jahren wurde sie die jüngste Abgeordnete der französischen Nationalversammlung. 2017 trat sie nicht mehr an, obwohl sie große Chancen gehabt hätte, wiedergewählt zu werden: um fortan "ganz und gar für ihr Kind da" zu sein – so die offizielle Begründung für ihren Rückzug aus der Politik.
"Ich werde diese Hochschule auch nicht als persönliche Bühne benutzen. Wenn sie mir natürlich auch Gelegenheit gibt, zu zeigen, dass man durch persönliches und konkretes Engagement etwas verändern, dass man erkannte Unzulänglichkeiten bekämpfen kann, die es in der Gesellschaft gibt."

Kritik an einer "technokratischen" Elite

Maréchals Hochschule, die ISSEP, liegt im Lyoner Stadtteil Confluence, wo die Rhône und die Saône zusammenfließen, ein früheres Arbeiterviertel, in dem in den letzten Jahren viele schicke Neubauten errichtet wurden, Start-up-Unternehmen haben sich angesiedelt, allein die immer noch vorhandenen Brachen zwischen den neuen Stahl- und Glasfassaden trüben den Eindruck von allgemeinem Neuanfang und wachsender Prosperität.
Das Gefühl von einem Neuanfang lässt sich allerdings auch an der nagelneuen ISSEP nicht wirklich einfangen. Das Institut liegt in einer ruhigen Seitenstraße, Studenten sind weit und breit nicht zu sehen, von einem "Campus" kann keine Rede sein.
Dabei hat sich Marion Maréchal, die mit ihrer Hochschule "von der Basis her für die Zivilgesellschaft" arbeiten will, durchaus große Ziele gesteckt. Nicht weniger als "eine neue Elite" soll die ISSEP hervorbringen.
"Wir sind im Moment in Frankreich – und darüber hinaus, ich glaube, es ist ein europäisches Phänomen – mit einer Elite konfrontiert, die zwar gut ausgebildet ist, aber vor allem aus Technokraten besteht. Das sind Manager, Funktionäre ohne Visionen, ohne grundlegende Allgemeinbildung, in französischer Kultur und Geschichte kaum noch verwurzelt. Daher sind sie nicht in der Lage, die großen gesellschaftlichen Herausforderungen wirklich verstehen zu können", sagt Maréchal.
Porträt von Marion Maréchal bei der Einweihung des ISSEP am 22.06.2018 in Lyon.
Will rechten Denktraditionen Raum verschaffen: Marion Marechal bei der Einweihung des ISSEP am 22.06.2018.© imago/CrowdSpark
"Daher neigen sie kaum dazu, vor allem die Interessen ihres Landes zu sehen und zu verteidigen - weil sie in Elitehochschulen ausgebildet wurden, in denen sie wie in einer eigenen Welt lebten. Dort haben sie eine Art intellektuellen Konformismus entwickelt, sodass sie zum Beispiel allesamt und wie selbstverständlich die Globalisierung für eine glückliche Entwicklung halten und alle Grenzen verschwinden lassen wollen. Die Idee der ISSEP ist es, mit einer neuen Hochschule für politische Wissenschaften und Management eine neue Elite von Politikern und Wirtschaftsleuten auszubilden, Menschen, die verschiedenartiger und freier denken."
Viele Franzosen würden das so sehen, so Marion Maréchal. Eine "Antwort auf unsere Eliten" sei überfällig:
"Das große Problem besteht darin, dass es keinen wirklichen intellektuellen Pluralismus mehr gibt. Wir erleben in Frankreich eine Art intellektueller und moralischer Sklerose, mit der Folge, dass eine ganze Reihe von Ansichten und Ideen in der öffentlichen Debatte nicht mehr vorkommen, in den Medien nicht, nicht in den Kulturbetrieben, auch nicht im Bildungswesen. Man hat sie einfach verschwinden lassen, es ist, als habe es einen großen historischen Gedächtnisverlust gegeben. Und es werden sofort alle verteufelt, die anders denken, die Lust haben, anders auf diese Welt zu sehen."

Den Autoren der Rechten ein Forum bieten

Mit dem "historischen Gedächtnisverlust" meint Marion Maréchal rechtskonservative Autoren, die im derzeitigen Bildungskanon der französischen Hochschulen so gut wie keine Rolle mehr spielen – obwohl derlei Denktraditionen in Frankreich durchaus lebendig sind: Joseph de Maistre zum Beispiel, im 18. Jahrhundert ein Vertreter der Gegenaufklärung, Jacques Bainville, der in den 1930er- und 40er-Jahren Mitherausgeber der extrem nationalistischen Tageszeitung "Action française" war oder auch Georges Bernanos, der sich zur selben Zeit literarisch für einen erneuerten Katholizismus einsetzte.
"Die Idee der ISSEP ist es, diesem intellektuellen Sektierertum, das man in weiten Teilen der Universitäten und an den Elitehochschulen findet, einen wirklichen intellektuellen Pluralismus entgegenzusetzen. Das heißt, wir werden, was zum Beispiel die politische Ideengeschichte angeht, natürlich die großen Autoren der politischen Linken diskutieren, das ist unverzichtbar, um unsere Vergangenheit und Gegenwart zu verstehen. Marx zum Beispiel.
Aber wir werden auch andere große Denker und Philosophen behandeln, die weniger bekannt sind, in den Studienplänen nur noch selten auftauchen, vor allem deshalb, weil sie zumeist als Autoren der Rechten klassifiziert werden. Auch bei ihnen sind interessante Ansätze zu finden! Und es ist dann Sache der Studenten, mit diesem Wissen zu machen, was sie wollen. Wenn man ein kritisches Urteilsvermögen vermitteln will, was ja für eine gute Führungskraft unverzichtbar ist, dann muss man an diesen intellektuellen Pluralismus wieder anknüpfen."

Eine politische Hochschule oder eine Hochschule für Politik?

Innerhalb der französischen Hochschullandschaft steht Marion Maréchals "Institut für Sozial-, Wirtschafts- und Politikwissenschaften" isoliert da. Zehn öffentliche Hochschulen für Politische Wissenschaften gibt es in Frankreich, für die 1000 Studienplätze gab es in diesem Jahr rund 10 000 Bewerbungen. Das als "links" geltende "Institut für politische Studien" von Lyon, kurz "Sciences Po Lyon " genannt, besteht seit 70 Jahren. Deren Direktor Renaud Payre nimmt die neue Konkurrenz relativ gelassen hin, im Regionalsender Télé Lyon Métropole sagte er:
"Ganz allgemein gesagt: wir sind ganz und gar nicht in derselben Kategorie. An der Sciences Po Lyon haben wir 1800 Studenten, die sehr sorgfältig ausgewählt und über fünf Jahre hinweg ausgebildet werden. Was sind dagegen einige Dutzend Studenten, die an der ISSEP einen Magister erwerben – was nicht einmal ein nationales Diplom ist."
Dass man die ISSEP ebenfalls schon als "Science Po" bezeichnet hatte, so Renaud Payre, sei eine Beleidigung seiner Studenten.
"Das Modell 'Sciences Po' ist etwas Besonderes. Es ist multidisziplinär, sehr international ausgerichtet, man muss mindestens zwei Fremdsprachen beherrschen, wir bilden für den öffentlichen wie für den privaten Sektor aus. Die ISSEP ist eine neue Privatschule, die Diplome der ISSEP werden vom Staat nicht anerkannt – und wenn ich mir anschaue, wer dort wohl unterrichten wird, habe ich den Eindruck, dass das weit mehr eine politische Hochschule ist als ein normales Institut für politische Wissenschaften."
Eingangsbereich der privaten Hochschule ISSEP in Lyon.
Wachschutz sichert die Einweihung der ISSEP am 22.06.2018.© imago/CrowdSpark
Über die staatliche Nichtanerkennung ihrer Abschlüsse macht man sich bei der ISSEP keine Sorgen, man vertraut darauf, dass die Hochschule sich einen Ruf erarbeiten werde, der ihren Absolventen gute Stellen garantiert. Das Studienprogramm umfasst drei Bereiche: In einer Sektion "Menschenführung" sollen Führungsqualitäten gefördert, Verhandlungsgeschick, Konfliktmanagement, Öffentliches Reden oder auch Kommunikationsstrategien trainiert werden.
In einem umfangreichen Programm zum Projektmanagement werden wirtschaftliche Grundkenntnisse vermittelt, mit Schlagwörtern wie Projektgründung, Wirtschaftsplan, Marketingstrategien, Steuerfragen.
Und der geisteswissenschaftliche Bereich umfasst nicht nur Themen der Politik-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte, sondern auch Seminare zu Philosophie, Literatur, Religion und zur Geschichte Frankreichs. Damit soll jene "culture générale", jene umfassende kulturelle Allgemeinbildung vermittelt werden, die in Frankreich nach Ansicht von Marion Maréchal verloren gegangen ist:
"Das Einzigartige unserer Programme besteht darin, dass Themen der Sozial-, Wirtschafts- und Politikwissenschaften und Fragen des Unternehmertums Teil ein und derselben Ausbildung sind. Sonst sind Ausbildungsgänge immer sehr spezialisiert. Wir bringen das zusammen, weil man heutzutage, ob in der Politik oder in der Privatwirtschaft, meistens projektgebunden arbeitet und es dabei sehr nützlich ist, auch die grundlegenden unternehmerischen Verfahren und Werkzeuge zu kennen. Genauso wie umgekehrt ein Unternehmer sehr von seinen Kenntnissen in Sozial-, Wirtschafts- und Politikwissenschaften profitieren wird."

Spenden "ausschließlich von französischen Unternehmen"

Bei der politischen Ausrichtung und so großer Unternehmensnähe ist die Frage der Finanzierung der Hochschule besonders interessant – doch viel erfährt man nicht.
"Wir haben zwei Einnahmequellen: zum einen die Gebühren von 5500 Euro pro Student – und es wird einige Jahre dauern, bis wir allein davon leben können, wir haben ja gerade erst angefangen. Und wir kompensieren das durch Spenden – ausschließlich von französischen Unternehmen. Damit wir nicht verdächtigt werden, etwa von amerikanischen oder russischen Unternehmen abhängig zu sein."
Mehrere Hunderttausend Euro sollen an Spenden zusammengekommen sein, genaue Zahlen gibt es nicht, Namen werden nicht genannt. Auch die inhaltliche Unschärfe ist groß, es gibt weder ein Vorlesungs- oder Kursverzeichnis noch Semesterpläne. Wohl auch deswegen kam eine öffentliche Auseinandersetzung über die ISSEP bisher nicht zustande, mangels detaillierter Kenntnisse will sich kaum jemand wirklich äußern - jenseits der Frage, ob Marion Maréchal mit ihrer Hochschule wie durch eine Hintertür wieder in die Politik zurückkehren will. Demonstrationen gab es gleichwohl, nicht gegen die ISSEP, sondern als Protest dagegen, dass Lyon immer mehr eine Hochburg der Rechten und Rechtsextremen in Frankreich wird, auch die "Identitäre Bewegung" unterhält ein Büro in Lyon.
"Was hier in Lyon passiert, ist dabei, sich in allen Städten auszubreiten", sagt eine Demonstrantin. "Deshalb muss man sehr genau hinschauen, was in Lyon passiert. Überall werden rechte Gruppen sich niederlassen, werden immer weniger zu beherrschen sein. Man darf ihnen nicht das Terrain überlassen!"

Bisher haben sich 60 Studenten eingeschrieben

Marion Maréchal hat sich immer dagegen gewehrt, als "rechtsextrem" bezeichnet zu werden. "Rechts" und "konservativ" will sie genannt werden, und so will sie auch die Ausrichtung ihrer Hochschule verstanden wissen. Wer hier zum Lehrkörper zählt – dazu findet sich auf den Internetseiten der ISSEP allerdings nichts. Vierzig Dozenten und Professoren seien verpflichtet worden, sagt Maréchal, sie kämen von anderen öffentlichen oder privaten Hochschulen, einige Gymnasiallehrer seien dabei sowie Praktiker aus verschiedenen Unternehmen. Mehr erfährt man nicht.
Marion Maréchal: "Wir haben unsere Professoren strikt nach ihrer Kompetenz ausgewählt. Natürlich – wir sind eine Hochschule mit einem konservativen Profil, die meisten unserer Lehrer teilen unsere grundsätzlichen Werte, z. B. was die Verwurzelung in der französischen Kultur und der französischen Geschichte angeht. Denn wir wollen Menschen ausbilden, die sich mit ihrem Land verbunden fühlen, die Patrioten sind. Aber politisches Engagement ist für uns kein Kriterium, Sie finden keinen Abgeordneten im Lehrkörper, auch niemanden, der sich irgendwo um ein Mandat bewirbt."
Rund sechzig Studenten haben sich bisher eingeschrieben – es mag Zufall sein, dass auch bei wiederholten Besuchen dort kein einziger anzutreffen war. Zur Vorstellung der Schule im Frühsommer hatten sich Frederic und Jacques, 21 Jahre alt, im Sender RTL geäußert – von der medialen Aufregung rund um die "rechte Kaderschmiede" hielten sie nicht viel.
Frédéric: "Was ich an der ISSEP interessant finde, sind die angebotenen Inhalte und dass sie eine Vorstellung von Politikwissenschaft haben, die nicht so rein technokratisch ist, die sich nicht vollkommen von der Realität losgelöst hat."
Jacques: "Mich interessiert das Programm, die Werkzeuge, die sie anbieten. Wer die Schule leitet, ist mir ganz egal, ich glaube, sie haben einfach kompetente Professoren."
Der Co-Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirats der ISSEP, Patrick Louis.
Der Co-Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirats der ISSEP, Patrick Louis.© imago/CrowdSpark
Ausgewählt werden die Studenten aufgrund eines Tests zur kulturellen Allgemeinbildung, einer schriftlichen Arbeit und eines etwa 20-minütigen "Motivationsgesprächs" mit der Jury, die wiederum aus Mitgliedern des wissenschaftlichen Beirats besteht. Patrick Louis, Co-Präsident dieses Beirats, arbeitet auch als Hochschullehrer an der Universität Lyon III:
Patrick Louis: "Für uns ist wichtig, dass es kleine Gruppen gibt, also nicht 40, sondern 20 oder 25. Dabei wird es auch Qualitätskontrollen, wird es auch Seminararbeiten geben. Wichtiger aber sind uns die Colloquien, in denen Professoren und Studenten miteinander diskutieren können. Das ist etwas, was an den französischen Hochschulen heutzutage fast verschwunden ist!"
Die Räumlichkeiten der ISSEP sind für eine Hochschule eher klein, ein Erdgeschoss von 400 Quadratmetern: mit geräumigem Entrée und hellem Holzfußboden, einer Bibliothek, einer fensterlosen "Lern-Lounge" mit gedämpftem Licht, es gibt einen mittelgroßen Seminarraum und ein Studio für das Medientraining der Studenten.
"Natürlich wollen wir auch Kenntnisse vermitteln, aber daneben auch, ganz wichtig: Praktiken trainieren. Wie stellt man eine Publikation her? Wie dreht man Videos? Wie führt man Untersuchungen durch? Und: wir wollen herausstellen, dass wir eine Gemeinschaft bilden mit einem besonderen Gemeinsinn, und es wird eine Art Bonus geben für all diejenigen, die dieses gemeinschaftliche intellektuelle Leben besonders bereichern, das die ISSEP prägen wird."

Seminare zu "militärischer Souveränität"

Über das Seminarprogramm hinaus bietet die ISSEP fortlaufende Wochenendkurse an, zehn im Jahr, jeweils zweitägig, zum Preis von insgesamt 1990 Euro. Hier sind die Angaben präziser, es finden sich Themen wie "Die großen Wirtschaftsmodelle" und "Das Erbe von Christentum und Laizität in Frankreich" bis zu "Militärische Souveränität", "In welchem politischen System leben wir?", "Wie organisiert man einen Wahlkampf?". Dazu kommen praktische Übungen: "Wie führt man Verhandlungen?", "Wie gibt man Interviews?", "Wie hat man Erfolg bei Podiumsdiskussionen?" Und auch ein Praktikum ist vorgesehen, bei dem man lernt, über sich selbst hinauszuwachsen. Marion Maréchal:
"Das ist ein Praktikum in der Natur, mit dem der Zusammenhalt einer Gruppe gefördert werden soll. Eine Gruppe geht für zwei Tage in die Natur für Übungen, in denen die Studenten sich selbst überlassen werden, sie haben bestimmte Aufgaben zu erledigen, eine Art Überlebenstraining. Große Unternehmen machen sowas auch, und immer geht es darum, auf pädagogische und sozusagen ganz natürliche Weise Führungspersönlichkeiten herauszubilden. Und wir fördern damit insbesondere den Gruppenzusammenhalt – zusammen in der Natur zu sein, ist dafür gut geeignet – es ist immer sehr anregend, gemeinsam zu schwitzen…!"
Patrick Louis vom wissenschaftlichen Beirat ergänzt:
"Wir bestehen ja nicht nur aus Geist, sondern auch aus dem Körper. Und mit dem Körper muss man etwas machen, man muss handeln, muss auch über seine Grenzen hinausgehen. Wenn man zum Beispiel in die Berge geht und einer glaubt, er schafft das nicht, eine Felswand hinaufzuklettern zum Beispiel – dann kann er in der Gemeinschaft, die gemeinsam an einem Seil hängt, plötzlich merken, dass er sehr viel mehr kann, als er vorher gedacht hatte! So kann er Selbstvertrauen entwickeln."

"Ziehen wir '68 den Stecker raus!"

Der wissenschaftliche Beirat der ISSEP besteht aus fünfzehn Männern. Frauen hätte man bisher nicht gewinnen können, heißt es. Patrick Louis leitet ihn gemeinsam mit dem knapp 40-jährigen Schriftsteller, Essayisten und Journalisten Jacques de Guillebon. Der gründete 2017 die Zeitschrift "L’Incorrect", mit der er, wie es in einem Editorial hieß, einer "politischen, intellektuellen und kulturellen Allianz" der "verschiedenen rechten Strömungen" eine "Brücke bauen möchte". Bei einer öffentlichen Diskussionsrunde mit dem Titel "Débranchons mai 68!" – "Ziehen wir '68 den Stecker raus!" definierte Jacques de Guillebon die Rechte so:
"'L’Incorrect' ist eine Zeitschrift der Rechten, der wirklichen Rechten. Die Linke will unsere Zukunft verändern, ohne uns um unsere Meinung zu bitten. Die Rechte ist, anders als die Linke, keine Ideologie. Die Linke hat die Tendenz, alles unter dem Siegel der Ideologie zu sehen, alle Bereiche der Kultur, der Philosophie in Politik umzuwandeln, das ganze Leben. Die Rechte findet sich in dem wieder, was man die Wirklichkeit nennt. Sie berücksichtigt die verschiedenen Bereiche des Lebens. Sie versucht, nicht alles über einen Kamm zu scheren, versucht, nicht ideologisch zu sein."
Rechter Vordenker: Der Schriftsteller und Journalist Jacques de Guillebon, Gründer der Zeitschrift "L'Incorrect".
Rechter Vordenker: Der Schriftsteller und Journalist Jacques de Guillebon, Gründer der Zeitschrift "L'Incorrect".© imago / CrowdSpark
"L’Incorrect" ist nur die jüngste Gründung einer ganzen Reihe von französischen Zeitschriften, die sich als dezidiert rechts verstehen, die sich für das Christentum und traditionelle Familienbilder einsetzen, gegen die Homo-Ehe wettern, gegen die Einwanderung und die angeblich zunehmende Dominanz des Islam in Frankreich. Auch Marion Maréchal nutzt diese Zeitschriften als eine Art Sprachrohr für ihre Ideen. Umgekehrt gilt der rechten Szene die Gründung der ISSEP als vielversprechendes Signal, um ihre Ideen voranbringen zu können. Charlotte d'Ornellas, Reporterin der Zeitschrift "Valeurs actuelles", "Aktuelle Werte", bei jener Diskussionsrunde zu den 68ern, denen man "den Stecker rausziehen" wolle:
"Ich glaube, der ganze Hype um die Gründung der ISSEP ging um Marion Maréchal. Wir haben es alle gemerkt: Es waren nicht die Journalisten, die sich mit Bildungsthemen befassen, es war die politische Presse, die sich aufgeregt hat. Jetzt wird es Zeit zu verstehen, was ist das für eine Schule? Und zu beobachten, ob sie wirklich die Bedürfnisse erfüllt und Erfolg hat."

Eine Brücke zwischen rechts und rechtsextrem

Eine "rechtskonservative Elite" bilden, um die "kulturelle Hegemonie der 68er" zu brechen? Man wird sehen, wie weit Marine Maréchal kommen wird. Ernst zu nehmen ist ihr Unternehmen auf jeden Fall. Der Journalist Matthieu Aron in einer Veranstaltung der konservativen Tageszeitung "Le Figaro":
"Sie versteht es, etwas sehr Besonderes zu verkörpern: die Brücke zwischen der Rechten und der extremen Rechten. Das ist Marion Maréchal. Die keine 'Le Pen' mehr ist. Und sie ist keine 'Le Pen' mehr, um genau diese 'Brücke' werden zu können. Dafür hat sie sich mit ihrer Hochschule eine Art "ideologischen Korpus" geschaffen. Hinzukommt: sie ist sehr jung, sie hat eine gewisse Ausstrahlung. Und wenn man sich die Umfrage ansieht, die der 'Figaro' gemacht hat, zeigt sich: Deren Leser würden sich mehrheitlich über den Aufstieg Marion Maréchals freuen."
So bleibt in den Medien ein abwartendes Misstrauen Marion Maréchal gegenüber vorherrschend. Mag sie auch noch so sehr beteuern, dass sie mit ihrer Hochschule "kein politisches Ziel" verfolgt.
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