Frankreich

Flüchtlingsdebatte bei Konservativen spitzt sich zu

Nicolas Sarcozy steht hinter einem Rednerpult, dahinter eine französische und eine EU-Flagge.
Nicolas Sarcozy hat die Parteiinternen Instanzen im Falle Morano eingeschaltet. © AFP / Dominique Faget
Von Ursula Welter |
Die französischen Konservativen stellen sich klar gegen Deutschlands Flüchtlingspolitik. Für Aufsehen sorgten zuletzt provokante Äußerungen der ehemaligen Ministerin Nadine Morano. Sie ist nicht die Einzige aus dem Lager der Konservativen, die versucht, in der Flüchtlingsdebatte zu punkten.
Die Internet-Seiten aller Europaabgeordneten haben eine Rubrik "Medienpräsenz". Im Falle von Nadine Morano war die Interview-Frequenz in den vergangenen Tagen besonders hoch. Seit sie am Samstag in einem französischen Studio gesagt hatte: "Für den nationalen Zusammenhalt braucht es ein Gleichgewicht. Wir sind ein jüdisch-christliches Land weißer Rasse, Charles de Gaulle hat es so gesagt."
Morano gehört zur Parteifamilie des früheren Staatspräsidenten Sarkozy. Für "Die Republikaner", wie die konservative Oppositionspartei und frühere UMP inzwischen heißt, stand Morano auf der Kandidatenliste für die Wahlen in der Region Elsass-Lothringen-Champagne, im kommenden Jahr wollte sie bei der Auswahl des Präsidentschaftskandidaten ihrer Partei antreten.
Aber nun ist die Parteispitze auf klare Distanz gegangen, Nicolas Sarkozy hat die internen Instanzen im Falle Morano eingeschaltet.
Dem früheren Staatspräsidenten und Parteichef der Konservativen drohte die Debatte zu entgleiten. Dreieinhalb Tage lang schaute Sarkozy zu, wie sich seine parteiinternen Herausforderer gegen Morano stellten, bis er selbst die Reißleine zog. In einer Phase, in der sich die französischen Konservativen klar gegen die Flüchtlingspolitik Deutschlands stellen:
"Angesichts dieses Dramas um die Kriegsflüchtlinge", sagt Sarkozy auf allen Bühnen, die er derzeit betritt, "müssen wir die Wirtschaftsimmigration stoppen, dafür haben wir weder Geld, noch Arbeitsplätze, noch Wohnungen."
Flüchtlingsthema und der laufende französische Wahlkampf
Kriegsflüchtlinge dürften nach Frankreich kommen, müssten aber zurückgeschickt werden, wenn der Krieg vorbei sei. Das Flüchtlingsthema bietet die Folie für den laufenden Wahlkampf. Der im Falle der "Republikaner" auch ein parteiinterner Wahlkampf ist, denn auf die Regionalwahlen im Dezember folgt 2016 die Auswahl des Präsidentschaftskandidaten.
So provokant und mit rassistischen Formeln garniert, wie bei Nadine Morano benutzt, gehen die übrigen Bewerber nicht ans Werk, aber alle versuchen, in der Flüchtlingsdebatte zu punkten.
"Es kann doch kein Illegaler mehr ausgewiesen werden, der Rechtsstaat vermag, diese Regel doch gar nicht mehr anzuwenden", erklärte Bruno le Maire gerade. Le Maire war Sarkozy unterlegen, als es um den Parteivorsitz der Konservativen ging. Aber er hat weiterhin Ambitionen auf die Präsidentschaftskandidatur seiner Partei.
Vier von fünf illegalen Einwanderern würden nicht ausgewiesen, stütze ein konservativer Senator der Region "Rhône" die These le Maires, Frankreich drücke in Sachen illegaler Einwanderung alle Augen zu. Aber im Sender "France Info" konterten die Journalisten mit einer Statistik des Innenministeriums: Der zufolge wurden im vergangenen Jahr knapp 15.000 Personen ausgewiesen, die Zahl stieg demnach seit fünf Jahren kontinuierlich an.
Krieg der Statistiken
Hinter diesem Krieg der Statistiken verbirgt sich große Unsicherheit. Denn die Zahlen in Frankreich sind nicht verlässlich.
"Wir müssen uns die Realität in unserem Land ansehen", sagte Manuel Valls nach den Attentaten im Januar. Der sozialistische Premierminister gehört zu denen, die verlässlichere Daten haben möchten über die Folgen der Einwanderungsbewegungen. Denn die Bürger Frankreichs müssen keine Angaben zu Religionszugehörigkeit, Hautfarbe und Herkunft machen, wer solche Daten sammelt, muss mit hohen Strafen rechnen.
Diese Regeln, die auf den Erfahrungen der Vichy- und Nazizeit gründen, möchte nun auch François Fillon aufheben. Der frühere Premier versucht sich im konservativen Lager mit dem Thema "ethnische Statistiken" zu profilieren, einem Thema, das in Frankreich linke und rechte gleichermaßen spaltet. Auch Fillon möchte Präsidentschaftskandidat der Konservativen werden. Aber sein innerparteilicher Konkurrent, wiederum Nicolas Sarkozy, nahm ihm insofern den Wind aus den Segeln, als dass er sich der Forderung Fillons nach ethnischen Statistiken anschloss.
So läuft also der Wahlkampf der Konservativen untereinander und spitzt sich zu je mehr Flüchtlinge kommen. Im Fall der Europaabgeordneten Morano, die Frankreich als Zitat: "jüdisch-christliches Land weißer Rasse", sehen möchte, musste sich Parteichef Sarkozy den Vorwurf gefallen lassen, er habe die Politikerin zu spät gestoppt - auch, weil er dem extremen Front-National-Wähler abspenstig machen wolle.
Morano selbst verteidigte sich noch einmal: Weil sie Präsidentschaftskandidatin ihrer Partei werden wolle, hätten jetzt alle bei den Konservativen ihre Scharfschützen in Stellung gebracht.
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