Frankreich ehrt Dreyfus
Das Museum für Kunst und Geschichte des Judaismus in Paris zeigt derzeit eine Ausstellung über Alfred Dreyfus. Vor hundert Jahren wurde der jüdische Hauptmann rehabilitiert. Er war zwölf Jahre zuvor fälschlicherweise und aus antisemitischen Gründen als deutscher Spion verhaftet worden. Die Schau bildet den Auftakt des nationalen Gedenkjahrs in Frankreich.
Die Dreyfus-Affäre hat auch in der Ausstellung viele Gesichter: Manuskripte, Postkarten, Fotographien, Zeitungsausschnitte, persönliche Gegenstände, Dokumente, aber nur ein Öl-Gemälde von Alfred Dreyfus, das den sechs Jahre nach seiner Rehabilitierung als gütig und gleichzeitig entschlossen wirkenden 60-Jährigen mit lichtem Haar und Nickelbrille zeigt.
Kuratorin Anne Hélène Hoog : „Es gibt kein Gemälde von Alfred Dreyfus, außer einem, das privat ist von seiner Schwägerin. Alfred Dreyfus gehört nicht zum nationalen Gedächtnis, gehört nicht zu den nationalen Helden, wir haben Gemälde, das war eine große Zeit, wo die nationalen Figuren gemalt worden sind und im Museum aufgehängt worden sind – Alfred ist nirgendwo zu finden, sei es allein oder in einer Gruppe. Also die Dreyfusards als solche sind immer Intellektuelle, die sich engagieren oder die Gründer der Ligue des Droits de l’homme. Alfred als Individuum, das sich verteidigt und ein Beispiel für einen gewissen Sinn der Gerechtigkeit, der Ehre erscheint nicht und sein Mut, seine Fähigkeit werden nicht als solche anerkannt. Das hat sehr lange gedauert. Und diese Figur stellt natürlich ein Problem dar. Und man muss sich fragen warum.“
Die Ausstellung zeigt Dreyfus nicht als passives Opfer, sondern als aktiven Menschen, der als Einzelner Widerstand leistete gegen das Unrecht und für die Gerechtigkeit. Weil er auf Schwarzweiß-Malerei verzichtete und sich nicht nach Ideologien, sondern nach universellen Rechten richtete, wurde er selbst für seine eigenen Anhänger teilweise unbequem. Jean Jaurès und Emile Zola gingen als Prototypen des engagierten Intellektuellen in die Geschichte ein, nicht so Alfred Dreyfus :
„Die Tatsache, dass Alfred doch nicht als ein Held erschienen ist und sogar verachtet wurde und als einfaches Opfer und als schwacher Mensch betrachtet wurde: unsympathisch, das hat natürlich seine Figur geprägt. Den wirklichen Menschen darunter zu entdecken, das ist ein wirkliches Problem gewesen, bis 1994 – die Kommemoration von der Verhaftung Dreyfus’, der Beginn der Dreyfus-Affäre ist natürlich das Moment gewesen, wo man eine Figur von Louis Mittelberg, von dem Bildhauer Tim, dann in der öffentlichen Sphäre, auf die Straße gestellt hat, plötzlich war die Figur sichtbar.“
100 Jahre nach seiner Rehabilitierung gibt die Dreyfus-Affäre immer noch Rätsel auf. Am 12. Juli 1906 wurde der jüdische Hauptmann Alfred Dreyfus rehabilitiert. Zwölf Jahre nachdem er fälschlicherweise und aus antisemitischen Gründen als deutscher Spion verhaftet worden war. Die falsche Anschuldigung war kein Zufall, sondern Resultat einer seit Jahrzehnten erstarkenden antisemitischen Strömung innerhalb der französischen Gesellschaft gewesen.
Die Dreyfus-Affäre ist bis heute ein Symbol geblieben, wenngleich der Kampf für die Gerechtigkeit inzwischen andere Züge trägt. Seit Jahren leiden die rund 600.000 Juden in Frankreich unter einer seit dem Zweiten Weltkrieg beispiellosen antisemitischen Gewaltwelle. Hat sich der Einsatz für die Wahrheit bei der Dreyfus-Affäre also nur zeitweise gelohnt? Frage an den Historiker und Dreyfus-Experten Vincent Duclert:
„Die Dreyfus-Affäre bleibt ein Symbol. Dreyfus selbst ist kein Symbol, aber er wird vielleicht noch eines werden, dank Ausstellungen wie dieser, dank der Arbeit von Historikern. Die Lehren der Dreyfus-Affäre lauten: das Recht muss triumphieren, die Gleichheit muss existieren, es darf keine Geheimjustiz aus Gründen der Staatsräson geben, das ist der beste Weg, um gegen den Antisemitismus zu kämpfen. Denn der Antisemitismus kann nur existieren, wo der Rechtsstaat aufhört und die Gewalt beginnt.“
Mit der Rehabilitierung 1906 schien die Ungerechtigkeit beseitigt, Unschuld und Ehre wieder hergestellt worden zu sein. Doch der Schein trügt. Vincent Ducler, Historiker und Autor der ersten Dreyfus-Biografie „Die Ehre eines Patrioten“ findet deshalb die derzeit diskutierte Überführung von Alfred Dreyfus in den Pantheon, den Ehrentempel der französischen Nation, als eine überaus angemessene Geste:
„Dreyfus wurde nicht wirklich in die Armee integriert, wie von der Justiz verlangt worden war, insofern bleibt hier eine Reparation zu leisten, die durch den Pantheon möglich wäre. Es würde eine Hommage der französischen Nation an diesen Mann bedeuten, der den Idealen Frankreichs, als Mutterland der Menschenrechte, treu geblieben ist. Eine Hommage an einen Mensch, der kein Held war, aber heldenhaft geworden ist, weil er im Gefangenenlager auf der Teufels-Insel in Französisch-Guyana Widerstand leistete. Dreyfus ist der erste Insasse der Lager des 20. Jahrhunderts. Eine Überführung Dreyfus’ in den Pantheon würde auch eine Botschaft an die heutige Gesellschaft bedeuten: in Form dieses Helden, der als Widerstandskämpfer im Gefangenenlager, als Kämpfer für die Gerechtigkeit sich maßgeblich am Fortschritt der Menschheit beteiligt hat. Er ist ein Hoffnungsträger für all jene, die wie er Opfer des Antisemitismus geworden sind. Durch Dreyfus können sie Hoffnung schöpfen. Insofern wäre die Überführung in den Pantheon ein sehr konkretes Zeichen für Frankreich und die Welt.“
Service:
Die Ausstellung „Alfred Dreyfus: Kampf für die Gerechtigkeit“ ist vom 14. Juni bis 1. Oktober 2006 im Museum für Kunst und Geschichte des Judaismus in Paris zu sehen.
Kuratorin Anne Hélène Hoog : „Es gibt kein Gemälde von Alfred Dreyfus, außer einem, das privat ist von seiner Schwägerin. Alfred Dreyfus gehört nicht zum nationalen Gedächtnis, gehört nicht zu den nationalen Helden, wir haben Gemälde, das war eine große Zeit, wo die nationalen Figuren gemalt worden sind und im Museum aufgehängt worden sind – Alfred ist nirgendwo zu finden, sei es allein oder in einer Gruppe. Also die Dreyfusards als solche sind immer Intellektuelle, die sich engagieren oder die Gründer der Ligue des Droits de l’homme. Alfred als Individuum, das sich verteidigt und ein Beispiel für einen gewissen Sinn der Gerechtigkeit, der Ehre erscheint nicht und sein Mut, seine Fähigkeit werden nicht als solche anerkannt. Das hat sehr lange gedauert. Und diese Figur stellt natürlich ein Problem dar. Und man muss sich fragen warum.“
Die Ausstellung zeigt Dreyfus nicht als passives Opfer, sondern als aktiven Menschen, der als Einzelner Widerstand leistete gegen das Unrecht und für die Gerechtigkeit. Weil er auf Schwarzweiß-Malerei verzichtete und sich nicht nach Ideologien, sondern nach universellen Rechten richtete, wurde er selbst für seine eigenen Anhänger teilweise unbequem. Jean Jaurès und Emile Zola gingen als Prototypen des engagierten Intellektuellen in die Geschichte ein, nicht so Alfred Dreyfus :
„Die Tatsache, dass Alfred doch nicht als ein Held erschienen ist und sogar verachtet wurde und als einfaches Opfer und als schwacher Mensch betrachtet wurde: unsympathisch, das hat natürlich seine Figur geprägt. Den wirklichen Menschen darunter zu entdecken, das ist ein wirkliches Problem gewesen, bis 1994 – die Kommemoration von der Verhaftung Dreyfus’, der Beginn der Dreyfus-Affäre ist natürlich das Moment gewesen, wo man eine Figur von Louis Mittelberg, von dem Bildhauer Tim, dann in der öffentlichen Sphäre, auf die Straße gestellt hat, plötzlich war die Figur sichtbar.“
100 Jahre nach seiner Rehabilitierung gibt die Dreyfus-Affäre immer noch Rätsel auf. Am 12. Juli 1906 wurde der jüdische Hauptmann Alfred Dreyfus rehabilitiert. Zwölf Jahre nachdem er fälschlicherweise und aus antisemitischen Gründen als deutscher Spion verhaftet worden war. Die falsche Anschuldigung war kein Zufall, sondern Resultat einer seit Jahrzehnten erstarkenden antisemitischen Strömung innerhalb der französischen Gesellschaft gewesen.
Die Dreyfus-Affäre ist bis heute ein Symbol geblieben, wenngleich der Kampf für die Gerechtigkeit inzwischen andere Züge trägt. Seit Jahren leiden die rund 600.000 Juden in Frankreich unter einer seit dem Zweiten Weltkrieg beispiellosen antisemitischen Gewaltwelle. Hat sich der Einsatz für die Wahrheit bei der Dreyfus-Affäre also nur zeitweise gelohnt? Frage an den Historiker und Dreyfus-Experten Vincent Duclert:
„Die Dreyfus-Affäre bleibt ein Symbol. Dreyfus selbst ist kein Symbol, aber er wird vielleicht noch eines werden, dank Ausstellungen wie dieser, dank der Arbeit von Historikern. Die Lehren der Dreyfus-Affäre lauten: das Recht muss triumphieren, die Gleichheit muss existieren, es darf keine Geheimjustiz aus Gründen der Staatsräson geben, das ist der beste Weg, um gegen den Antisemitismus zu kämpfen. Denn der Antisemitismus kann nur existieren, wo der Rechtsstaat aufhört und die Gewalt beginnt.“
Mit der Rehabilitierung 1906 schien die Ungerechtigkeit beseitigt, Unschuld und Ehre wieder hergestellt worden zu sein. Doch der Schein trügt. Vincent Ducler, Historiker und Autor der ersten Dreyfus-Biografie „Die Ehre eines Patrioten“ findet deshalb die derzeit diskutierte Überführung von Alfred Dreyfus in den Pantheon, den Ehrentempel der französischen Nation, als eine überaus angemessene Geste:
„Dreyfus wurde nicht wirklich in die Armee integriert, wie von der Justiz verlangt worden war, insofern bleibt hier eine Reparation zu leisten, die durch den Pantheon möglich wäre. Es würde eine Hommage der französischen Nation an diesen Mann bedeuten, der den Idealen Frankreichs, als Mutterland der Menschenrechte, treu geblieben ist. Eine Hommage an einen Mensch, der kein Held war, aber heldenhaft geworden ist, weil er im Gefangenenlager auf der Teufels-Insel in Französisch-Guyana Widerstand leistete. Dreyfus ist der erste Insasse der Lager des 20. Jahrhunderts. Eine Überführung Dreyfus’ in den Pantheon würde auch eine Botschaft an die heutige Gesellschaft bedeuten: in Form dieses Helden, der als Widerstandskämpfer im Gefangenenlager, als Kämpfer für die Gerechtigkeit sich maßgeblich am Fortschritt der Menschheit beteiligt hat. Er ist ein Hoffnungsträger für all jene, die wie er Opfer des Antisemitismus geworden sind. Durch Dreyfus können sie Hoffnung schöpfen. Insofern wäre die Überführung in den Pantheon ein sehr konkretes Zeichen für Frankreich und die Welt.“
Service:
Die Ausstellung „Alfred Dreyfus: Kampf für die Gerechtigkeit“ ist vom 14. Juni bis 1. Oktober 2006 im Museum für Kunst und Geschichte des Judaismus in Paris zu sehen.